
So lief der erste Gruppenspieltag der EM 2025 in der Schweiz
Frankreich kocht, Spanien dominiert und Finnland gewinnt endlich mal wieder: Da liegt er auch schon hinter uns, der erste Gruppenspieltag der EM 2025 und es ist kaum Zeit zum Durchschnaufen, weil es heute direkt weitergeht. Die acht Auftaktpartien lieferten erste Erkenntnisse über Titel-Favoritinnen und Stolperfallen-Potenzial der Außenseiterinnen gleichermaßen. Geprägt waren alle Spiele von teils hohen Temperaturen auch an den Abenden, aber nicht nur deswegen taten sich einige Teams mit ihren Auftakt-Partien richtig schwer.
Gruppe A: Mutige Schweiz verliert, Finnland gewinnt nach langer Zeit
Island – Finnland 0:1 (0:0)
58. Gelb-Rote Karte für Hildur Antonsdóttir (Island)
70. 0:1 Katariina Kosola
Das erste Spiel der EM 2025 war symptomatisch für Islands aktuelle Formschwäche. Mit nur einem Sieg aus den letzten elf Partien wirkten die Isländerinnen gehemmt und ideenlos. Die Spielerinnen positionierten sich sehr tief, deswegen gab es kaum Anspieloptionen auf dem Weg nach vorn, zumal die Finninnen sehr gut darin waren, Sveindís Jónsdóttir aus dem Spiel zu nehmen, großen Anteil daran hatte Außenverteidigerin Emma Koivisto. Sie schob häufig sehr hoch und stärkte damit Finnlands Angriff, sorgte aber auch dafür, dass Jónsdóttir mit ihr mitgehen musste. Dadurch war die ehemalige Wolfsburgerin zu tief positioniert, um für einen Konter Islands in Frage zu kommen.
Eine Folge davon war die Abhängigkeit Islands von Jónsdóttirs Einwürfen. Die waren bei der EM 2022 ein auffälliges, aber zusätzliches Werkzeug im EM-Gepäck. Jetzt in der Schweiz gegen Finnland erschienen sie über weite Teile des Spiels als einzige ernsthafte Option im Angriff und Finnland hatte sich darauf eingestellt. „Helmarit“-Trainer Marko Saloranta freute sich nach dem Spiel deshalb folgerichtig über den ersten Sieg bei einer EM seit 2009.

Matchwinnerin Katariina Kosola nutzte sowohl ihre Schnelligkeit als auch ihre Beidfüßigkeit, um Islands Defensive immer wieder vor Probleme zu stellen. Schon vor ihrem Treffer kam sie immer wieder zu Abschlüssen aus der Distanz und agierte auf dem Flügel sehr lebendig. Ihr entscheidender Treffer war sehr schön anzusehen, sie zog von der Außenlinie nach innen und ihr Schuss drehte sich an Rúnarsdóttir im isländischen Tor vorbei.
Schweiz – Norwegen 1:2 (1:0)
28. 1:0 Nadine Riesen
55. 1:1 Ada Hegerberg
59. 1:2 Julia Stierli (Eigentor)
70. Ada Hegerberg verschießt Elfmeter
Im Vorlauf zum offiziellen Eröffnungsspiel waren die Erwartungen an die Nati nach mehreren medialen Debatten und Kritik an Trainerin Pia Sundhage gedämpft. Die Schweizerinnen spielten in den letzten Monaten häufig recht defensiv und zögerlich, deshalb war es eine schöne Überraschung, dass die Gastgeberinnen mit sehr viel offensivem Elan starteten. Aber sie belohnten sich nicht und ernteten eine unglückliche Niederlage. Sundhage sagte nach der Partie: „Das war ein ziemlich gutes Spiel, was unsere Angriffsweise betrifft. Wir haben das Spiel nicht gewonnen wegen Standardsituationen und dem Eigentor – ein so kleiner Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg.“
Die Schweiz nutzte geschickt die Flügel mit Iman Beney und Nadine Riesen, um Norwegens enge Defensive zu überspielen. Eintracht Frankfurts Riesen war auch diejenige, welcher der erste Treffer gelang, ihr Schuss prallte vom Innenpfosten über die Linie. Ansonsten war vor allem Geraldine Reuteler mit ihrer Beweglichkeit und Präsenz im Angriff extrem auffällig. Einer ihrer Versuche ging ans Aluminium.
