Lea Schüller kniet nach ihrem 2:0 mit dem Rücken zur Kamera und hat die Hände jubelnd zu Fäusten geballt. In Hintergrund kommt Lena Oberdorf mit ausgestreckten Armen freudig schreiend auf sie zugerannt. Um die beiden herum stehen mehrere enttäuschte niederländische Spielerinnen, darunter Lineth Beerensteyn.

Deutschland fährt zu Olympia! Wer noch qualifiziert ist und wie die Auslosung läuft

Mit einem 2:0-Sieg gegen die Niederlande löst Deutschland im Spiel um Platz 3 der UEFA Women’s Nations League doch noch das Ticket für das Fußballturnier der Frauen bei den Olympischen Sommerspielen 2024. Wer ist noch für Olympia 2024 qualifiziert? Wann ist die Auslosung der Gruppen? Trifft Deutschland auf die USA? Und welche Reiseroute könnte es werden?

Wir machen hier ja bewusst vor allem das, was uns woanders fehlt. Deswegen erlaube ich mir zum Spiel von Deutschland gegen die Niederlande im Gegensatz zu letzter Woche gerade mal Kürze, um dann zu anderen Dingen zu kommen. Habe ich damit gerechnet, dass es gegen die Niederlande mit Olympia noch klappt? Nein, absolut nicht.

Ich hatte die Niederlande trotz Niederlage gegen Spanien sehr viel stärker erwartet, am Ende lag es aus ihrer Sicht wohl auch an den vielen Verletzungen. Und das ist schon etwas, das für mich über dieser Partie schwebt: Deutschland war besser als gegen Frankreich, hatte aber auch schwächer auftretende Gegnerinnen. Trotzdem hat es mich für das Team gefreut, bei allem was in den letzten Monaten so auf diese Gruppe eingeprasselt ist. Das darf man finde ich auch einfach mal so sagen. Aber was war denn nun eigentlich auf den anderen Plätzen los?

Spanische Weltmeisterinnen gewinnen 2:0 gegen Frankreich

Weil Frankreich das Finale der UEFA Women’s Nations League erreichte und als gastgebendes Land bereits für die Olympischen Spiele qualifiziert ist, hatten auch die Spanierinnen mit ihrer Finalteilnahme das Olympia-Ticket schon in der Tasche. Die Weltmeisterinnen ließen es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, Frankreich quasi im Vorbeigehen noch den Nations-League-Pokal vorzuenthalten. Die französische Defensive, die gegen Deutschland noch sehr sicher gewirkt hatte, kam mit der hohen Beweglichkeit im spanischen Spiel gar nicht zurecht und in der Offensive passte noch viel weniger zusammen. Einen ausführlichen Bericht gibt es beim Guardian.

Kurzer Kommentar zu einigen Zwischentönen, die ich so wahrnehme: Es ist leicht, einer solchen Exzellenz und Überlegenheit überdrüssig zu werden, wenn man selbst sich nicht als Teil davon empfindet und vielleicht aus der eigenen Perspektive immer nur darauf schaut, was dem als „eigenen“ empfundenen Team fehlt. Allerdings muss man sich bezogen auf die Spanierinnen immer wieder vor Augen führen, wie unfassbar wenig Fan-Unterstützung dieses Team bis zum WM-Titel hatte – im Gegensatz zum Beispiel zu den Frauen des FC Barcelona. Beim Nations League Finale waren jetzt erstmals in der modernen Geschichte des spanischen Fußballs der Frauen über 32.000 Zuschauende im Stadion. Das ist diesen Spielerinnen extrem zu gönnen – und gleichzeitig gemessen an einfach allem eine echt niedrige Zahl.

Australien zweistellig, Japan knapp

Durch den Kreuzbandriss von Sam Kerr gab es ein ungewöhnliches Nationalteam-Comeback. Michelle Heyman wurde mit 35 zum ersten Mal in den Kader berufen, nach dem sie 2019 ihre internationale Karriere für beendet erklärt hatte. Gegen Usbekistan traf sie beim 3:0-Hinspiel-Sieg bereits einmal – und beim 10:0-Rückspiel in Melbourne dann gleich viermal.

Die Stürmerin von Canberra United erlebt gerade eine sehr späte Genugtuung. Sie hatte in einem Interview erklärt, dass sie 2019 vor allem deshalb aus dem australischen Nationalteam zurückgetreten sei, weil es zu dem Zeitpunkt unmöglich gewesen sei, über mental health zu sprechen. Eine Pause via Rücktritt sei der einzige Weg gewesen. Seitdem habe sie sich schon lange ein Comeback gewünscht.

