Werders Spielerinnen rennen nach Abpfiff jubelnd auf die Fotokamera zu, m Hintergrund ist das Innere des Volksparkstadions zu erkennen.

Das waren unsere Saison-Highlights 2024/25

„The highs and lows of football“: Franzi, Nina, Mara und Annika sprechen über Momente, Menschen und Themen, die sie in dieser Saison besonders bewegt oder beschäftigt haben.

Was war dein Highlight der Saison?

Franzi: Das 0:0 von Köln gegen Wolfsburg. Beeindruckender Einstand von Britta Carlson und Aurora Mikalsen.

Aurora Mikalsen steht während des Spiels leicht vorn über gebeugt und ruft mit leicht gerunzelter Stirn etwas in die Ferne. Ihr Torhüterinnen Trikot ist violett und trägt das Emblem des 1. FC Köln, hinter ihr leuchtet unscharf eine Werbebande in pink und rot.
Die norwegische Torhüterin Aurora Mikalsen beim Spiel des 1. FC Köln gegen den VfL Wolfsburg am 07.02.2025. Foto: IMAGO/Maximilian Koch.

Nina: Keine Frage: Das Pokalhalbfinale zwischen Werder & Hamburg im Volksparkstadion. Das war so unglaublich emotional, der Abschluss eines tollen Wochenendes, mit wundervollen Leuten zusammen, ein sehr spannendes Spiel – und die Bremerinnen haben nochmal extra Geschichte geschrieben mit dem ersten Einzug ins Pokalfinale ihrer Geschichte. Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut!

Annika: Der Doppelpack von Ramona Maier gegen Jena, ich musste das Spiel krank auf der Couch gucken. Sie hatte vorher so lange nicht getroffen, viele Chancen liegen gelassen und dann war der erste Treffer so schwierig zu machen. Sie ist komplett eskaliert vor Freude und mir ging es direkt etwas besser.
Außerdem der Hattrick ab der 90. Minute von Remina Chiba nach Einwechslung gegen Freiburg, das war auch aus neutraler Sicht einfach schön. Ich war seelisch schon drauf vorbereitet, mich gleich aufzuraffen und den Fernseher auszumachen und dann legt sie plötzlich nochmal so los!

Mara: Das Spiel der Frauen des 1. FSV Mainz 05 im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg am Bruchweg. Zum einen war es toll, dass sich das Team qualifiziert hatte und die Partie im Stadion stattfand. Und dann war es für mich schon ein emotionaler Moment, Alex Popp nach unserer intensiven gemeinsamen Arbeit an ihrer Autobiographie da spielen zu sehen, wo ich mich vor vielen Jahren in den Fußball verliebt habe. Es war auch ein Tag, an dem mir wieder mal sehr bewusst geworden ist: Fußball ist immer dann am Schönsten, wenn wir Geschichte(n) erleben, die uns emotional mitnehmen. 

Was dein Lowlight?

Franzi: Die Anstoßzeiten – diese Saison mit dem absoluten Ausreißer 16:55. Das ist nicht nur Fan-feindlich, auch für Spielerinnen und Schiedsrichter*innen sind solche Anstoßzeiten mitten am Tag freitags/montags oder sonntags spät Abends eine zusätzliche Belastung.

Protest-Banner der Bayern-Fans zur Anstoßzeit des Topspiels heute um 16.55 Uhr zwischen Bayern und Wolfsburg. Die Partie wird als eines der wenigen Spiele live im ZDF übertragen, freitags ist normalerweise Anstoß um 18.30h. Fotos via Franziska Blendin @legendeverloren.bsky.social

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— Bolztribuene (@bolztribuene.de) 14. März 2025 um 16:41

Nina: Immer wieder die Livestreams. Kaum Vorlauf, falsche Einblendungen, teils furchtbares Reportieren ohne oder mit falschen Informationen… 

Annika: Franzi und Nina haben schon “gute” Punkte genannt. Als Ergänzung zu den Übertragungen stört mich, dass es teilweise keine unabhängig geführten Interviews gab, sondern das von den Presseleuten der Vereine gemacht wurde. Ansonsten fand ich diese ganze Situation rund um Leverkusens 3:2 Sieg in Freiburg total unwürdig, das war am ersten Spieltag, es gab einen Regelverstoß des Schiedsrichter*innen-Teams und wegen der ganzen Einsprüche gegen ein Wiederholungsspiel von Leverkusens Seite gab es erst Ende Januar das Wiederholungsspiel.

Mara: Die Anstoßzeiten haben mich auch massiv geärgert. Außerdem ist mein Eindruck vom “Drumherum” nach dieser Saison schon sehr stark, es gibt so eine stillschweigende Einigung vieler Verantwortlicher, jetzt wirklich einfach alles so zu machen, wie es bei den Männern läuft. Davon halte ich persönlich nichts. Apropos Männer, ein Tiefpunkt war für mich auch das Verhalten einiger Stadiongänger von Rot-Weiss Essen gegenüber Schiri Fabienne Michel. Negativ bleibt mir da vor allem hängen, dass die Geschichte am Ende mehr mit ihr als Betroffener verknüpft wurde, als mit den Tätern.