Norwegen hingegen zeigte das altbekannte Problem: Viel individuelle Klasse, aber wenig Teamkohäsion. Die Norwegerinnen geben damit jetzt schon mehrere Turniere hintereinander ein großes Rätsel auf. Trainerin Gemma Grainger musste zur Pause offenbar deutlich werden: „Es war eine starke Ansprache zur Halbzeit – wir haben hohe Standards in diesem Team.“
Die Wende kam dann allerdings wie aus dem Nichts durch Standards, nicht durch spielerische Überlegenheit. Ada Hegerberg erzielte mit dem Ausgleichstreffer ihr 50. Länderspieltor.
Gruppe B: Spanien mit Machtdemonstration, Caruso-Traumtor für Italien
Belgien – Italien 0:1 (0:1)
44. 0:1 Arianna Caruso
Italien, Belgien und Portugal sind im Fußball der Frauen Länder, die mit unterschiedlichem Erfolg und Voraussetzungen in den letzten Jahren versuchen, sich an die Nationalteams der Top-Nationen anzunähern. Das macht die direkten Aufeinandertreffen spannend. Andrea Soncins Italienerinnen zeigten sich defensiv eine diszipliniert, allen voran Juventus-Verteidigerin Cecilia Salvai, die viele Klärungsaktionen hatte und den Spielaufbau steuerte. und mit 96% Passgenauigkeit glänzte.

Spielerin des Spiels war aufgrund ihres Siegtreffers Bayern-Spielerin Arianna Caruso, ihr Schuss aus 16 Metern war richtig stark.
Belgiens Trainerin Elísabet Gunnarsdóttir war trotz der Niederlage nicht unzufrieden: „Ich bin enttäuscht, aber gleichzeitig stolz auf mein Team, wie wir das Spiel angegangen sind. Wir haben mit Mut gespielt und etwas gemacht, womit wir uns nicht immer wohl gefühlt haben – den Ball zu besitzen.“
Das Problem der Belgierinnen war die fehlende Durchschlagskraft, denn obwohl Tessa Wullaert sich abmühte, gab es am Ende nur zwei ernsthafte Versuche, Italiens Torhüterin Laura Giuliani zu überwinden. Italiens Trainer Andrea Soncin sagte nach dem Sieg: „Das Spiel verlief genau wie geplant. Wir wissen, dass wir noch besser werden können und müssen, aber ich bin sehr zufrieden mit der Einstellung von allen.“
Spanien – Portugal 5:0 (4:0)
2. 1:0 Esther González
7. 2:0 Vicky López
41. 3:0 Alexia Putellas
43. 4:0 Esther González
90.+3 5:0 Cristina Martín-Prieto
Die Weltmeisterinnen demonstrierten eindrucksvoll, warum sie als Topfavoritinnen gelten, obwohl mehrere Stammspielerinnen fehlten. Torhüterin Cata Coll konnte nicht spielen, Irene Paredes war gesperrt, und dass Aitana Bonmatí nach ihrer Meningitis-Erkrankung überhaupt für einen Kurzeinsatz eingewechselt wurde, war überraschend wie fragwürdig.
Das änderte nichts daran, dass die Portugiesinnen von der spanischen Spielweise auseinandergenommen wurden: Schnelle Kombinationen, ständige Bewegung und gnadenlose Effizienz vor dem Tor waren zu viel für Jessica Silva und Co. Zumal die Portugiesinnen nach dem tragischen Unfalltod Diogo Jotas zurechtkommen mussten mit vielen Emotionen und plötzlichen Erwartungen aus der Öffentlichkeit, für eben jenen besonders gut zu spielen.
Und dann auch noch ein frühes Gegentor. Esther González erzielte nach 88 Sekunden das bisher schnellste Tor des Turniers, Ballannahme und der anschließende Abschluss der Gotham-Stürmerin waren erstklassig. Vicky López, für Bonmatí in der Startelf, trug sich nach einer Flanke von Mariona Caldentey in die Torschützinnenliste ein. Caldentey lieferte insgesamt zwei Vorlagen.
Portugal zeigte eklatante Defensivschwächen, die sich wie ein roter Faden durch ihre jüngsten Spiele ziehen – 20 Gegentore in nur vier Partien vor der EM sprechen eine deutliche Sprache. Trainer Francisco Neto versuchte das Positive zu sehen: „Ein Wort der Anerkennung für das, was die Spielerinnen in der zweiten Halbzeit geschafft haben, nach einem schwierigen Spielstand in der ersten.“
Gruppe C: Deutschland überwindet Verletzungsschock, Schweden clever
Dänemark – Schweden 0:1 (0:0)
55. 0:1 Filippa Angeldahl
Schwedens Fußball ist nicht immer unterhaltsam, aber effizient und erfolgreich. Filippa Angeldahl war die überragende Spielerin, kontrollierte das Mittelfeld und erzielte nach einem sehenswerten Doppelpass mit Kosovare Asllani den entscheidenden Treffer. Reals Madrids Mittelfeldspielerin hatte selbst sechs Abschlüsse und kreierte zwei Chancen für ihre Teamkolleginnen, war aber gleichzeitig auch wichtig in der Defensive, weil sie viele Bälle abfing und Zweikämpfe gewann.
