MLS-Schiedsrichterassistentin Kathryn Nesbitt ist groß bis zur Hüfte im Bild. Sie hat einen ernsten Gesichtsausdruck und hält die rechte Hand ausgestreckt Richtung Betrachter*in als wolle sie sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Credit: IMAGO / Agencia-MexSport

Türchen 12: Wenn die Schiris streiken

Hinter dem heutigen Türchen unseres Adventskalenders erinnern wir an den Streik der Schiedsrichter*innen in der MLS vom Anfang des Jahres 2024.

Habt ihr Anfang 2024 mitbekommen, dass die Schiedsrichter*innen der Major League Soccer (MLS) in den Streik traten? Trotz ausbleibender Einigung gingen die Spiele weiter, allerdings mit Ersatzschiris – deren Leistung für ordentlich Diskussionen sorgte.

Die MLS, die höchste Liga im amerikanischen Männerfußball, genießt seit Jahren wachsende Beliebtheit und Gewinne. Auch ihre hauptberuflich angestellten Schiedsrichter*innen profitieren davon – zumindest auf dem Papier. Doch als der bestehende Vertrag am 15. Januar 2024 auslief, war das Angebot der Professional Referees Organization (PRO) zu niedrig, gemessen an den Gewinnsteigerungen der Liga. Zudem wurde bekannt, dass PRO versucht hatte, Einzelverhandlungen ohne Gewerkschaftsvertreter*innen zu führen – ein klarer Verstoß gegen das Arbeitsrecht.

Die Antwort der Professional Soccer Referees Association (PSRA) folgte prompt: Streik! Die Gewerkschaft stimmte einstimmig dafür, die Arbeit niederzulegen, und reichte eine Beschwerde beim National Labor Relations Board ein. Der Ligabetrieb blieb zunächst unberührt, da die Saison erst am 21. Februar starten sollte. Kurz vor Beginn gab es Hoffnung: Eine vorläufige Einigung wurde verkündet. Doch noch am selben Tag warnte die PSRA, dass die Mitglieder dem Vorschlag nicht zustimmen würden. Und so kam es: 95,8 Prozent der PSRA-Mitglieder lehnten ab.

Die PRO reagierte mit einer Eskalation – sie schloss die Schiedsrichter*innen aus und setzte Ersatzkräfte ein. Diese stammten teils aus niedrigeren US-Ligen, teils aus internationalen Teams. Selbst PRO-Geschäftsführer Mark Geiger stellte sich an die Seitenlinie. Doch die Ergebnisse waren nicht überzeugend: Diskussionen über Fehlentscheidungen häuften sich, was der PSRA in die Karten spielte. Ihre Botschaft war klar: Unsere Arbeit ist hochwertig und verdient bessere Bezahlung.

Trotz der Spannungen führte der Druck schließlich zur Lösung. Am 25. März 2024, in der Heiligen Woche vor Ostern, kam es zur Einigung: Die Schiedsrichter*innen erhielten 68 Prozent mehr Gehalt, die Assistent*innen sogar 88 Prozent. Zu Ostern standen die regulären Offiziellen wieder auf dem Platz.

Titelbild: IMAGO / Agencia-MexSport

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Petra Tabarelli ist Fußballhistorikerin und -journalistin. Die Spezialistin für die Entwicklung der Fußballregeln schreibt für die DFB-Schiedsrichter-Zeitung, ist als Expertin im Deutschlandfunk zu hören und hat als Beraterin fürs IFAB gearbeitet. Tabarelli ist Mitglied des prämierten Kollektivs „FRÜF“ und setzt sich in der web.de-Kolumne für eine stärkere Präsenz und Förderung von Schiedsrichterinnen im Fußball der Männer ein. 2023 wurde sie zum Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur ernannt. Zudem hat die Expertin die erste Biografie über den zu Lebzeiten sehr bekannten Simon Rosenberger geschrieben, einen jüdischen Fußball-Pionier und Begründer der DFB-Schiedsrichter-Zeitung, der zuvor aus der Geschichte getilgt worden war.

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