Wer oder was war für dich die größte Entdeckung?

Franzi: Der Fan-Kongress und die vielen Menschen, die ich dort kennenlernen konnte und die Ideen und Themen, die daraus entstanden sind.

Annika: Aus SGS-Perspektive Paulina Platner und Julie Terlinden, beide haben eine tolle Debütsaison in der 1. Bundesliga gespielt, obwohl es keine einfache Spielzeit war, weil zwischendurch so viele erfahrenere Spielerinnen ausgefallen sind. Auf die Liga bezogen kommt man an Bayern Münchens Alara nicht vorbei, sie hatte 2023/24 schon Kurzeinsätze, und hat in dieser Saison eine gute, kreative Rolle gespielt. 

Freiburgs Leela Egli ist links am Ball, hat einen Fuß auf dem Ball, rechts im Zweikampf mit ihr ist Essens Paulina Platner. Beide sind von der Seite zu sehen, wie sie leicht in die Knie gebeugt auf die Bewegung der anderen schauen, das Bild ist fast symmetrisch.
Freiburgs Leela Egli im Zweikampf mit Essens Paulina Platner beim Zusammentreffen am 02.05.2025. Foto: IMAGO/Beautiful Sports.

Mara: Meine Entdeckung der Saison ist Karo Heckemeyer. Vielleicht habt ihr das Interview mit ihr auf der Bolztribüne gelesen und auch in “Becker & Pfeiffer” war sie schon. Ich finde, ihre Gedanken darüber, dass und warum wir im Sport das Thema Fairness grundlegend führen oder es lassen müssen, schließen eine wichtige Lücke in Debatten, die sonst öfter von Aufgeregtheit leben als Fakten. Und Fußball ist bekanntlich mehr als auf dem Platz.

Gibt es etwas, das dich überrascht hat?

Franzi: Das Trainer*innen-karussel am Ende der Saison. Ansonsten: Jenas Leistungssteigerung im Laufe der Saison ist extrem beeindruckend gewesen und ich hatte nicht damit gerechnet.

Nina: Da bin ich wohl bei Franzi, dass so viele Vereine die Trainer*innen wechseln, damit hätte ich wirklich nicht gedacht. Speziell hat mich das Hin und Her in Wolfsburg überrascht… Und auf die Tabelle bzw. den Saisonverlauf geblickt: Dass Freiburg sich so gut angestellt hat, Leverkusen in der Hinrunde so gut gespielt hat (auch hier Trainerwechsel: Roberto Pätzold scheint sehr gut zu funktionieren), Leipzig dagegen relativ abgeschmiert und am Ende 6 Spiele in Folge nicht gewonnen hat. 

Annika: Auch wenn sie das Level am Ende nicht mehr halten konnten, ist Leverkusen für mich das Überraschungsteam der Saison gewesen, sie haben es den Top-Teams teilweise verdammt schwer gemacht. Die Frage ist jetzt neben dem Transfersommer welche Lehren sie aus der Rückrunde für sich ziehen können.
Ansonsten wie krass es sich ausgewirkt hat, dass es nur den einen Abstiegsplatz gab, da habe ich vorher viel drüber nachgedacht. Es war schon oft so, dass der letzte Platz weit abgeschlagen ist, aber durch den vorletzten gab es trotzdem ein Bedrohungsszenario und Druck, das hat sich dieses Mal deutlich anders angefühlt. 

Mara: Mich haben einige Abschiede überrascht und dass man hin und wieder das Gefühl hatte, da gehen Menschen nicht ganz freiwillig. Ebenso überraschend war dann die eine oder andere Nachbesetzung. Aber ich lasse mich da kommende Saison gern noch positiv überraschen.

Was war dein liebstes Stadion- oder Community-Erlebnis?

Franzi: Der Protest von Wolfsburg und Bayern Fans gemeinsam gegen die Anstoßzeit von 16:55. Sehr gute Aktion – und hörbar. Ich hoffe, es ändert sich langsam mal was…

Nina: Liebstes Stadionerlebnis als Werderfan tatsächlich der Besuch im Volksparkstadion 😀 Da hat hinten und vorne alles gepasst, die Story des Spiels, die Story von Werders Weg und historischem Einzug ins Finale und nicht zu vergessen, die Leute, mit denen ich da war.

Die Choreo der Werderfans im Karli war auch top! Aber der Abschied der Turbinen am letzten Spieltag hat mich auch beeindruckt, muss ich sagen… Was die Community angeht: Liebe den meistens sehr respektvollen Umgang und das Teilen der Begeisterung sehr!

