
Spieltag aus Sicht der Fans: 1. Fanclub SGS Essen
Im Fußball der Frauen ist aktuell viel Bewegung, das sieht man auch an Fan-Protesten und wachsender Organisation der Fans. Deswegen wollen wir euch den Alltag bei einem Heimspiel von unterschiedlichen Fanclubs vorstellen. Heute startet die Serie mit dem 1. Fanclub SGS Essen.
Wenn man 2012 Spiele des 1. FFC Frankfurt im Brentanobad besucht hat, war das meistens sonntags um 11 Uhr morgens. Es gab Kaffee und Kuchen und man konnte Fußball-Legenden wie Kerstin Garefrekes live dabei zuschauen, wie sie gezaubert haben. Wenn Turbine oder Bayern da waren, gab es auch mal Auswärtsfans. Die organisierten Fans waren in den Sitzrängen und bei jeder Ecke schallte das berühmte “Ecke, Ecke, Ecke – Tor, Tor, Tor” durchs Stadion.
Der Eintrittspreis war finanzierbar, die Kontrollen waren, wenn welche existierten, marginal.
Heute ist das anders. Es gibt mehr Auswärtsfans, die Fankultur verändert sich, aber auch die Regularien und Anforderungen – und damit gibt es oft auch mehr Einschränkungen. Diese Veränderungen haben auf jeden Bundesligaclub und dessen Fans andere Auswirkungen, weshalb die Diskussionen und Fan-Interessen je nach Club punktuell verschieden sein können.
Wir wollen euch hier die verschiedenen Fanclubs, ihre Perspektiven und Hintergründe vorstellen, indem wir sie selbst zu Wort kommen lassen zu ihren Ritualen, ihrer Verantwortung und ihrem Engagement als Fans.
Interview
Heute stellt sich der 1. Fanclub SGS Essen vor und hat sich Zeit genommen, die Fragen zu beantworten. Der Fanclub wurde von ca. 20 Personen im August 2024 gegründet und wächst und wächst – ist allerdings noch nicht offiziell als Verein eingetragen.
Woher kennt ihr euch und warum habt ihr euren Fanclub gegründet?
Wir haben uns alle im Stadion an der Hafenstraße kennengelernt, aber uns insbesondere über gemeinsame Busfahrten nach Leverkusen und Wolfsburg Anfang 2024 vernetzt. Da kam dann die Idee auf, einen Fanclub zu gründen. Es gab trotz über 20 Jahren in der Bundesliga noch keinen offiziell eingetragenen Fanclub für lila-weiß und knapp ein halbes Jahr später hatten wir dann pünktlich zum Saisonbeginn unser Gründungstreffen.
Gibt es etwas, was euch als Fanclub besonders wichtig ist?
Dass jede*r bei uns herzlich willkommen ist!
Warum ist euer Verein der beste?
Essen ist Familie und die ganze Atmosphäre im Verein ist super angenehm! Aus sportlicher Sicht ist die SGS zudem der einzige reine Frauen-Club, der sich seit über 20 Jahren ununterbrochen in der Bundesliga hält und mithalten kann, mit Teams, die viel Unterstützung von Männer-Teams bekommen. Zudem ist die SGS einer der wichtigsten Ausbildungsvereine der Liga. In Essen haben schon viele Spielerinnen gespielt, die während ihrer Zeit hier oder danach für ihre Nationalteams gespielt haben, egal ob für Deutschland, Österreich, Schottland oder die Niederlande. Außerdem tritt unser Verein stark für Werte wie Diversität & Inklusion ein, mit denen auch wir uns sehr identifizieren.
Wenn ihr etwas ändern könntet an eurem Verein, was wäre es?
Mehr finanzielle Möglichkeiten und Freiheiten, auch wenn das natürlich Wunschdenken ist.
Aber sagen wir mal, wie es ist: Es tut weh, immer wieder Spielerinnen abgekauft zu bekommen und jede Saison hoffen wir, dass möglichst wenige unseren Verein verlassen. Sobald eine Spielerin zum deutschen Nationalteam fährt, können wir uns eigentlich ziemlich sicher sein, dass sie nicht mehr lange bei uns spielt, das jüngste Beispiel hierfür ist Sophia Winkler. Die SGS bildet aus und kassiert, wenn es gut läuft, eine Ablösesumme, von der neue Spielerinnen aus den „kleineren“ Clubs der ersten oder Vereinen der zweiten Liga gekauft werden können. Ansonsten werden auch viele Spielerinnen aus der eigenen Jugend hochgezogen und während das toll ist, ist es halt kein stabiler Kader. Jedes Jahr ändert sich etwas und jedes Jahr muss das Team erst wieder einen gemeinsamen Spielrhythmus finden. Diese Bedingungen sind natürlich keine gute Basis für eine super erfolgreiche Saison. Andere Teams können gute Spielerinnen kaufen und im Minus landen, das kann der Verein im Rücken ausgleichen, aber bei uns IST die erste Mannschaft der Verein, da kann also nichts aufgefangen werden und es muss zweimal geschaut werden, bevor Geld ausgegeben wird. Bei Potsdam konnte man in den letzten Jahren sehr gut sehen, wie ein paar unkluge finanzielle Entscheidungen einen Traditionsverein fast zerstören können und wir sind immer auch nur ein paar Entscheidungen davon entfernt.