Dafür gab es auch ein Lob von Trainer Peter Gerhardsson: „Sie ist eine sehr geschickte Spielerin, die sich bei Real Madrid wirklich entwickelt hat. Bei uns ist sie die Zehnerin, aber sie arbeitet auch viel defensiv.“
Dänemark dagegen überzeugte nicht. Pernille Harder kam gegen die schwedische Defensive kaum zur Entfaltung. Sie hatte außerdem das Pech, dass ihre größte Chance nur an die Latte ging. Trainer Andrée Jeglertz analysierte nach dem Spiel selbstkritisch: „Wir haben in der Halbzeit viel darüber gesprochen, Schwedens Überladen unserer Flügel besser zu managen. Wir haben das in der zweiten Halbzeit etwas besser gemacht, aber wir hätten früher damit anfangen können.“
Deutschland – Polen 2:0 (0:0)
52. 1:0 Jule Brand
66. 2:0 Lea Schüller
Deutschland tat sich schwer gegen tiefstehende Polinnen und wirkte zwischenzeitlich geschockt von der verletzungsbedingten Auswechslung der Kapitänin Giulia Gwinn. Die DFB-Frauen zeigten aber die nötige Geduld. Mit 70% Ballbesitz und 25 Schüssen dominierte Deutschland zwar das Spiel, aber erst Jule Brands spektakulärer Distanzschuss in den Winkel brach den Bann. Sie traf mit ihrem schwächeren linken Fuß, Kinga Szemik im Tor Polens hatte keine Chance.
Eine Sorge vor dem Spiel war, dass Polen mit der schnellen Ewa Pajor Deutschlands bisherige Anfälligkeit bei Kontern ausnutzen könnte. Dafür waren die Versuche der EM-Debütantinnen aber nicht abgeklärt genug, so griff immer wieder die Abseitsfalle. Einmal war Pajor in der zweiten Hälfte einem Treffer sehr nah, aber Ann-Katrin Berger parierte aus kurzer Distanz mit einem starken Reflex.

Aus polnischer Sicht war die Partie trotz der Niederlage gelungen und Trainerin Nina Patalon war stolz auf ihr Team: „Alle Spielerinnen haben ihre Herzen auf dem Platz gelassen. Das muss gewürdigt werden, denn es war kein einfaches Spiel.“
Für Deutschland war die wichtigste Nachricht nach der Partie, dass Gwinn sich nicht wie zunächst befürchtet den dritten Kreuzbandriss ihrer Karriere zugezogen hat. Trotzdem fällt sie mit ihrer Innenbandverletzung für den Rest des Turniers aus, eine weitere Spielerin kann aufgrund der UEFA-Regularien nicht nachnominiert werden. In der Partie gegen Polen kam Carlotta Wamser für sie auf den Platz, eine defensivere Alternative wäre Sophia Kleinherne.
Gruppe D: Englands historischer Fehlstart, Miedemas 100. Tor
Frankreich – England 2:1 (2:0)
16. 0:1 Alessia Russo – Treffer nicht gegeben
36. 1:0 Marie-Antoinette Katoto
39. 2:0 Sandy Baltimore
87. 2:1 Keira Walsh
Die Lionesses haben ihre Titelverteidigung mit einer Niederlage gegen Frankreich in Zürich begonnen und sind damit die ersten amtierenden Europameisterinnen, die ihr Eröffnungsspiel verloren haben. Es war außerdem die erste EM-Niederlage für Trainerin Sarina Wiegman, die zwischenzeitlich ratlos wirkte. Dabei ging es für England eigentlich vielversprechend los, als Alessia Russo den Ball im Netz unterbrachte, aber die automatische Abseitstechnologie erkannte eine hauchdünne Abseitsstellung von Beth Meads kleinem Zeh im Spielaufbau.
Den Französinnen schien dieser Schreckmoment zu helfen, sie kamen immer besser ins Spiel und England hatte extreme Probleme, die eigenen Flügel zu verteidigen. Delphine Cascarino brachte Jess Carter immer wieder in Verlegenheit, aber auch Lucy Bronze hatte auf ihrer Seite erhebliche Schwierigkeiten gegen Sandy Baltimore. Cascarino bereitete das 1:0 durch Marie-Antoinette Katoto vor, die aus kurzer Distanz einschob. Nur drei Minuten später erhöhte Baltimore auf 2:0.