Annika: Eindeutig der Abschied von Kirsten Schlosser bei der SGS, über den Lisa für uns geschrieben hat. Einerseits hätte ich sie gern noch länger im Verein gesehen, andererseits war es sehr schön, diese Anerkennung für eine Frau zu sehen, die ihr ganzes Leben lang so leidenschaftlich und aufopferungsvoll in diesem Sport gearbeitet hat. An einem Standort, der oft im Schatten anderer Vereine steht und als Co-Trainerin eben auch nicht als Hauptfigur. Das hat mich sehr bewegt.

Mara: Es mag im ersten Moment seltsam klingen, aber für mich war das die Trauerfeier für Doris Fitschen. Mich hat sehr bewegt, wie viele Menschen da zusammengekommen sind, aus ganz unterschiedlichen Bereichen des Fußballs. Die Wertschätzung war enorm spürbar und auch das hat mich sehr berührt. Gleichzeitig ging mir an dem Nachmittag immer wieder durch den Kopf, wie sehr ich ihr gewünscht hätte, dass genau diese große Runde sich mit ihr zu Lebzeiten zusammengesetzt hätte, um zu fragen: Was kann ich tun, um deine großen und unermüdlichen Bemühungen für den Fußball der Frauen zu unterstützen?

Sonst noch was?

Franzi: Ich trauere sehr um den Abstieg von Turbine Potsdam und hätte mir gewünscht, dass der Verein in den letzten Jahren irgendwie mehr Perspektive entwickelt hätte. 

Mia Schmid, enttäuscht über die Niederlage gegen die TSG 1899 Hoffenheim am 29.03.2025. Foto: IMAGO/Eibner.

Nina: Super schade, dass bei Leverkusen trotz einer fantastischen Hinrunde so wenig Fans am Start waren, die das Team unterstützt haben.

Außerdem fällt mir immer wieder auf, welche Gegensätze und vermeintlichen Zwiespälte wir lernen müssen auszuhalten. Wir wollen mehr Aufmerksamkeit, mehr Fans in den Stadien – aber zu welchem Preis? Wir wollen, dass mehr Vereine in den Fußball der Frauen investieren und den Spielerinnen vernünftige Möglichkeiten bieten (finanziell, sportlich) – wobei viele reine Frauenfußballvereine kaum mitziehen können. Alles ist so ambivalent, das macht mich manchmal ein bisschen traurig, dass es so schwerfällt, wirklich alle und alles gut mitzunehmen.

Annika: Ich wünsche mir, dass UEFA und DFB zeitnah an ihren Rahmenterminkalendern für die Zukunft schrauben. Die CL-Halbfinals gehen an den Wochenenden komplett unter und beeinflussen bis zu vier Ligen, in denen Spiele mitten in der heißen Phase verschoben werden müssen. DFB-Pokal-Halbfinale am Wochenende und dafür z.T. die Liga pausieren finde ich auch komisch. Als Stadiongänger*in, wenn man auswärts fahren möchte, ist das schön. In der Wettbewerbshierarchie sollte aber die Liga immer Vorrang haben, weil die der Grundpfeiler für alles andere ist.

Beim DFB-Pokalfinale wäre ich zudem dafür, dass man es ans Ende der Bundesliga-Saison plant, als emotionalen Höhepunkt, man kann ja das Fest rund ums Stadion trotzdem an einem Samstag machen. Vor allem aber muss das Thema Hitze bei der Planung berücksichtigt werden. Ich habe jetzt mehrere Jahre hintereinander von unterschiedlichen Leuten gehört, die aus dem Block gehen mussten, weil die Sonne so reingeknallt hat und es teilweise nach der Pause kein Wasser mehr gab.

Mara: Mich beschäftigt die Frage nach einem guten Wachstum des Fußballs der Frauen sehr und weiterhin ist mir ein Rätsel, woher das Geld kommen soll, vor allem in der Breite – das gilt nicht nur für Deutschland. Während auf der einen Seite an der Spitze die WM aufgeblasen wird, werden auf der anderen weiterhin Teams abgemeldet oder Lizenzen zurückgegeben und es fehlt am Wesentlichen.

Mädchen und Frauen können nicht von einem Crowdfunding zum nächsten Gönner leben, gleichzeitig lehne ich es ab, den Männerfußball einfach stur zu kopieren. Das ist eingebettet in gesellschaftliche Strukturen und Entwicklungen, die mir nicht nur für den Sport Sorge bereiten. Im Sport kommt hinzu, dass Frauen es auch in Sachen Sichtbarkeit weiter schwerer haben, weil die Klickzahlen für Verlage unattraktiv sind und deshalb Berichterstattung vielfach fehlt. Das ist so ein bisschen das Henne-Ei-Problem, nur rückwärts gedacht. Da wünsche ich mir noch viel mehr Initiative, Engagement und breite Unterstützung aus dem Gesamtfußball.

Beitragsbild: IMAGO/Claus Bergmann

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

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