Temwa Chawinga steht im roten Trikot von Kansas an der Bande und gibt mehreren Kindern grinsend Autogramme.

Türchen 7: Temwa Chaŵinga – internationale Anerkennung

Türchen – oder sollten wir besser Tor sagen? – Nummer sieben gilt Temwa Chaŵinga, die in den USA gleich mehrere Rekorde gebrochen hat.

Die 26-jährige Stürmerin aus Malawi war bisher international etwas weniger bekannt als ihre ältere Schwester Tabitha Chaŵinga, die aktuell für Olympique Lyon spielt. Beide gingen in ihrer Karriere einen ähnlichen Weg und spielten zum Teil für dieselben Vereine, aber nicht immer zur selben Zeit.

So wechselten beide in ihren jeweiligen Anfangsjahren aus Malawi zunächst nach Schweden und schließlich China, wo sie eine Zeit lang beide für den Wuhan Jianghan University Football Club aufliefen, ehe sich die Wege wieder trennten: Die inzwischen 28-jährige Tabitha ließ sich ab 2022 mehrfach zu europäischen Vereinen wie Inter und PSG ausleihen, ehe sie in diesem Sommer fest zu Lyon wechselte. Temwa wechselte im Januar 2024 nach vier Jahren in China fest zu Kansas City Current in die NWSL.

Tabitha Chawinga von Olympique Lyon am Ball kurz vorm Schuss, Roms Moeka Minami setzt zur Grätsche an, um den Schuss zu blocken.
Tabitha Chawinga von Olympique Lyon am Ball, Roms Moeka Minami setzt zur Grätsche an. Szene während des Spiels der UEFA Women’s Champions League zwischen der AS Rom und Lyon im Tre Fontane Stadion am 13. November 2024. Foto: IMAGO/Emmefoto

Beide sind Angreiferinnen und gelten unter internationalen Expert*innen schon länger als Top-Stürmerinnen, weil sie geradezu fabelhafte Statistiken produzieren, wenn auch in der Anfangszeit noch in kleineren Ligen. Tabitha kam in der letzten Saison für PSG in wettbewerbsübergreifend 26 Partien auf 25 Tore und 12 Vorlagen, ein Fünftel ihrer Tore machte sie in der Champions League. Für Lyon steht sie vor dem Spieltag an diesem Wochenende bei wettbewerbsübergreifend fünf Toren und vier Vorlagen in 11 Spielen.

Temwa Chaŵinga machte in der 2. Schwedischen Liga im Jahr 2019 alle 73 Minuten ein Tor, sie traf in 26 Spielen 32-mal. Im Jahr 2023 wurde sie laut der IFFHS (International Federation of Football History & Statistics) die Fußballerin mit den weltweit meisten Toren im Kalenderjahr für Wuhan und Malawi mit insgesamt 63 Toren. In der NWSL bei Kansas City Current ging es dann erfolgreich weiter. In der abgelaufenen Saison erzielte sie in der regulären Saison in 25 Spielen 20 Tore und kam auf sechs Vorlagen, in den Playoffs kam ein weiterer Treffer hinzu.

Sie brach damit Sam Kerrs NWSL-Torrekord aus dem Jahr 2019 und war die erste Spielerin in der Geschichte der Liga, die in einer einzigen Saison gegen jedes Team ein Tor erzielte. Chaŵinga wurde folglich Torschützenkönigin der Liga und zur MVP des Jahres 2024 gewählt.

Die verschiedenen internationalen Preisverleihungen sind mit ihrer Anerkennung noch etwas hinterher. Tabitha landete z.B. beim Ballon d’Or immerhin auf dem 16. Platz, Temwa tauchte auf der Liste gar nicht auf. Ähnlich bei den Nominierungen für die FIFA Best Awards: Tabitha ist nominiert, Temwa nicht.

Aktuell ist unter anderem daraus die alljährliche Debatte zwischen europäischen und US-Fans des Fußballs der Frauen entsprungen, ob die NWSL und Spielerinnen in der Liga genug geschätzt werden oder nicht (mit dem Anhängsel, alle einmal im Refrain: „Welche Liga ist die beste der Welt?“). Das kann man sicher diskutieren, zumal alleine schon historisch gewachsen der US-Fußball in der Kategorie weiblich eine ganz andere Rolle spielt als in der Kategorie männlich.

Temwa Chawinga mitten in der Schussbewegung mit ausgestrecktem Bein, der Ball steht vor ihr in der Luft, ihr Ausdruck ist entschlossen nach vorn gerichtet, durch ihre eigene Wucht steht sie ein paar Zentimenter über dem Rasen in der Luft.
Kansas City Currents Stürmerin Temwa Chawinga beim Torschuss gegen North Carolina Courage im CPKC-Stadion in Kansas City, am 9. November 2024. Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Aber es ist ein bisschen schräg, wenn das Ganze dann nicht noch weitergedacht wird. Denn dass nur über die USA und Europa und auch dort nur über ganz bestimmte Teile von Europa diskutiert wird, ist das eigentliche Problem. Warum müssen sich Spielerinnen wie die Chaŵinga-Schwestern oder auch eine Barbra Banda und Racheal Kundananji eigentlich erst mehrfach in Europa oder den USA beweisen, bevor sie so richtig ernst genommen werden, bekommen dann trotzdem erstmal das Etikett „One-Hit-Wonder“ verpasst oder werden, wie bei Schwarzen Athlet*innen üblich, rassistisch auf ihre Physis reduziert?

Beitragsbild: Imagn Images

Written by 

Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert