Türchen 24: Die völlig ernst gemeinte Halbjahresvorschau
Zum Abschluss haben wir euch nach all den Sachgeschichten auch was zum Lachen eingepackt und wünschen euch damit sehr viel Spaß! Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen, die fleißig den Kalender gelesen, kommentiert, geteilt oder unsere Arbeit finanziell unterstützt haben. Wie genau das geht, könnt ihr hier nachlesen. Wir wünschen euch allen sehr herzlich eine schöne, erholsame Zeit und einen guten Rutsch ins Jahr 2025.
Januar
Freiburg. Eigentlich soll nach fast fünf Monaten endlich die Partie vom 1. Spieltag der Bundesliga-Saison zwischen Freiburgerinnen und Leverkusenerinnen nachgeholt werden. Statt Einsprüchen Leverkusens und zähen Sportgerichtsverhandlungen macht dieses Mal das Wetter einen Strich durch die Rechnung: Zu viel Schnee!
Ulm. Dennis Ungustl-Thekengünther (28) stellt mit großem Erschrecken fest, dass er im vergangenen Jahr mehr Streams von fußballspielenden Frauen geschaut hat, um im begleitenden Chat zu schreiben, „dass das hier doch kein Schwein interessiert!!11“, als dass er Männerfußball geguckt hat. Außerdem fällt ihm auf, dass er dabei aus Versehen ein bisschen Halbwissen zum Fußball der Frauen angesammelt hat. Irgendwo im ARD-Fernsehrat schrillt ein Alarm und Dennis Ungustl-Thekengünther wird zum Kommentator für die EM in der Schweiz gemacht – schließlich muss man dem ttt-Profil aus Sexismus und Inkompetenz treu bleiben.
Februar
London. Nachdem die mehrmonatige Interimstrainerin Renée Slegers mit Arsenal auch gegen Chelsea und Manchester City gewonnen hat, wird es endgültig ungemütlich: ein „Slegers in!“-Graffiti wird am Emirates gesichtet und fünf weitere Spielerinnen sagen, wie glücklich sie mit ihr als Trainerin sind, vergessen dabei sogar gänzlich die Diplomatie à la „zum Glück muss ich diese Entscheidung nicht treffen“.
Eine britische WoSo-Online-Plattform fragt: „Ist das schon toxische Positivität?“ Aus Vereinskreisen heißt es, man müsse lieber nochmal abwarten und: „Eigentlich möchte unsere de-facto Cheftrainerin gar keine Cheftrainerin sein, obwohl sie seit Monaten unsere Cheftrainerin ist!“
Freiburg. Beim nächsten Versuch, das Spiel gegen Leverkusen vom 1. Spieltag nachzuholen, öffnet sich über der Dreisam ein Wurmloch, im Stadion ist das Raum-Zeit-Kontinuum gestört, es läuft immer wieder die 88. Spielminute und schon wieder gibt es einen Elfmeter. Die Europäische Weltraumorganisation nimmt sich der Sache an.
März
Frankfurt. Irgendwann in diesem Jahr steht der nächste DFB-Bundestag an. Ende 2024 ließ man die ‚Kompetenz- und Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt‘ auslaufen. Bei der Vergabe der WM an Saudi-Arabien wurde ein fragwürdiges Verständnis von (zugegeben pseudo-) demokratischen Prozessen offenbart (wir erinnern uns an dieses Bernd-Neuendorf-Zitat: „Warum soll ich einer En-bloc-Abstimmung nicht zustimmen, wenn das Ergebnis feststeht?“).
Da ist der Weg zurück in den Feudalismus auch nicht mehr weit, dementsprechend findet ein Antrag auf das Ausrufen des „Deutschen Fußballkönigreiches“ zunächst gar nicht mal so wenig Anklang. Allerdings möchte dann niemand Hofnarr werden, komisch.
Freiburg. Die Europäische Weltraumorganisation kommt in Zusammenarbeit mit einer Physikerin der Universität Heidelberg zu dem Schluss, dass nur ein kurzzeitiges lokales Aussetzen der physikalischen Gesetze das Wurmloch über der Dreisam wieder schließen kann – und die Spielerinnen von Freiburg und Leverkusen aus dem Time-Loop entlässt.
Während Christopher Nolan noch an einem überkomplizierten Drehbuch schreibt, in dem trotz der realen Vorlage irgendwie nur Männer mitspielen, sind die Fans des SC sich sicher: Ein Zwirbel-Schuss von Fußballmagierin Hasret Kayıkçı would do the trick. Zum Glück ist die ehemalige Nationalspielerin mit ihrer Reha weit genug für einen Chipball über den Fluss. Das Raum-Zeit-Kontinuum ist wieder hergestellt, Kristin Kögels Elfmeterschuss kommt aufs Tor, Rafaela Borggräfe hält und Freiburg gewinnt mit 3:2.
April
Paris. Die Strategie, dass sich eine Torhüterin auf Signal ihrer Mitspielerin oder gar Trainer*in auf den Boden pflanzt, um den anderen die Möglichkeit zur taktischen Besprechung zu geben, findet immer mehr Nachahmerinnen. Regelanpassungen lassen auf sich warten. Schneller sind andere: Dem Trend der neumodischen Kleinfeldturniere folgend gründen mehrere Torhüterinnen aus verschiedenen Ländern die Planter League.
