Türchen 21: Analyse der Spielerinnen-Belastung durch die FIFPRO
Die FIFPRO hat zum vierten Mal ihren Analysebericht der Belastung von Fußballerinnen veröffentlicht, der dicht gepackt ist mit Informationen und Statistiken. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse? Und was bedeutet der Bericht aus Perspektive der Bundesliga? Betrachtet wurde die Saison 2023/24 inklusive des Olympischen Fußballturniers.
Stark belastete Spielerinnen unter Dauerdruck
Es ist schon lange bekannt, dass es eine Diskrepanz zwischen den hoch belasteten Vielspielerinnen und unterbelasteten Spielerinnen gibt. Die FIFPRO nennt das eine ungleiche Verteilung von „Spielmöglichkeiten“: Nationalspielerinnen, die mit ihren Vereinen an internationalen Wettbewerben teilnehmen und auch noch in größeren Ligen spielen sind in der Regel hoch belastet, während Spielerinnen, die nur in nationalen Ligen und vielleicht noch Pokalwettbewerben in kleineren Ligen spielen, unterbelastet sind.
Die hochbelasteten Spielerinnen sind in allen Wettbewerben sehr gefragt und werden durch den Spielplan besonders unter Druck gesetzt. Mariona Caldentey absolvierte in der vergangenen Saison 64 Spiele und damit die meisten aller Fußballerinnen, sie machte außerdem mit 44 Einsätzen auch die meisten Spiele in der Rückrunde der Saison.
Auf Platz zwei lieg Real Madrids Athenea del Castillo mit 61 Spielen insgesamt und ebenfalls 44 Einsätzen in der Rückrunde. Generell spielten vier von den fünf Spielerinnen, die in der vergangenen Saison die meisten Spiele und Einsätze absolviert haben, in Spanien.
Ähnliches sieht man auch innerhalb von Ligen wie der Bundesliga: Bayern Münchens Glódís Perla Viggósdóttir machte auch ohne Teilnahme Islands an den Olympischen Spielen in der vergangenen Saison 49 Spiele mit 4.347 Spielminuten. Demgegenüber kam die SGS Essen 2023/24 bis ins Pokalhalbfinale und Jacqueline Meißner stand immer auf dem Platz, kommt aber trotzdem nur auf 26 Spiele à 2.327 Minuten. Diese Diskrepanz war einer der Gründe dafür, warum sich beim Thema Liga-Erweiterung zunächst nicht alle einig waren.
Diese extrem belasteten Spielerinnen machen am internationalen Gesamt-Pool der Spielerinnen einen verhältnismäßig kleinen Anteil aus und schon zwischen ihnen gibt es in der Top 15 zum Teil eklatante Unterschiede, zumal unterschieden werden muss zwischen den Spielerinnen mit den meisten Einsätzen und denen mit den meisten Minuten. Das deckt sich nicht immer und ist zum Teil positionsbedingt.
AS Roms Innenverteidigerin Moeka Minami kam nur auf 52 Einsätze, spielte aber immer durch und hat deswegen mit 5.029 die meisten Spielminuten gesammelt. Im Gegensatz dazu war die Australierin Hayley Raso mit ebenfalls 52 Einsätzen häufig nur Joker und kam auf 2.690 Minuten.
Die meisten Spielerinnen sind unterbelastet
Der größte Teil der Spielerinnen ist allerdings unterbelastet, weil sie nicht genug Spielzeit haben können. Die FIFPRO bezeichnet Unterbelastung als „ein übersehenes, aber weit verbreitetes Problem im Fußball der Frauen“, die Gewerkschaft wie bereits in vergangenen Ausgaben des Reports darauf hin.
Die FIFPRO trackt mit der Women’s Player Workload Monitoring Platform, wie oft Spielerinnen auf der ganzen Welt eingesetzt wurden. Laut diesem Tool kamen Spielerinnen in den Ligen in den USA, Brasiliens, Kolumbiens, Japans, Südkoreas und Schwedens im Durchschnitt nur auf 33 Einsätze. Selbst wenn Unterbrechungen wie z.B. die Winterpause in Deutschland berücksichtigt werden, bedeutet dies weniger als ein Spiel pro Woche während der gesamten Saison.
Ungleiches Wachstum
Hauptursachen für die große Diskrepanz zwischen den hochbelasteten Spielerinnen und der unterbelasteten Mehrheit auf der Welt sind unausgewogene Spielpläne und dass das Wachstum des Fußballs der Frauen nicht überall in der gleichen Geschwindigkeit und Professionalität vorangetrieben wird.
Einige Ligen und Kontinentalverbände wie die UEFA und Concacaf haben die bestehenden Wettbewerbe bereits ausgebaut oder sind gerade dabei und schaffen auch neue Wettbewerbe. Dazu zählt zum Beispiel die geplante Erweiterung der Bundesliga und anderer Ligen oder auch der angekündigte UEFA Women’s Europa Cup. Aber nicht alle Konföderationen und Ligen beteiligen sich an diesem Ausbau, wodurch die Schere immer weiter auseinander geht.