Wie sieht ein „klassischer“ Heimspieltag bei euch aus?
Unser Heimspieltag ist vermutlich länger als bei den meisten. In der Regel beginnt der Spieltag für uns schon am Nachmittag/Abend vor dem eigentlichen Spieltag, wir treffen uns gegen 16/17 Uhr an der Hafenstraße und dann heißt es aufbauen.
Wir bauen ehrenamtlich u.A. die Banden um, hängen also unsere Sponsoren über die von Rot-Weiß Essen, breiten die Werbeteppiche aus, stellen die Softreiter auf, überhängen auch die Werbung über den Tribünen-Eingängen und der Medienwände im Spielerinnen Tunnel.
Drinnen im „Assindia“ oben müssen die Tische ein bisschen umgestellt werden, die Sitzordnung wird mit Schildern kenntlich gemacht, Werbebanner und Banner zur Geschichte des Vereins werden aufgestellt und „das Grauen“ aka der Kickertisch muss hoch. Der Kickertisch sieht sehr gut aus und wir spielen auch gerne die ein oder andere Runde daran, aber dieses Monstrum vom Keller nach oben und wieder zurück zu bekommen gestaltet sich schwierig.

Der Großteil des Aufbaus ist normalerweise am Vortag und am Spieltag selber müssen dann nur noch Kleinigkeiten erledigt werden. Da treffen wir uns meist so 3,5/2,5 h vor Anpfiff. 2 Stunden vor Anpfiff sollte alles fertig sein, damit 1,5 Stunden vorher der Einlass beginnen kann. Manchmal läuft es aber auch anders, wie bei unserem Spiel gegen Potsdam: Samstags hat RWE noch im Stadion gespielt, sodass wir erst Sonntagmittag ins Stadion konnten.
Während des Spiels feuern wir kräftig an und zwei Personen vom Fanclub schwenken die lila-weißen Fahnen, wenn die Spielerinnen aufs Spielfeld kommen.
Mit dem Abpfiff beginnt dann für uns wieder die Arbeit; zuerst draußen alles aufräumen, dann geht es drinnen weiter mit Tische verrücken, Kisten in den Keller bringen und zwischendurch noch mit der ein oder anderen Spielerin quasseln. Oh, und Kuchen!
Irgendwann ist dann auch für uns Ende, wir verabschieden uns und fahren alle nach vielen Stunden Hafenstraße nach Haus. Beim Potsdam-Spiel begann unser Spieltag um etwa 13 Uhr und endete für die Letzten nach 22 Uhr, exklusive der Fahrten hin und zurück.
Was sind eure liebsten Momente bei Heimspielen?
Am allerliebsten ist es uns natürlich, wenn es „im Karton rappelt“, also unsere Mannschaft ein Tor schießt und die entsprechende Hymne erklingt. Punkte Zuhause zu holen ist immer toll, da ist die Stimmung dann noch mal ausgelassener, aber auch, wenn die Mannschaft sehr gut gegen einen großen Gegner dagegengehalten hat, sind wir super zufrieden. Ansonsten sind es eher die kleinen Momente, wenn das Team vor und nach dem Spiel winkt, wenn wir mit der ein oder anderen Spielerin plaudern oder auch, wenn wir alle zusammen unser Team anfeuern.
Wie viel fahrt ihr Auswärts?
Das ist tatsächlich sehr individuell. Eine handvoll Leute hat das Glück, so flexibel zu sein, dass sie fast zu allen Spielen fahren können, während andere feste Arbeitszeiten, Kinder Zuhause, mit dem Rollstuhl sehr viel mehr Aufwand oder auch finanziell nicht die Möglichkeit haben, oft Auswärts zu fahren. Es gibt Spiele, zu denen super viele SGS-Fans anreisen, bspw. in Leverkusen oder Mecklenbeck (Pokal), aber auf einen Montag einmal quer durchs Land nach Jena oder auf einen Sonntagabend runter bis nach Hoffenheim passt für die meisten eher nicht.