Japan hat es schwer, aber setzt sich durch

Im Rückspiel zu Hause setzten sich die Nadeshiko mit 2:1 durch. Japan und Nordkorea hatten im Hinspiel auf neutralem Boden in Saudi-Arabien 0:0 gespielt. Zum Austragungsort kam es laut Japan Times auf Anfrage des japanischen Verbandes an die Behörden (statt die Partie in Pjöngjang auszutragen) aus einem „Mangel an operativer Transparenz und Flügen“. Saki Kumagai hatte daran kritisiert, dass der neue Austragungsort erst vier Tage vor dem Spiel feststand, was die gesamte Reiseplanung für das über die gesamte Welt verstreute Team extrem erschwert hatte.

Die Nordkoreanerinnen kritisierten nach der Partie das Fehlen des VAR – aus ihrer Sicht war einer ihrer Torversuche schon hinter der Linie, der Treffer zählte jedoch nicht. Eine Video-Zusammenfassung gibt es hier bei YouTube (lässt sich leider nicht in den Artikel einbinden).

Entscheidung im April: Teilnehmerinnen aus Afrika

Wir hatten es bei „Becker & Pfeiffer“ in Folge 42 schon erwähnt: Das Qualifikationsturnier der Confederation of African Football dauert als einziges noch an. Seit Juli 2023 werden die zwei teilnehmenden Länder ausgespielt, die letzte noch ausstehende Runde ist die Vierte. Ausgetragen wird diese zwischen dem 1. und 9. April 2024 mit Hin- und Rückspiel. Obwohl die vorherigen Runden zum Teil durchaus eng waren, sind die verbliebenen Länder diejenigen, die auch schon bei der WM 2023 den afrikanischen Kontinent vertreten haben: Zambia trifft auf Marokko, Nigeria auf Südafrika.

Besonders das zweite Aufeinandertreffen hat es in sich, denn die beiden spielten schon mehrfach in Endspielen um den Women’s Africa Cup of Nations und bei den African Games gegeneinander. Während Nigeria lange als dominierendes Team dieses Kontinentalverbandes galt, rücken seit einer Weile genau die drei anderen in der vierten Runde vertretenen Nationen am stärksten nach.

So lief die 3. Runde des CAF-Quali-Turniers

Nigeria reichte nach dem 0:0 im Hinspiel gegen Kamerun ein 1:0 von UD Tenerifes Ijeoma Esther Okoronkwo. Nach einer längeren Unterbrechung steht hier übrigens Randy Waldrum wieder als Cheftrainer an der Seitenlinie. Die Südafrikanerinnen mussten nach dem 3:0-Auswärtssieg gegen Tanzania eigentlich nur noch alles klarmachen, Thembi Kgatlana erzielte im Rückspiel das 1:0.

Marokko gewann in der 3. Runde gegen Tunesien mit 2:1 und 4:1. Die kommenden Gegnerinnen aus Zambia gewannen zwar das Hinspiel gegen Ghana mit 1:0, kamen danach aber nur zu einem 3:3. Erst in der 6. Minute der Nachspielzeit konnte Barbra Banda verhindern, dass es eine Verlängerung gegen die Black Queens von Trainerin Nora Häuptle gab.

Häuptle ist innerhalb kurzer Zeit sowohl bei Fußballfans in Ghana als auch in Zambia sehr beliebt. So sehr, dass einige Zambia-Fans sie jetzt unbedingt anstatt Bruce Mwape als Trainerin haben möchten. Mwape steht nicht nur aus sportlichen Gründen in der Kritik, gegen ihn gab es schwere Vorwürfe der sexualisierten Gewalt gegenüber Spielerinnen, die bis heute nicht aufgeklärt wurden.

Die teilnehmenden Länder des Olympischen Fußballturniers der Frauen 2024

Das Feld der teilnehmenden Nationen sieht aktuell also so aus:

  • Frankreich (Gastgeberinnen)
  • USA (Gewinnerinnen CONCACAF W Championship 2022)
  • Brasilien (Gewinnerinnen Copa América Femenina 2022)
  • Kolumbien (Finalistinnen Copa América Femenina 2022)
  • Kanada (Gewinnerinnen CONCACAF Play-off)
  • Neuseeland (Gewinnerinnen Qualifikations-Turnier der Oceania Football Confederation)
  • Spanien (Finalistinnen UEFA Women’s Nations League)
  • Deutschland (Gewinnerinnen Spiel um Platz 3 UEFA Women’s Nations League)
  • Australien (Gewinnerinnen Qualifikations-Turnier der Asian Football Confederation)
  • Japan (Gewinnerinnen Qualifikations-Turnier der Asian Football Confederation)
  • Zambia/Marokko (Gewinnerinnen Quali-Turnier der Confederation of African Football)
  • Nigeria/Südafrika (Gewinnerinnen Quali-Turnier der Confederation of African Football)

Wann ist die Auslosung?

