
So bereiten sich Europas Teams auf die EM vor
Der Fahrplan in Richtung Schweiz sieht für manche EM-Länder mehr Spiele vor als für andere. Wer veranstaltet noch Freundschaftsspiele gegen wen? Wer testet gar nicht? Und welche Rolle spielt die Nations League im Vorlauf zur EM?
„Es war eine bewusste Entscheidung, kein Spiel mehr zu haben. Wir können jetzt diese zwei Nations-League-Spiele noch mal nutzen“, sagte Laura Freigang in einer der Pressekonferenzen vor den Partien gegen die Niederlande (30.05 in Bremen, Anstoß 20:30 Uhr) und Österreich (03.06. in Wien, auch 20:30 Uhr). Danach ist die Gruppenphase der diesjährigen UEFA Women’s Nations League beendet, das DFB-Team erhofft sich, durch den Gruppensieg das Final Four zu erreichen, das im Oktober und November ausgespielt wird.
Vor der EM trainiert das deutsche Nationalteam vom 19. bis 24. sowie 27. bis 30. Juni in Herzogenaurach, dazwischen fahren die Spielerinnen nochmals nach Hause. Ein Testspiel vor der EM gibt es darüber hinaus wie von Freigang angesprochen nicht. Deutschlands Auftaktspiel findet am 04. Juli in St. Gallen gegen Polen statt, knapp einen Monat nach dem letzten Spiel außerhalb eines Trainings.
Das verblüfft angesichts der vielen Personalrochaden im vergangenen Jahr und der Suche nach einer klaren Starformation in Teilen des Kaders. Andererseits ist Deutschland damit nicht allein: Auch Italien, Island, Portugal, Wales und Dänemark verzichten nach aktuellem Stand auf zusätzliche Freundschaftsspiele. Im Gegensatz dazu haben die amtierenden Europameisterinnen aus England am 29. Juni noch ein Heimspiel gegen Jamaika und Frankreich spielt sogar zweimal, gegen Belgien (20. Juni) und Brasilien (27. Juni). Mehr dazu in der Übersicht weiter unten.
Turnier-Vorbereitung: Veränderungen durch die Nations League
Das Hinzukommen der noch immer recht neuen Nations League (NL) gehört zu den Dingen, die sich seit der EM 2022 verändert haben. Angekündigt wurde der Wettbewerb im November 2022, zum ersten Mal gespielt wurde ab September 2023, aktuell läuft die zweite Saison.
Bekanntlich werden aus UEFA-Sicht mit dem Wettbewerb die Qualifikationen für EM, WM und Olympische Spiele unter ein Dach gebracht und die Teams nach Stärke in die Ligen eingeteilt. „Mit diesem neuen System zählt jedes Spiel, was zu spannenderen Begegnungen und damit zu einem größeren sportlichen und kommerziellen Interesse am Fußball der Nationalteams führt“, schrieb der Verband damals.
In allerbester Freund*innenschaft
Im ersten Halbjahr 2022 spielte Deutschland in der WM-Quali regelmäßig gegen teils stark unterlegene Gegnerinnen, gewann z.B. 8:0 gegen die Türkei. Dazwischen gab es mit dem Einladungsturnier Arnold-Clark-Cup ergebnistechnisch knappe Freundschaftsspiele und direkt vor der EM einen deutlichen Test gegen die Schweiz, die Partie war in der Rückschau der Kickstart in eine unerwartet erfolgreiche EM, gemessen daran, wie viele der Partien vorher ausgesehen hatten.

Das Ziel, den Teams mehr Spiele auf Augenhöhe zu garantieren, ist durch die Nations League definitiv gelungen, allerdings bleiben die Top-Teams nun vermehrt unter sich und Begegnungen doppeln sich schnell. So gibt es das EM-Eröffnungsspiel Schweiz gegen Norwegen bereits kommende Woche zu sehen, auch ist Island in NL wie EM derselben Gruppe.
Spielplan: Hatten wir das nicht gerade erst?
Bei der EM-Gruppe B muss man nur Italien gegen England austauschen, um die Nations- League-Gruppe A3 zu erhalten. Schweden und Dänemark aus der deutschen EM-Gruppe C kennen sich sowieso bestens und auch aus der aktuellen NL-Saison. Dagegen ist die Todesgruppe D auch deswegen so spannend, weil sie tatsächlich frisch zusammengewürfelt ist, ein Hauch von Unberechenbarkeit also.
Aus Fan-Sicht ist durch die Nations League sicherlich ein Stück weit Charme von Spielen gegen selten getroffene Teams und in freundschaftlichem Ernst ausgetragene Turniere wie dem Algarve Cup verloren gegangen. Gleichzeitig gab es in den letzten Monaten auch immer wieder Ergebnisse, die überraschten, wie kürzlich das 1:1 von Schweden gegen Wales oder die Partie Portugal gegen England mit demselben Endergebnis im Februar.
Das sagen die Trainer*innen zur Vorbereitung ihrer Teams
Spaniens Testspiel gegen Japan wurde erst vor rund einer Woche angekündigt. Gut möglich, dass von Island, Italien, Portugal, Dänemark und Wales, die aktuell wie Deutschland keine weiteren Partien im Kalender stehen haben, noch Teams nachziehen. In der Vergangenheit war zum Beispiel Italien unter Milena Bertolini vor Turnieren sehr spielfreudig, vielleicht aber handhabt Andrea Soncin dies anders.
