Alexandra Popp jubelt energisch mit zum Schrei aufgerissenem Mund und ausgetreckten Armen, hinter ihr grins Kessya Bussy, im Vordergrund kommt Svenja Huth angelaufen.

Champions League: Gegensätzliche Auftritte von Bayern und Wolfsburg vor Liga-Duell

Vor dem Bundesliga-Duell zwischen dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern München (Samstag, 15 Uhr) hinterlassen beide Vereine in der UEFA Women’s Champions League unterschiedliche Eindrücke.

Bayern lässt beim FC Barcelona Einsatz vermissen

„Wir waren nicht an der Leistungsgrenze, waren weit weg von unserem eigenen Anspruch. Wir müssen gemeinsam die Lehren aus dem Spiel ziehen, es dann aber auch relativ schnell abhaken, um den Fokus auf Samstag zu richten“, fasste Bayern Münchens Direktorin Frauenfußball am Donnerstag in der Pressekonferenz vor dem Ligaspiel gegen Wolfsburg die vergangene Partie gegen Barcelona zusammen.

Die deutschen Meisterinnen erlebten zum Auftakt der Champions-League-Saison 2025/26 ein Debakel beim FC Barcelona. Mit 1:7 (1:4) mussten sich die Münchnerinnen vor 4.409 Zuschauer*innen im Estadi Johan Cruyff geschlagen geben – die höchste Niederlage seit langem und ein deutliches Warnsignal. Neben der Höhe der Niederlage stand nach der Partie die Art und Weise im Fokus, denn es fehlten die Intensität im Pressing und Präzision im Passspiel.

Die Gastgeberinnen dominierten von Beginn an und zeigten sich in bestechender Form. Alexia Putellas eröffnete nach einem Fehlpass von Klara Bühl bereits in der 4. Minute mit einem atemberaubenden Traumtor aus der Distanz in den Winkel und überholte in der Barcelona-internen Torschützinnenliste im internationalen Wettbewerb Aitana Bonmatí. Die ehemalige Wolfsburgerin Ewa Pajor traf doppelt (12., 56.), ebenso wie die eingewechselte Clàudia Pina (88., 90.+2). Esmee Brugts (27.) und Salma Paralluelo (45.+1) komplettierten die Demontage. Ewa Pajor hat durch ihren Doppelpack für Barcelona wettbewerbsübergreifend jetzt schon 51 Tore in 55 Spielen geschossen. Sollte es im Lauf des Wettbewerbs zur Revanche gegen Arsenal kommen, kann einem um die aktuell formschwachen Londonerinnen nur Angst und Bange werden.

Bühl erzielte nach Vorlage von Franziska Kett in der 32. Minute den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer zum 1:3 – ein Hoffnungsschimmer, der einen kurzen Aufwind brachte, aber eben nicht lange hielt. Lea Schüller hatte in der 49. Minute noch das vermeintliche 2:4 gemacht, stand beim Zuspiel aber im Abseits. Sowieso war Barcelonas Abseitsfalle mehrfach eine Herausforderung für das sowieso stockende Angriffsspiel, die richtige Positionierung sowohl defensiv wie offensiv fiel den Münchenerinnen schwer und einfachste Fehler wiederholten sich immer wieder.

Keine Schadensbegrenzung

So war dann auch keine Schadensbegrenzung möglich, um das womöglich am Ende wichtige Torverhältnis nicht entgleiten zu lassen. „Es war keine gute Performance von uns heute, so ehrlich muss man sein. Wir haben das Spiel so vorbereitet, dass wir in manchen Phasen auch dominant sein wollen, das ist uns nicht gelungen. Gegen den Ball hatten wir nicht das nötige Tempo und Timing“, sagte Bayerns Trainer José Barcala nach der Partie.

Durch Carolin Simons Verletzung, die inzwischen als Muskelfaserriss diagnostiziert wurde, fehlt dem FC Bayern in den nächsten Wochen eine weitere Spielerin. Mit Katharina Naschenweng kam eine andere nominelle linke Außenverteidigerin gerade erst selbst aus einer langwierigen Verletzungspause zurück. Rotation zwischen genesenen und zuletzt stärker belasteten Spielerinnen wird also ein Thema bleiben und gleichzeitig dazu führen, dass manche Positionen nicht ideal besetzt sind. Die langjährige Anführerin Sarah Zadrazil und die im Sommer neu hinzugekommenenund in Europa seit Jahren kriminell unterschätzte Innenverteidigerin Vanessa Gilles wurden gegen Barcelona schmerzlich vermisst.