Frankreichs Trainer Laurent Bonadéi sorgte vor dem Turnier für einigen Wirbel, weil er u.a. Wendie Renard nicht nominierte, die vor dem Spiel äußerte, sie selbst habe davon erst durch die Nominierungs-PK erfahren. Es gab Szenen, in denen die langjährige Kapitänin Les Bleues gut zu Gesicht gestanden hätte, aber zur Wahrheit gehört auch, dass Bonadéi bisher erfolgreich ist mit neun Siegen aus neun Spielen in diesem Jahr. Die Schlussphase, als England plötzlich nach einigen Wechseln doch noch ins Spiel fand, zeigte aber auch, dass für die ganz großen Partien noch Souveränität fehlen könnte.
Aus englischer Sicht wurde während und nach der Partie viel über die Entscheidungen der Schiedsrichterin diskutiert, die Spielerinnen selbst waren aber sehr selbstkritisch angesichts ihrer schwachen Teamleistung. Fans der Lionesses hoffen nun, dass es ich bei dem Spiel um einen Ausrutscher gehandelt hat, allerdings war auch der Weg zum Turnier schon gepflastert von Spielen mit offensichtlichen Problemen. Auch wenn einige der lange verletzten Spielerinnen wie Lauren James oder Georgia Stanway also noch zu ihrer Form finden sollten: Die Gefahr besteht, dass es dann schon zu spät ist.
Wales – Niederlande 0:3 (0:1)
45.+3 0:1 Vivianne Miedema
48. 0:2 Victoria Pelova
57. 0:3 Esmee Brugts
Wales‘ EM-Debüt endete mit einer Niederlage mit drei Gegentoren, was sich nach einem viel lockereren Sieg für die Niederlande anhört, als das Spiel lange hergab. Denn die Niederländerinnen hatten zwar viel Ballbesitz, taten sich aber lange Zeit richtig schwer. Es brauchte eine Einzelaktion Vivianne Miedemas in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, um die angespannten Niederlande so richtig ins Turnier zu holen. Miedema wackelte außerhalb des Strafraums ihre Gegenspielerin Rhiannon Roberts aus und traf dann mit dem rechten Fuß ins lange Eck zu ihrem 100. Länderspieltor.

Während davor Wales zum Teil zumindest noch an den niederländischen Strafraum gekommen war und ein paar Ecken herausspielen konnte, wurde es für das Team von Rhian Wilkinson dann richtig schwierig und es hätte weitere Gegentore geben können. In der Schlussphase wollten die Waliserinnen dann wenigstens noch ein Anschlusstor erzielen, blieben dabei aber zu ungenau. Wie viele Fans als Unterstützung trotz des deutlichen Underdog-Status‘ mitgereist waren, dürfte Jess Fishlock und Co aber sehr gefreut haben.
Fazit des ersten Spieltags
Fast bei jedem Team gibt es noch Baustellen: Die Favoritinnen aus Spanien wurden gegen Portugal nicht richtig geprüft, zeigten aber ein beeindruckendes Spiel, während Deutschland trotz des Sieges gegen Polen Schwächen in der Defensive offenbarte.
Frankreich meldet mit einem Sieg gegen Titelverteidigerin England Ansprüche auf einen Platz in der K.O.-Runde an, schenkte aber die Dominanz am Ende fast noch her. Wohingegen die Lionesses sich nach der Partie mindestens einmal durchschütteln müssen. Hat Sarina Wiegman, die Frau mit den vielen detaillierten Plänen, auch für diese Situation in einer schwierigen EM-Gruppe eine Antwort parat oder kommt es womöglich zum schockierend frühen Aus?
Die Gastgeberinnen Schweiz zeigten trotz der Niederlage, dass sie mithalten können, während Island und Belgien vor schwierigen Aufgaben stehen. Schweden war im ersten Spiel gewohnt clever und verschaffte sich eine gute Ausgangslage. Die größten Gewinnerinnen sind die Finninnen mit ihrem ersten EM-Sieg nach sehr langer Zeit, in der merkwürdigen Gruppe A könnte das zu einem Weiterkommen führen, das ihnen kaum jemand zugetraut hat.
Emotional waren die EM-Debüts für Polen und Wales. Beide mussten Niederlagen hinnehmen, zeigten aber Kampfgeist und können auf ihre Leistung stolz sein. Vielleicht ist für die Polinnen gegen enttäuschende Däninnen sogar ein Tor oder Punktgewinn drin.
Beitragsbild: IMAGO/PsnewZ