Schon bevor alle teilnehmenden Teams feststehen, findet am 20. März in Paris die Auslosung der Gruppen statt. Ich habe mich gewundert, warum so lange gewartet wird. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Gruppentöpfe nach der Weltrangliste aufgeteilt werden und diese einmal aktualisiert werden muss. Die aktualisierte Weltrangliste wird am 15. März bekannt gegeben.

Bisher war es immer so, dass die Gruppen des Turniers der Männer von A bis D benannt wurden und die Gruppen des Turniers der Frauen als E, F und G – wäre ja auch mal ganz was Neues, die Männer nicht zuerst zu nennen.

Die Lostöpfe und die Weltrangliste

Aus deutscher Perspektive könnte das spannend werden. Aktuell sieht die Weltrangliste so aus:

FIFA-Weltrangliste Stand, letzte Aktualisierung: 15.12.203. Quelle: fifa.com

Trifft Deutschland in der Gruppenphase auf die USA?

Nach der aktuellen Liste wäre Deutschland im Lostopf 2. Die Französinnen sind als Gastgeberinnen im Lostopf 1 und außerdem als Kopf der Gruppe E gesetzt, Spanien als Weltranglisten-Erste sind in Lostopf 1 gesetzt und dahinter kämen aktuell die USA. Da in einer Gruppe nicht zwei Teams aus demselben Kontinentalverband sein dürfen, würde das bedeuten, dass Deutschland in der Gruppenphase auf jeden Fall gegen die USA spielen müsste.

Gemessen daran, dass es auch dort auch nach der WM nicht rund läuft (im Gold-Cup gab es eine 0:2-Niederlage gegen Mexiko) und die neue Cheftrainerin Emma Hayes erst im Sommer vor dem Turnier ihren Posten antreten kann – wäre das vielleicht im Vergleich zur Vergangenheit gar nicht so schlimm. Ändern könnte sich das nur, wenn durch die neue Weltrangliste ab 15. März Deutschland in den 1. Lostopf rutschen würde.

Da man für eine seriöse Einschätzung die Berechnungen für alle Partien der Teams in dem Bereich der Liste anstellen müsste, ist es schwierig einzuschätzen (wer wissen möchte, wie das funktioniert: knock yourself out). Die USA haben in der Zwischenzeit zumindest mehr Partien als Deutschland, also auch mehr Chancen Punkte zu sammeln, haben aber wie gesagt gegen Mexiko bereits welche verloren. Das Viertelfinale am 3. März ist gegen Kolumbien – und gegen Kolumbien kann man bekanntlich mal verlieren.

(Fun fact: Da Nordkorea – auf Platz 9 hinter Japan – aus einem Mangel an international gewerteten Spielen seit Jahren kaum Punkte gewinnt oder verliert, hätte bei einer Qualifikation der zweite Lostopf gewunken.)

Insgesamt ist dieser ganze Bereich aber natürlich leistungstechnisch extrem dicht beieinander, wenn man die enteilten Spanierinnen mal ausklammert. Die Gruppenphase wird also auf jeden Fall hart, da sich aber auch die besten Drittplatzierten fürs Viertelfinale qualifizieren, sollte das auch machbar sein.

Die Gruppe bestimmt die Reiseroute

Wie bereits erwähnt, sind die Französinnen als Kopf der Gruppe E gesetzt. Da die Spielorte und -Zeiten bereits anhand der Gruppen-Spots festgelegt sind, steht für Frankreich fest, dass ihr Auftakt in Lyon stattfinden wird. Für das deutsche Team (sowie akkreditierte Medien-Vertreter*innen und Fans) ist die Frage, ob es die Gruppe F oder G wird. Gruppe F spielt entlang der Südküste, Gruppe G in Westfrankreich und Paris. Danach wird es dann schwieriger vorherzusehen, gerade weil die Gruppen potenziell sportlich so eng sein können.

Zum Abschluss ein vorzeitiges Turnier-Meme

Ein Meme des Fußballturniers steht übrigens jetzt schon fest, denn vor und während Spielen in Nizza hat die Frage nach der Rolle des VAR für die Partie noch eine andere Bedeutung.

Der Fluss Var fließt direkt neben dem Fußballstadion von Nizza vorbei.

Den kompletten vorläufigen Spielplan gibt es übrigens hier als pdf.

Beitragsbild: IMAGO/ANP

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

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