Sieben Bayernspielerinnen stehen auf dem Fußballplatz in einem Redekreis und besprechen sich, Pernille Harder ist eine von ihnen und gibt gestikulierend Anweisungen, um sie herum mit aufgstützten Armen außerdem Momoko Tanikawa, Arianna Caruso, Ena Mahmutovic, Georgia Stanway, Franzi Kett und Stine Ballisager.
Redebedarf bei Bayern München, Pernille Harder gibt taktische Anweisungen. V.l.n.r. Momoko Tanikawa, Georgia Stanway, Franziska Kett, Arianna Caruso, Stine Ballisager, Pernille Harder, Ena Mahmutovic. Foto: IMAGO/NurPhoto

„Wir haben immer noch eine sehr hohe Qualität in der Mannschaft, die wir jetzt zur Verfügung haben. Jetzt gilt es, ein anderes Gesicht zu zeigen. Aber natürlich ist es jetzt eine andere Situation als noch vor einigen Wochen. Jetzt rücken wir enger zusammen und werden das auch gemeinsam schaffen“, so Rech.

Auch ohne die Verletzungen fehlt allerdings eine klare Rechtsaußen im Kader, auch deswegen spielte zuletzt mehrfach Pernille Harder auf dieser Position, die dann natürlich anders interpretiert werden soll, als von einer echten Flügelspielerin. So ein asymmetrischer Ansatz kann taktisch durchaus spannend und sinnvoll sein, wenn man davon ausgeht, selbst viel am Ball zu sein und ein Team eher durch Zentrum und/oder die Halbräume kombinieren möchte. Als auf dem Papier unterlegenes Team gegen Barcelona oder wenn es gegen eine tiefstehende Abwehr in der Liga dann doch mal Flanken auf den Kopf von Schüller bringen sollen, fehlt aber eine simple wie effektive Alternative.

Während Bayern am Samstag ein komplett anderes Gesicht zeigen möchte, zieht Wolfsburg aus dem eigenen europäischen Auftritt Hoffnung.

Wolfsburg mit Effizienz und nötigem Glück

Einen Tag nach der Bayern-Niederlage lieferte der VfL Wolfsburg gegen PSG einen Auftritt, der zwar auch nicht perfekt war, aber viel von dem beinhaltete, was bei den Liga-Konkurrentinnen gefehlt hatte. Dabei ging es für die Wölfinnen gegen ein Paris Saint-Germain, das selbst an guten Tagen nicht an Barcelona heranreicht und definitiv einen schwachen Tag erwischt hatte.

Das so konsequent zu nutzen, muss trotzdem erstmal gelingen wie bei diesem 4:0 zum sechsten Pflichtspielsieg in Folge vor 1.734 Zuschauer*innen im AOK Stadion. Cheftrainer Stephan Lerch stellte dazu auf drei Positionen um: Svenja Huth, Cora Zicai und Lineth Beerensteyn starteten anstelle von Justine Kielland, Vivien Endemann und Kessya Bussy.

Alexandra Popp, deren Abschied aus dem Nationalteam bald genau ein Jahr her ist, war an den beiden ersten Toren entscheidend beteiligt. Vor Jackie Groenens unglücklichem Eigentor in der 7. Minute verlängerte die VfL-Stürmerin den Ball nach einem Eckstoß per Kopf. Die versuchte Klärung Groenens landete im eigenen Netz – ein früher Rückschlag für die Gästinnen. Beim 2:0 brachte Popp mit einem Ballgewinn im Gegenpressing Svenja Huth in die Spur, deren präzise Vorlage in den Rückraum Ella Peddemors in der 42. Minute flach verwandelte.

PSG nutzt seine Chancen nicht – auch dank Stina Johannes

Das intensive Gegenpressing Wolfsburg war auch in anderen Szenen markant und brachte in Kombination mit guten Pässen in den freien Raum immer wieder Gelegenheiten. Besonders auffällig war neben Popp und Huth, die beide mehrere gute Bälle spielten, auch Neuzugang Janou Levels bei ihrem ersten Champions-League-Spiel überhaupt. Sie war eine von gleich mehreren Debütantinnen und zeigte, was man von ihr schon aus ihren starken Spielzeiten mit Leverkusen kennt: Gute Läufe über den Flügel sowie gefährliche Flanken und Standards.

Paris‘ erste Halbzeit war insgesamt sehr schwach und brachte dennoch einige Chancen für die Gästinnen, Jennifer Echegini und Merveille Kanjinga kamen mehrmals aus gefährlicher Position zum Abschluss, aber Stina Johannes hielt sicher. Nach der Pause kam PSG verbessert aus der Kabine und brachte Wolfsburg jetzt teilweise richtig in Bedrängnis, doch die Chancenverwertung blieb weiterhin aus. „Es ist ärgerlich, wenn man weiß, dass man es besser kann, aber dann manchmal die Überzeugung fehlt“, so Echegini nach dem Spiel.

In der 90. Minute drückte Popp eine abgefälschte Huth-Flanke per Kopf zum 3:0 über die Linie und reklamierte einige Minuten später ein Handspiel von PSG-Verteidigern Elisa de Almeida. Das sah auch der VAR und so erhöhte Kapitänin Janina Minge in der Nachspielzeit (90.+5) per Elfmeter auf 4:0.

