Nations-League-Halbfinale Frankreich – Deutschland 2:1 (2:0)
Vor 30.267 Zuschauenden verlor Deutschland das Halbfinale in der Nations League gegen Frankreich in Lyon – die erste Niederlage von Horst Hrubesch als Bundestrainer. Die letzte Chance auf Olympia im Sommer ist dadurch das Spiel gegen die Niederlande in Heerenveen. Für die Französinnen bedeutet das den ersten Finaleinzug in einem kontinentalen Wettbewerb.
Die Aufstellungen
Pragmatismus vs. old school
Im Prinzip ließ sich schon vor Anpfiff beim Aufwärmprogramm beider Teams genau beobachten, wie beide in den nächsten Minuten an das Spiel herangehen würden. Frankreich übte Passspiel unter Gegnerinnendruck auf engem Raum, Deutschland lange Pässe und Flanken auf in den Strafraum nachrückende Mittelfeldspielerinnen.
Schiedsrichterinnen
- Esther Staubli (Schweiz)
- Assistentin: Susanne Küng (Schweiz)
- Assistentin: Paulina Baranowska (Polen)
- 4. Offizielle: Déborah Anex (Schweiz)
- VAR: Sandro Schärer (Schweiz)
- VAR-Assistentin: Katalin Kulcsár (Ungarn)
Nur Frankreichs Plan geht einigermaßen auf
Die erste deutsche Flanke im Spiel gab es bereits nach 32 Sekunden, danach aber brachte Frankreich den eigenen Plan etwas besser auf den Rasen. Beide starteten in einem 4-4-2 mit hängender Spitze und boten damit alles auf, was das Sturmzentrum zu bieten hat.
Deutschlands Aufstellung hatten bereits eine komplett öffentliche Trainingseinheit und eine Aussage von Horst Hrubesch auf der Pressekonferenz verraten und auch in Frankreich war bereits vor Anpfiff klar, dass Marie-Antoinette Katoto und Eugénie Le Sommer zusammen auflaufen würden. Wie dieses System gespielt wurde, war aber eben verschieden.
Immer wieder Le Sommer
Die Französinnen standen in der Defensive ungefähr in der Mitte der eigenen Hälfte und versuchten in Ballbesitz, den Ball auch laufen zu lassen, Spielerinnen boten sich immer wieder kurz an und hatten dafür sehr viel Platz, weil Deutschland beim Verteidigen abwartete.
Auch die Französinnen waren auf Flanken aus, sie fokussierten sich dabei auf den eigenen rechten Flügel mit de Almeida, Kadidiatou Diani und der immer wieder auf diese Seite fallende Le Sommer. Sarai Linder bekam zu wenig Unterstützung aus dem Mittelfeld, dagegen zu verteidigen.
Wenn es Deutschland gelang, den Ball zu gewinnen, standen bis aus Lea Schüller alle Spielerinnen sehr tief und wurden zudem von den Französinnen unter Druck gesetzt. Das führte zu ungenau nach vorne geschlagenen Bällen.
Knockout vor der Pause
Auch wenn Frankreich sich dominant und gefährlicher anfühlte, gab es aber auch beiden Seiten keine eindeutigen Chancen, auch wenn die DFB-Frauen mehrmals in hoher Not klären mussten. Deutschland hatte sich für die offensiven Eckstöße eine Variante überlegt, die aber nach Popps Kopfball in der 15. Minute nicht mehr gefährlich wurde.
Es waren dann aber die Französinnen, die im Anschluss an einen Standard trafen. Ein von Svenja Huth verursachter Freistoß wurde von Lea Schüller zu kurz geklärt, genau in Richtung von Diani, die im halbrechten Rückraum komplett freistand und den Ball ins Netz hämmerte (41.).
Zu diesem Zeitpunkt hatte Deutschland bereits versucht, nicht mehr ganz so tief zu stehen. Vermutlich hätte es aber auch mit diesem Spielstand in der Pause aufgrund des schwachen Spiels einige Wechsel gegeben. Durch einen Elfmeter fiel aber auch noch das 2:0 für Frankreich vor der Pause. Oberdorf hatte Geyoro gefoult, vorher kam bereits Hegering zu spät beim gegen Le Sommer, die von Katoto mit einem Kopfball geschickt wurde (45.+4).