Durch die Ausweitung und Entwicklung von Wettbewerben in manchen Teilen der Welt steigt zudem die Anzahl der Reisen. Laut dem Report verbrachten einige internationale Fußballerinnen mehr als sieben Tage (über zwei Prozent) ihres Jahres mit Flügen zu Spielen. Ganz vorne: Die Australierin Hayley Raso, sie legte in der vergangenen Saison 147.498 Kilometer zurück, was 190 Stunden an internationalen Reisen entspricht. Chelseas kanadische Verteidigerin Ashley Lawrence unternahm in der vergangenen Saison 31 Auslandsreisen, was 151 Stunden Reisezeit entsprach.
Die FIFPRO hat außerdem in einer Zukunfts-Projektion anhand der (zum Zeitpunkt der Auswertung bekannten) Änderungen auf die Belastung der Spielerinnen vorgenommen. Deutlich dabei wird vor allem, dass es die internationalen Spiele sind, die die Belastung für die bereits hochbelasteten Spielerinnen in die Höhe schrauben. Bei einigen Spielerinnen-Profilen wird durch neu entstehende Wettbewerbe diese Belastung in Zukunft weiter steigen, während sich für die unterbelasteten Spielerinnen nichts ändert. Daran wird deutlich, dass es keine Lösung sein kann, immer weitere Wettbewerbe zu schaffen, an denen dann wieder dieselben Teams und Spielerinnen teilnehmen, die sowieso schon viel spielen.
Wettbewerbsungleichgewicht innerhalb einiger Ligen
Ein weiterer Aspekt des Berichts ist die Untersuchung des Wettbewerbsgleichgewichts verschiedener Ligen und in Teilen der UEFA Women’s Champions League anhand verschiedener Metriken. Wie ausgeglichen und damit unberechenbar und spannend ein Wettbewerb ist, entscheidet mit darüber, wie qualitativ hochwertig und attraktiv dieser ist.
Das hat zum einen Effekte darauf, wie wertvoll Spielzeit innerhalb dieser Wettbewerbe für die Weiterentwicklung von Spielerinnen ist (werden sie kontinuierlich gefordert oder in manchen Partien quasi gar nicht?). Und natürlich geht es auch um die Attraktivität für Zuschauer*innen und somit auch mögliches wirtschaftliches Wachstum.
Von den im Bericht verglichenen Wettbewerben ist die UEFA Women’s Champions League der mit den meisten Siegen mit einem Vorsprung von vier oder mehr Toren pro zehn gespielter Partien. Von der Reform des Wettbewerbs in der kommenden Saison zu einem Ligensystem erhofft sich die UEFA u.a., dass sich das verbessert. Die NWSL ist hingegen am ausgeglichensten, das lässt sich mit dem System ohne Auf- und Absteigerinnen und er Art der Geldverteilung erklären.
Die Bundesliga kommt bei den verschiedenen Auswertungen in diesem Themenblock durchschnittlich bis schlecht weg, zeigt allerdings mit der letzten Saison eine leichte Verbesserung. Angesichts der aktuellen Übergangssaison und der Erweiterung muss man abwarten, ob das wirklich eine langfristige Entwicklung ist, oder der Trend erstmal wieder zurück zu größerer Unausgewogenheit innerhalb der Liga geht.
Die Punktedifferenz zwischen dem ersten und dem letzten Platz (angegeben als rollierender 3-Saison-Durchschnitt) über 10 Saisons ist in Deutschland von den ausgewerteten Ligen am größten. Es gibt zudem gemeinsam mit Frankreich die wenigsten Vereine, die es in den letzten zehn Jahren in die Top-2 geschafft haben (nämlich, Überraschung, Bayern und Wolfsburg).
Und jetzt?
Natürlich verbindet eine Organisation wie die FIFPRO eine solche Auswertung auch mit Forderungen. Da die Ausweitung des internationalen Spielkalenders die Schere nur vergrößert, geht es vor allem um den Ausbau der nationalen Wettbewerbe, als mehr „Spielmöglichkeiten“ als Basis für alle innerhalb einer Liga.
Das geht Hand in Hand damit, dass es neben mehr Investment auch Verbesserungen bei den standardisierten Kriterien braucht, um an diesen Wettbewerben teilnehmen zu können. Lizenzbedingen also, die dafür sorgen sollen, dass die Bedingungen möglichst auf einem Level sind und damit auch das sportliche Niveau innerhalb einer Liga. Dazu zählt die FIFPRO auch Tarifvereinbarungen, also Mindestgehälter oder auch Prämien.
Neu geschaffene und erweiterte Wettbewerbe müssen hochbelasteten Spielerinnen die Möglichkeit für echte Ruhepausen und Regeneration bieten und dabei die Reisestrapazen viel mehr miteinbeziehen als bisher.
Quelle: FIFPRO Player Workload Monitoring Women’s Report 2024.
Beitragsbild: IMAGO/NurPhoto