Wohin fahrt ihr am liebsten auswärts und warum
Da gibt es viele verschiedene Meinungen, aber bisher hat es den meisten in Frankfurt und in Köln sehr gut gefallen, beide hatten (zumindest als wir da waren) eine tolle Stimmung und die Menschen waren auch super nett! Ist ja auch beides nicht zu weit entfernt. Wir kommen also gerne wieder!

Wollt ihr noch was erzählen? Dann gerne jetzt…
Uns ist es wichtig, unseren Spielerinnen und Trainer*innen auch neben dem Anfeuern etwas zurückzugeben, dazu gehört unter anderem Kuchen. Wir haben mit unserer Gründung eine neue Tradition eingeführt, bei der wir zu jedem Heim- und jedem Auswärtsspiel Kuchen mitbringen. Im November haben wir außerdem einen ganzen Sonntag lang gebacken und gewerkelt, um allen eine kleine Aufmerksamkeit für die Weihnachtszeit zu schenken.
Und noch etwas: Wir haben uns in den letzten Monaten mit einigen Fanclubs vernetzt und genau das ist einer der Punkte, die uns an unserem Sport sehr gut gefällt: Wir tragen unterschiedliche Farben, unterstützen unterschiedliche Teams, aber wir brennen alle für den Sport und verstehen uns prima!

Danke an den 1. Fanclub SGS Essen für das Interview. Hier findet ihr sie bei Instagram.
Hallo Fans des Frauenfußball,
ich erfuhr letztes Jahr 2024,zum ersten Mal von der Gründung,des 1.Fanclub der SGS.
Wir,mein Mann und ich, waren bei einem Heimspiel an der Hafenstraße.Am Eingang des Stadions,entdeckte ich ein kleines Plakat.Auf dem Plakat wurde dazu eingeladen, für einen Unkostenbeitrag mitzufahren,zum Auswärtsspiel zu den Werder-Frauen nach Bremen.
Geplant war einen Bus zu mieten,um gemeinsam mit SGS Fans,unsere Essener Mädels in Bremen zu unterstützen.Ich nahm per WhatsApp Kontakt mit dem Fanclub auf.Es dauerte nicht lange und es meldete sich Melli (SGS Klubleitung)bei mir.Wie sich Tage später herausstellte,meldeten sich nicht
genug Fans ,um kostendeckend einen Bus zu bekommen.Ich erklärte Melli,das mein Mann im Rollstuhl sitzt und somit dann keine Chance hat,zu dem Auswärtsspiel zu kommen.
Melli meinte,das sei kein Problem es wird schon längst an Fahrgemeinschaften gearbeitet.
Ich habe mich riesig gefreut und es gleich Helmut berichtet.
Auch das mein Mann seinen Rollstuhl immer dabei haben muss,war kein Problem.
Inzwischen hatten sich schon mehrere Fans bei mir gemeldet,das sie Helmut/Rollstuhl und mich zum Stadion nach Bremen mitnehmen könnten.Mein Mann/Rollstuhl und ich wurden einige Tage später,von Mellis Mann abgeholt,nach Bremen gefahren und wieder zurück nach Hause gebracht.
Leider hatte unsere SGS in Bremen eine Niederlage hinnehmen müssen.Aber der Tag in Bremen,andere nette Essener Fanclubmitglieder,die Mannschaft der SGS näher kennenzulernen,war für uns(mein Mann und mich) ein großes Erlebnis.
Vielen herzlichen Dank,an den SGS Fanclub,den Fans so nett aufgenommen/angenommen zu werden.
Hoffe der Fanclub wächst stetig weiter.
Glückauf
Liebe Jutta, danke für deinen Kommentar und sehr schön, dass es diese gegenseitige Unterstützung gibt.
Vielen Dank für den Bericht und das ehrliche Interview!
Ich bin gerne, wenn auch unregelmäßig, bei den Spielen meines Herzensvereins in der Bundesliga der Frauen.
Auch wenn die stetig wachsende Professionalität der Ausbildung der Spielerinnen erfreulich ist und dadurch die Attraktivität der Spiele deutlich zugelegt hat, hoffe ich, dass der Fußball der Frauen vom großen Geld und Marketing der Männer noch lange verschont bleibt. Ich fürchte nur, dass das ein fußballromantischer Traum ist.
@news Interessanter Bericht und tolles Interview! Beim Fußball der Frauen ist noch Vieles "wie früher". Und das ist wirklich schön für Fußballromantiker*innen.