MSV Duisburg: Miray Cin im Interview und Investorenknatsch
Für Miray Cin ist die aktuelle Saison eine der Gegensätze: die Mittelfeldspielerin des MSV Duisburg steckt einerseits mit ihrem Verein tief im Abstiegskampf, schaffte andererseits mit der Türkei aber ohne ein einziges Gegentor den Aufstieg in die Women’s Nations League B. Im Interview mit web.de spricht sie über den Status Quo beim MSV und im türkischen Fußball der Frauen.
Vor dem 18. Spieltag (12.-15.4.) sieht es düster aus für die Frauen des MSV Duisburg: Der Verein aus dem Ruhrgebiet steht ohne einen Sieg in der Bundesliga mit nur vier Punkten auf dem letzten Platz. Der Abstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz beträgt zehn Punkte, dazu kommt das schlechteste Torverhältnis der Liga – und in den nächsten beiden Partien geht es zu Hause ausgerechnet gegen Bayern München und den VfL Wolfsburg. Danach stehen Partien gegen Bremen, Leverkusen und Nürnberg an. Geht es nach Miray Cin und ihren Mitspielerinnen, soll zu einem möglichen Abschied aus der 1. Liga noch mindestens ein Saison-Sieg in der Bundesliga her.
[…] was die aktuelle sportliche Situation angeht, ist uns allen klar, dass es schwer ist, jetzt noch was zu reißen. Dafür müssen nicht nur wir 100 Prozent geben, sondern es gehört auch Pech bei den besten Mannschaften dazu, wenn wir gegen Bayern München und Wolfsburg spielen. Da sind wir realistisch. Aber wir wollen unbedingt in den letzten Spielen nochmal alles raushauen!
Miray Cin im Interview mit web.de.
Klar ist, dass die Spielerinnen des MSV Duisburg genauso für ihre eigene Zukunft und Absicherung spielen. Neben dem Vertrag von Miray Cin laufen bei mindestens 15 anderen Spielerinnen im Sommer die Verträge aus und angesichts der allgemein schwierigen Lage beim Gesamt-Verein MSV Duisburg scheint es unwahrscheinlich, dass viele von ihnen ein neues Arbeitspapier erhalten werden. Während der Wechsel von Antonia-Johanna Halverkamps zu Union Berlin bereits feststeht, könnte Torhüterin Ena Mahmutovic demnächst für den FC Bayern München auflaufen. Für einige andere Duisburgerinnen dürfte sich die Vereinssuche schwieriger gestalten.
Was ist los beim MSV Duisburg?
Zur Gesamtsituation beim Verein gehört auch der angekündigte Rücktritt von Daniel Mlodoch. Mlodoch ist seit Sommer 2022 Leiter Lizenzabteilung Frauen des MSV Duisburg und gleichzeitig seit 2018 Sport Marketing Manager bei Capelli – dem Investor gehören seit Januar 2021 40,1 Prozent der Anteile an der MSV Duisburg KGaA. Beim Einstieg 2015 waren es noch 10,1 Prozent.
„Wir haben seit 14 Tagen intern das Riesenproblem, dass eine Person seit zwei Wochen nicht mehr daran glaubt, dass wir die Klasse halten können in dieser Konstellation.“
Thomas Gerstner nach dem Spiel des MSV Duisburg gegen den 1. FC Köln am 14. Spieltag Mitte Februar.
Wie aus einem Bericht der NRZ [€] hervorgeht, soll es zwischen Mlodoch und Duisburg Trainer Thomas Gerstner im Februar 2024 zunächst hinter den Kulissen gekracht haben, bis Gerstner diesen Umstand auf einer PK nach außen trug, ohne Mlodochs Namen zu nennen.
„Im anschließenden Gespräch mit der Redaktion sagte der Trainer des Tabellenletzten weiter: ‚Das ist harter Tobak. Es ist einfach nur traurig, dass intern so negative Wellen ausgestrahlt werden.‘
Den Namen der betreffenden Person nannte Thomas Gerstner nicht. Auf die Frage, ob es sich dabei um einen Entscheidungsträger handelt, sagte der 57-Jährige: ‚Nein. Ich glaube, die Person hat gar nichts zu entscheiden. Das hat er vielleicht gedacht.'“
Aus einem Artikel von Dirk Retzlaff für die NRZ vom 19.02.2024.
Angesichts der sportlichen Situation des MSV lässt sich darüber spekulieren, dass Mlodoch eventuell nicht mit Gerstner weitermachen wollte. In einem späteren Artikel der NRZ vom 4. März zu diesem Konflikt wird MSV-Präsident Ingo Wald mit den Worten zitiert: „Das fällt in den Kompetenzbereich von Michael Preetz. Er hat die Personen zu einem klärenden Gespräch an den Tisch geholt.“ Preetz ist seit Januar 2024 alleiniger Geschäftsführer des MSV Duisburg.