Gespielt wird in Paris, London und München mit fliegender Torhüterin, die Keeperin des Teams, das in Führung geht, darf ihr Tor nur noch im Sitzen verteidigen. Durch die Prämien für die Partien sind diese bei den Spielerinnen beliebt. Ein Bundesligatrainer, dem die Torhüterinnen ausgehen, beschwert sich öffentlich über die „Klappstuhl-Liga“. Die UEFA überlegt, die Ideen der Planter League bei der EM zu testen.
Mai
Köln/Lissabon/Hamburg. Im Monat der Vereinsfußball-Entscheidungen holt Wolfsburg schon wieder den Pokal, ein Tor von Lena Oberdorf für Bayern München ist nicht genug, um diese Serie zu brechen. In der Liga triumphiert Eintracht Frankfurt vor den Münchenerinnen, Leverkusen auf dem dritten Platz schafft es erstmal in die Qualifikation für die Champions League.
Dort treffen im Finale von Lissabon der FC Barcelona und Chelsea aufeinander und Sonia Bompastor gelingt mit ihrem Team mit sehr viel Dusel, was Emma Hayes nie geschafft hat, denn in der fünften Minute der Nachspielzeit holt Lucy Bronze gegen ihren ehemaligen Verein einen Freistoß heraus, der vom Innenpfosten noch über die Linie rollt.
Während die Männer des HSV den Aufstieg auf dem vierten Platz mal wieder verpassen, sind die Frauen mit ihrem vierten Platz sehr glücklich. Denn weil Frankfurt II vor ihnen nicht aufsteigen darf, geht es hoch in die erste Liga.
Juni
Bielefeld. Während der Vorbereitungsspiele auf die EM soll Dennis Ungustl-Thekengünther eigentlich seinen ersten Einsatz als Kommentator in der ARD haben. Allerdings bleibt er bei dem Versuch, vor laufender Kamera die von der UEFA diskutierte Klappstuhlregelung für Torhüterinnen vorzuführen, ungünstig hängen und wird für mehrere Monate krankgeschrieben.
Nyon. Spielerinnen verschiedener EM-Länder protestieren gegen die Ideen der UEFA, sie wollen kein Turnier mit Klappstühlen spielen. Ein männlicher Fußballer, der dazu befragt wird, sagt, er fände „Campingstühle eigentlich ganz geil“, aber ansonsten sei ihm das Thema „jetzt echt zu schwer und politisch“. Letztendlich verwirft die UEFA die Idee aus Kostengründen. „Bei unserem Reformpaket für den Frauenfußball haben wir nicht mit einkalkuliert, wie teuer Klappstühle in der Schweiz sind“, sagt ein Verbandssprecher.
Juli
Zürich/Basel. Die Gastgeberinnen erreichen in ihrer Gruppe den zweiten Platz und werden dabei vom Heimpublikum fantastisch unterstützt. Direkt im Viertelfinale ist dann aber Schluss, wenn auch anders als erwartet. Denn die Spanierinnen, die als Erste der Gruppe B erwartet wurden, streiken.
Grund ist, dass Trainerin Montse Tomé nach wie vor einige der Spielerinnen nicht berücksichtigt hat, die in der Netflix-Doku zur Causa Luis Rubiales gesprochen haben. Nach all den Jahren von mehr als nur Vorleistung haben die Spielerinnen genug. So trifft die Schweiz auf die Italienerinnen und muss sich geschlagen geben, viele Fans der Azzurre reisen aus dem Nachbarland an.
In der Todesgruppe D mauert sich Neuling Wales gegen England, Frankreich und die Niederlande zu drei Unentschieden und schafft es damit tatsächlich auf dem zweiten Platz aus der Gruppe. Im Freudentaumel klettert Jess Fishlock mal wieder eine Tribüne hoch, später wird eine Schweizer Seilbahn nach ihr benannt.
Ähnlich wie damals bei den Oranje Leeuwinnen kommt Englands Nationaltrainerin Sarina Wiegman nach dem EM-Erfolg 2022 mit ihrem Team nicht wieder so richtig in den Flow. Auch deswegen gelingt Deutschland im Viertelfinale geradeso die Revanche unter Turnierbedingungen.
Das DFB-Team schafft es sogar ins Finale und trifft dort wie schon in der Gruppe auf Schweden – ein echter Klassiker also. In Ermangelung einer Golden-Goal-Regel geht das Spiel bis ins Elfmeterschießen, Ann-Katrin Berger muss vorher wegen einer Zerrung ausgewechselt werden. Aber die DFB-Frauen haben gleich zwei Asse im Ärmel: Christian Wück bringt Rafaela Borggräfe fürs Tor und als Schützin Kristin Kögel, schließlich haben beide das gegeneinander während der Wurmloch-Anomalie hunderte Male geübt.
Beitragsbild: IMAGO/Noah Wedel
Habe mich köstlich amüsiert.