Lerch lobt Mentalität und sieht Entwicklungspotenzial

Trainer Stephan Lerch war nach dem Spiel „super glücklich. Ich bin stolz auf die Mannschaft, was sie heute geleistet hat, wie sie dieses Spiel dann am Ende auch gewinnen konnte.“

Besonders hob er die mentale Stärke hervor: „Mentalität und Haltung und auch der Umgang mit Widerständen, auch in Druckphasen hat die Mannschaft heute wirklich bravourös auf den Platz gebracht. Auf dem Niveau musst du diese Basistugenden dann auch auf dem Platz bringen.“

Stina Johannes von der Seite, auf dem Boden liegend, den Fußball zwischen Oberkörper, Armen und Boden eingeklemmt. Sie hat den Blick nach vorn, zum rechten Bildrand gerichtet. Im Hintergrund laufen einige Wolfsburgerinnen im Sechzehner, im Vordergrund unscharf eine Spielerin von PSG.
Wolfsburgs Torhüterin Stina Johannes sichert nach einem Abschluss von PSG den Ball. Foto: IMAGO/Claus Bergmann.

Dafür sei Stina Johannes mit ihren gehaltenen Bällen besonders wichtig gewesen. Gleichzeitig sah Lerch auch Verbesserungspotenzial: „Es hat uns schon so ein bisschen die Kontrolle gefehlt. Das haben wir uns natürlich anders vorgestellt. Wir hatten einige Phasen, die wir überstehen mussten, waren aber sehr effektiv.“

Lernprozess: „Dann wissen wir auch: jetzt ist vielleicht auch mal ein langer Ball ganz sinnvoll.“

Angesprochen auf die vielen zum Teil sehr riskanten Versuche, sich immer wieder mit Kurzpassspiel aus der eigenen Defensive zu lösen, statt auch mal einen entlastenden langen Ball zu spielen, sprach Lerch über den aktuellen Stand der Entwicklung seines Teams: „In der ersten Halbzeit fand ich es auch sehr mutig und so möchte ich auch, dass wir von hinten heraus spielen. Wenn man dann meint, es geht immer so weiter, dann muss man aber die Balance finden.“

Diese zu finden, sei aber ein Lernprozess: „Wir sind gerade noch beschäftigt, zum einen unsere Philosophie auf den Platz zu bringen, in unsere Muster reinzukommen. Das heißt aber nicht, dass wir nur diese Muster [zeigen], sondern wir müssen auch mal reagieren auf das, was der Gegner uns anbietet. Aber diesen Blick zu haben für das eigene Spiel und dann auch noch zu gucken auf so einem Niveau: was macht jetzt der Gegner? Da müssen wir noch besser werden. Dann wissen wir auch: jetzt ist vielleicht auch mal ein langer Ball ganz sinnvoll.“

Aufeinandertreffen Wolfsburg gegen Bayern am Samstag

Die Wölfinnen gehen aufgrund des besseren Torverhältnisses vor dem sechsten Spieltag als Tabellenführerinnen in die Partie gegen Bayern München am kommenden Samstag. Das hatten vor der Saison aufgrund des großen Umbruchs im Kader des VfL nur die wenigsten Beobachter*innen erwartet und die Ausgangslage ist umgekehrt zu den Duellen der vergangenen Saison: Denn dieses Mal hat nicht Wolfsburg, wenn man so will „etwas gutzumachen“ und ist in der Verfolgerinnen-Position, sondern Bayern. Dass sich aus Frust-Erlebnissen mit dem richtigen Ehrgeiz durchaus Energie ziehen lässt, hat Wolfsburg in der Vergangenheit oft genug gezeigt, es wäre also falsch davon auszugehen, dass das Spiel durch die Ergebnisse unter der Woche quasi schon entschieden ist.

Aber für Bayern und Trainer José Barcala ist diese Partie ein wichtiger Knackpunkt, denn selbst wenn es zu einer Niederlage kommt, wird das Wie entscheidend sein. Im besten Fall war die Niederlage gegen Barcelona ein so heftiger Schuss vor den Bug, dass darauf etwas Positives entsteht: taktische Lernprozesse und ein neuer Zusammenhalt. Sollte es aber so seltsam sang- und klanglos weitergehen, stellt sich spätestens dann die Frage, was über den Sommer eigentlich passiert ist. In Wolfsburg hingegen tut Stephan Lerch aktuell sehr gut daran, seine Spielerinnen den Erfolg gegen PSG genießen zu lassen, sich mit ihnen zu freuen, und gleichzeitig aber offen anzusprechen, was alles noch nicht rund läuft.

Beitragsbild: IMAGO/STEINSIEK.CH

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Annika Becker berichtet als freiberufliche Journalistin unter anderem für sportschau.de über die Bundesliga der Frauen und beleuchtet die strukturellen wie sportlichen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören - und natürlich bei "Becker & Pfeiffer - Der Fußballpodcast". An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

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