Systemwechsel reicht nicht aus
Mit den Wechseln nach der Pause stellte Horst Hrubesch um auf ein 4-3-3, während sich bei Frankreich nichts änderte. Oberdorf ging in die Innenverteidigung für die ausgewechselte Hegering, Nüsken rückte ins defensive Mittelfeld, links neben ihr Däbritz und rechts neben ihr Lohmann. Außerdem wechselte Bühl von der linken auf die rechte Seite für die ausgewechselte Svenja Huth und die hereingekommene Jule Brand spielte links. Popp war nun nach der Auswechslung von Schüller die alleinige Stürmerin.
Auf dem Papier ergaben sich damit für Deutschland mehr Räume im Mittelfeld, was auch dran liegt, dass die neu hinzugekommenen Spielerinnen sich auch häufiger kurz anboten. Das Ganze wirkte aber sehr improvisiert und führte zunächst nicht zu viel. Auffällig waren vor allem Einzelaktionen, z.B. von Giulia Gwinn, die in der 60. Minute zu einem Lauf bis in den Sechzehner ansetzte, dabei aber vergaß, sich auch rechtzeitig vom Ball zu trennen.
Ratlosigkeit im Aufbauspiel
Bezeichnend war eine Szene in der 63. Minute, als Lohmann sich den Ball selbst ins Gesicht schoss und noch Glück hatte, dass es Einwurf für Deutschland gab. Es wusste nur zunächst niemand, wer den nehmen sollte…
Eine kurze Druckphase Deutschlands gab es ab der 72. Minute, ausgelöst dadurch, dass Alexandra Popp nach einer kurzen Kombination den Ball ans Lattenkreuz setzte. In den darauffolgenden Minuten setzte Deutschland die Französinnen an deren Sechzehner unter Druck. Etwas unerwartet gab es dann in der 82. Minute einen Elfmeter, Schiedsrichterin Staubli hatte vorher Freistoß gepfiffen, der VAR sah aber ein Handspiel im Strafraum. Gwinn verwandelte sicher. Die 30.267 Zuschauer*innen riefen „Allez les Bleues!“
Danach war die beste Chance Deutschlands ein Fernschuss von Jule Brand in der 90.+3, der allerdings übers Tor ging.
Was nun?
Am Ende kann man darüber rätseln, ob es schlau war, die eigene Aufstellung so offen preiszugeben oder darüber, ob der Systemwechsel nach einer schlechten 1. Halbzeit überhaupt noch ausreichen konnte. Klar ist, dass die Niederlage verdient war und (auch nicht erst seit heute), dass sich in Zukunft sehr viel ändern muss.
Zudem war dieses Spiel ein gutes Lehrstück dafür, dass es recht egal ist, welches System man auf dem Papier spielt, wenn die Umsetzung nicht passt. Es reicht heutzutage nicht mehr, mit nur einem einzigen, einfachen Plan in ein solches Spiel zu gehen. Es mag charmant sein, wenn eine Klara Bühl davon erzählt, was der ehemalige Weltklasse-Kopfballspieler Hrubesch ihr für Tricks verrät und eine Taktik zu haben, die auf zwei kopfballstarke Spielerinnen setzt. Der Fairness halber sei auch gesagt, dass es gar nicht so viele Flanken Deutschlands wurden wie erwartet. Trotzdem zeigten die Französinnen viel eher, wie ein auch nicht perfekter, aber doch modernerer Ansatz aussehen kann.
Intern steht schon fest, mit welchem Trainer oder welcher Trainerin es nach Hrubesch weitergehen soll – wie bald das bekannt gegen wird, hängt auch am Ausgang der Partie gegen die Niederlande, der letzten Chance auf Olympia.
Frankreich bekommt es mit Spanien zu tun und kann sich am Spiel heute sicherlich hochziehen, vor allem de Almeida machte eine starke Partie auf ihrer Seite. Gegen die Weltmeisterinnen muss dennoch eine ganz andere Qualität her als heute.
Wie lief das Parallelspiel?
Spanien – Niederlande 3:0 (2:0)
Damit trifft Deutschland in Heerenveen auf die Niederlande.
Beitragsbild: IMAGO/Beautiful Sports