Der zeitliche Verlauf ist deshalb interessant, weil Daniel Mlodoch in seiner Rücktritts-Ankündigung vom 3. April auf LinkedIn schreibt, er habe die Entscheidung im Sommer aufzuhören am 1. März 2024 gefasst: „As of March 1st, 2024, I’ve made the decision to step down from my position as Head of Women’s Football at MSV Duisburg.“ Die Entscheidung könnte also eine Folge aus dem „klärenden Gespräch“ mit Michael Preetz sein.
Die Rolle des Investors Capelli beim MSV Duisburg
Das Thema Investor kam beim MSV im vergangenen Winter auf, weil ein Papier an die Öffentlichkeit geriet, laut dem Capelli bereit sei, seine Anteile an der MSV Duisburg KGaA zu verkaufen. Laut NRZ [€] lese sich dieses Papier wie eine „Anleitung, wie ein neuer Investor beim MSV Duisburg die Macht erhalten“ kann.
MSV-Präsident Ingo Wald äußerte sich dazu im Dezember 2023 gegenüber Reviersport so: „In dieser Diskussion [über den Verkauf der restlichen neun Prozent innerhalb von 50+1] haben wir dann auch ein Signal von Capelli bekommen, dass sie beispielsweise bereit wären, elf Prozent weiterzugeben, sollte ein Investor sagen, dass ihm die neun Prozent, die ohne Mitgliederversammlung noch zu verkaufen sind, zu wenig sind und er wenigstens 20 Prozent haben möchte.“
Angesichts der bisher sehr engen Verzahnung zwischen Investor und der Frauenabteilung des MSV stellt sich die Frage, welche Auswirkungen es eventuell auf diese gäbe. Die Beziehungen zum US-Unternehmen Capelli sollen mitunter die regelmäßigen Transfers von US-Spielerinnen ins Ruhrgebiet begünstigt haben.
Gerade diese Transferstrategie, die seit Jahren darauf beruht, im Winter viele Spielerinnen nur für den Rest der Saison zu verpflichten, lässt sich aber in Sachen Eingespieltheit auch kritisieren. Reizvoll ist ein Einstieg aus Investorensicht beim MSV derzeit jedenfalls wohl kaum. Nicht nur droht den Frauen der Abstieg aus der 1. Liga, die Männer stehen aktuell in der 3. Liga mit fünf Punkten Rückstand auf einem Abstiegsplatz.
Miray Cin hofft auf die EM-Qualifikation mit der Türkei
Für Miray Cin persönlich steht im krassen Gegensatz zur schwierigen Situation des MSV Duisburg ihr Erfolg mit der Türkei. Die in Bottrop geboren und aufgewachsene Miray Cin spielte in der Jugend zunächst für die U-Teams des DFB, ist inzwischen aber Stammspielerin des türkischen Nationalteams der Frauen. Das ist unter Trainerin Necla Güngör seit einer Weile im Aufwind – wie auch der türkische Fußball der Frauen insgesamt.
Es wird gerade viel in den Frauenfußball investiert und klar spielt Geld eine Rolle […]. Wenn es Anfragen gibt, sind sie reizvoll, weil es hohe Summen sind. Und das schlägt natürlich dann auch international Wellen. Es dürfen acht Spielerinnen aus dem Ausland in jedem Team sein und es gehen gerade auch viele in die Liga. Sie bringen noch mal richtig Tempo rein. Das macht den Wettbewerb insgesamt attraktiver und auch erfolgreicher.
Miray Cin im Interview mit web.de.
Mit eine Reihe von Siegen und ohne ein einziges Gegentor schaffte die Türkei den Aufstieg in die Women’s Nations League B und trifft in der daran angelehnten Qualifikationsrunde für die EM 2025 in der Schweiz nun unter anderem auf die bereits qualifizierten Gastgeberinnen. Cin hofft darauf, dass die Türkei es zum ersten Mal zu einem großen internationalen Turnier schaffen könnte.
Egal ob es am Ende dazu kommt oder nicht, rasant ist die Entwicklung der letzten Jahre im türkischen Fußball der Frauen so oder so. Denn es ist noch gar nicht allzu lange her, dass die sowohl die Ligen als auch das Nationalteam für einige Jahre nicht bestanden: zwischen 2003 und 2005 wurden diese ausgesetzt.
Das vollständige Interview mit Miray Cin findet ihr hier bei web.de
Beitragsbild: IMAGO/Lobeca, Bild von Thomas Gerstner: IMAGO/Eibner