Nahaufnahme einer Schiedsrichterin im pinkfarbenen Jersey mit UEFA-Badge und RESPECT-Badge. IMAGO / Sports Press Photo

UEFA: Fast backwards

Hört ihr das auch? Der dröhnende Schall gähnender Leere? So ging es mir, als ich die UEFA-Nominierung der Spieloffiziellen für die EM 2024 durchlas.

Wir schreiben das Jahr 2024. Es ist wieder EM im Fußball der Männer. Im Vorfeld der vergangenen EM (m) gab es eine hervorragende Neuigkeit: Stéphanie Frappart wird als erste Schiedsrichterin für ein nationales UEFA-Turnier im Seniorenbereich der Männer nominiert. Nachdem die UEFA sie im Dezember 2020 als erste Schiedsrichterin in einem CL-Spiel der Männer nominierte hatte, ermöglicht die UEFA Frappart nun den nächsten Meilenstein.

Gut, es kam ein Dämpfer: Frappart wurde ausschließlich als Vierte Offizielle eingesetzt – und das höchst selten. War sie nur ein Feigenblatt? Zumal es in der Rückrunde 20/21 auch keinen zweiten Einsatz in der CL (m) gab.

Are you serious, UEFA?

Aber gut. Wenn sie bei der EM 2020 (2021) nur als Vierte Offizielle eingesetzt wird, dann folgt der nächste Schritt eben erst bei der EM 2024, oder? Oder? Hier ist die offizielle Übersicht der Spieloffiziellen für die EM 2024.

Da ist er wieder. Der dröhnende Schall gähnender Leere.

Stéphanie Frappart – mittlerweile (einmalige…) Männer-WM-Schiedsrichterin – wird für die EM gar nicht nominiert. Und nicht nur sie nicht… gar keine Frau. Nicht mal unter den Assistenten ist eine Frau dabei. Auch nicht Sian Massey-Ellis, die seit 2019 als Schiedsrichterassistentin in der Nations League (m) und Europa League (m) und in der Premier League gar seit 2010(!) an der Linie agiert.

Einfach ohne Worte

Es ist ein Armutszeugnis. (Man könnte es auch wesentlich drastischer formulieren, aber dann braucht die Bolztribüne eine Freischaltung wegen Ü18-Inhalten.)

Manchmal wünschte ich mir zynisch, die FIFA, die UEFA, der DFB hätten 1970/1971 den Frauen nicht erlaubt, in ihrem Verband und unter ihrer Obhut Fußball zu spielen. In den letzten 50 Jahren hätten sich die damals schon progressiven Strukturen des Fußballs der Frauen weiter entwickelt – und während dessen hätte die Menners in ihrem Old Boys‘ Club in ihrer eigenen Suppe blubbern können, wie sie wollten. Es hätte uns nicht kümmern brauchen. Es wäre so schön…

Beitragsbild: IMAGO / Sports Press Photo

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Petra Tabarelli ist Fußballhistorikerin und -journalistin. Die Spezialistin für die Entwicklung der Fußballregeln schreibt für die DFB-Schiedsrichter-Zeitung, ist als Expertin im Deutschlandfunk zu hören und hat als Beraterin fürs IFAB gearbeitet. Tabarelli ist Mitglied des prämierten Kollektivs „FRÜF“ und setzt sich in der web.de-Kolumne für eine stärkere Präsenz und Förderung von Schiedsrichterinnen im Fußball der Männer ein. 2023 wurde sie zum Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur ernannt. Zudem hat die Expertin die erste Biografie über den zu Lebzeiten sehr bekannten Simon Rosenberger geschrieben, einen jüdischen Fußball-Pionier und Begründer der DFB-Schiedsrichter-Zeitung, der zuvor aus der Geschichte getilgt worden war.

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