Spaniens Nationaltrainerin Montse Tomé steht jedenfalls vor der Herausforderung, dass die Copa de la Reina zwischen Barcelona und Atlético erst am 7.6. ausgetragen wird, dazu sagte sie auf der Website des RFEF: „Wir werden Beginn des EM-Trainingslagers anpassen und zwei Gruppen bilden. Rund um die Maßnahme im März gab es viele Vereinsspiele, wir konnten die Planung anpassen, uns ein Bild davon machen, in welcher Verfassung die Spielerinnen waren, und sehen, wie wir ihnen helfen können. Ich bin zuversichtlich, dass wir das jetzt wieder gut hinbekommen werden.“

Interessant ist, dass es immerhin zwei weitere Tests gegen Teams außerhalb Europas gibt, Frankreich gegen Brasilien und England gegen Jamaika. Die ‚Lionesses‘ spielen damit zum allerersten Mal gegen die ‚Reggae Girlz‘, von denen viele in England spielen. „Es ist von da an nur noch eine Woche bis zu unserem Eröffnungsspiel gegen Frankreich in Zürich“, so Sarina Wiegman im April auf der Verbandsseite, „daher ist es ein wichtiger Meilenstein in unserer Vorbereitung. Wir hatten es in letzter Zeit mit einigen wirklich starken Gegnern zu tun und haben als Team viel gelernt.“
Hauptsächlich liegt der Fokus der Aussagen aber europaweit auf der Nations League, weil es entweder noch um einen Platz im Final Four geht, oder aber die Verhinderung des Abstiegs in eine tiefere Staffel.
Frankreich ohne Renard, Le Sommer und Dali zur EM?
Frankreichs Laurent Bonadei hat sich neben Belgiens Elísabet Gunnarsdottir als einziger für zwei Tests entschieden. Allerdings bestimmt rund um Les Bleues gerade ein anderes Thema die Schlagzeilen: Bonadei verzichtete auf Kapitänin Wendie Renard, Vizekapitänin Eugénie Le Sommer und die erfahrene Mittelfeldspielerin Kenza Dali für die kommenden Spiele in der Nations League.
Es klingt zudem so, als bliebe es auch für die EM dabei, er verfolge ein dreijähriges Projekt und es ginge darum, andere zu Erfahrung kommen zu lassen: „Ich habe diese Entscheidung nicht spontan getroffen. Angesichts des Zeitpunkts könnte man meinen, sie sei verrückt, aber das ist sie nicht. Wie Einstein sagte: ‚Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten.‘ Ich wünsche mir andere Ergebnisse für dieses Team, deshalb habe ich mich für einen anderen Kader entschieden“, so Bonadei auf der PK zur Kaderbekanntgabe. Frankreich werden immer wieder Titelchancen eingeräumt, Trophäen gab es bisher aber nur bei den freundschaftlichen Einladungsturnieren der Vergangenheit.
„Ich habe seit Saisonbeginn darüber nachgedacht. Als ich sagte, dass alle eine Chance haben und niemand unverzichtbar ist, ging es mir nicht nur darum, jungen Spielerinnen eine Chance zu geben, auch Spielerinnen, die nach den Olympischen Spielen psychisch gelitten haben, und sicherzustellen, dass alle einbezogen werden“, so Frankreichs Nationaltrainer weiter.
Die Spiele der EM-Teams bis zum Turnier
Gruppe A
Finnland
Belarus – Finnland (NL)
Finnland – Serbien (NL)
Niederlande – Finnland (Test, 26.06.)
Island
Norwegen – Island (NL)
Island – Frankreich (NL)
Keine Tests
Norwegen
Norwegen – Island (NL)
Schweiz – Norwegen (NL)
Norwegen – Schweden (Test, 26.06.)
Schweiz
Frankreich – Schweiz (NL)
Schweiz – Norwegen (NL)
Schweiz – Tschechien (Test, 26.06)
Gruppe B
Belgien
Belgien – Spanien (NL)
Portugal – Belgien (NL)
Frankreich – Belgien (Test, 20.06.)
Belgien – Griechenland (Test, 26.06.)
Italien
Italien – Schweden (NL)
Wales – Italien (NL)
Keine Tests
Portugal
England – Portugal (NL)
Portugal – Belgien (NL)
Keine Tests
Spanien
Belgien – Spanien (NL)
Spanien – England (NL)
Spanien – Japan (Test, 27.06.)
Gruppe C
Dänemark
Dänemark – Wales (NL)
Schweden – Dänemark (NL)
Keine Tests
Deutschland
Deutschland – Niederlande (NL)
Österreich – Deutschland (NL)
Keine Tests
Polen
Nordirland – Polen (NL)
Polen – Rumänien (NL)
Polen – Ukraine (Test, 27.06.)
Schweden
Italien – Schweden (NL)
Schweden – Dänemark (NL)
Norwegen – Schweden (Test, 26.06.)
Gruppe D
England
England – Portugal (NL)
Spanien – England (NL)
England – Jamaika (Test, 29.06.)
Frankreich
Frankreich – Schweiz (NL)
Island – Frankreich (NL)
Frankreich – Belgien (Test, 20.06.)
Frankreich – Brasilien (Test, 27.06.)
Niederlande
Deutschland Niederlande (NL)
Niederlande – Schottland (NL)
Niederlande – Finnland (Test, 26.06.)
Wales
Dänemark – Wales (NL)
Wales – Italien (NL)
Keine Tests
Beitragsbild: IMAGO/Jan Huebner.