Türchen 4: Die Nutrias und Proteste gegen Montagsspiele
Hinter Adventskalender-Türchen Nummer vier stecken possierliche Pelztiere und Protest.
Interview mit der Nutria Bande und Fotos von Protesten gegen Montagsspiele von Fans mehrerer Vereine.
Montag, den 4. November am FC Bayern Campus: Eintracht Frankfurt ist beim FC Bayern zu Gast und somit auch die Fangruppierung „Nutria Bande“. In der ersten Hälfte des Spiels wird ein Banner hochgehalten mit „Lohnarbeit, Montagsspiele – Eins muss weg“. Die Nutria Bande ist eine von vielen Gruppen, die seit der Einführung der Montagsspiele dagegen protestieren.
Im Interview erzählen die Nutrias von ihrem Protest und welche Erfahrungen sie bisher damit gemacht haben. Am Ende des Artikels findet ihr außerdem weitere Aktionen anderer Fangruppierungen, weil der Protest gegen die Montagsspiele existiert, aber zu wenig Öffentlichkeit bekommt.
Die Nutrias
Die Nutria Bande ist seit 2018 aktiv, damals noch beim 1. FFC Frankfurt. Der Name kommt vom gleichnamigen Tier, welches sein zu Hause im benachbarten Brentanopark hat. Die Nutria Bande hat sich mit dem „Fokus gegründet, den FFC und den Frauenfußball zu supporten, FLINTA-Personen beim Fußball einen Raum zu geben und politische Themen ins Stadion zu bringen.“
Sie beschreiben sich selbst als eine feministische und antifaschistische Bande, die explizit links ist: „Jegliche Formen von Diskriminierung haben bei uns nichts verloren – das bezieht sich nicht nur auf den Umgang unter den Fans, sondern auch den mit den gegnerischen Teams.“
Teil ihres Selbstverständnisses ist aber auch, die aktuellen Entwicklungen im Fußball der Frauen kritisch zu begleiten. Das betrifft nicht nur die Montagsspiele: „Wir lehnen die aktuelle Jagd nach Zuschauer*innenrekorden um jeden Preis ebenso ab wie die Kommerzialisierung des Frauenfußballs. Wir bedauern, dass der FFC als eigenständiger Verein verschwunden ist. Wir kritisieren die Überkommerzialisierung unseres Sports und Fan-unfreundliche Entscheidungen wie z.B. Anstoßzeiten und Montagsspiele. Vor allem Personen, die an anderen Orten nicht den Raum dafür bekommen, sind bei uns herzlich eingeladen, Lieder anzustimmen oder uns ihre Wünsche mitzuteilen. Grrrls, queere, nichtbinäre und trans Menschen haben ein Anrecht auf die erste Reihe.“
Montagsspiele = Fan-unfreundlich
Es gab Zeiten in der Bundesliga, da war das Wochenende planbar: Anstoß Sonntag, 11 Uhr oder 14 Uhr. Aber nach und nach wurden die Spieltage ausgeweitet und mittlerweile ist die Möglichkeit ein Spiel des eigenen Teams zu sehen eher Glückssache: von Freitag- bis Montagabend ist jede Partie eines Spieltages einzeln angesetzt, die genauen Termine werden in kleineren Blöcken häufig erst rund einen Monat vor der ersten betroffenen Partie bekannt gegeben, manchmal sogar noch kurzfristiger. Zum Vergleich: die DFL terminiert die 1. und 2. Bundesliga der Männer mitten in der Saison, zum Teil auch erst einen Monat vor der ersten betroffenen Partie, aber die Blöcke sind viel größer und umfassen sehr viel mehr Spieltage.
Der DFB erklärt das Entstehen der Ansetzungen der 1. Bundesliga der Frauen damit, dass neben der UEFA Women’s Champions League auch die 1. und 2. Bundesliga sowie der 3. Liga der Männer zu beachten sind: „Mit den Planungen für die Google Pixel Frauen-Bundesliga kann erst begonnen werden, wenn die Spielpläne der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga der Männer sowie die Ansetzungen der UWCL erschienen sind. Beispielsweise teilt sich die SGS Essen ihre Spielstätte mit der Männermannschaft Rot-Weiss Essen, zudem sind an vielen Standorten Spiele der Männer und Frauen am gleichen Tag aus organisatorischen und sicherheitsrelevanten Gründen ausgeschlossen.“
Interview Nutria Bande
Liebe Nutrias, was hat sich für euch als Fans durch die Einführung der Montagsspiele 2023 verändert?
Montagsspiele bedeuten für uns, dass weniger Menschen ins Stadion kommen können. Vor allem auswärts fahren bedeutet immer Urlaub nehmen oder anderweitig flexibel sein zu können, sonst kann man nicht zum Spiel.
Eigentlich alle unsere Urlaubstage gehen seit Einführung der Montagsspiele für den Fußball drauf und wenn das nicht ausreicht, müssen Schichten getauscht oder krank gemacht werden. Wir merken deutlich, dass dadurch weniger Menschen zu den Spielen kommen. Vor allem die weiten Auswärtsfahrten fallen gerne auf Montagabend. Wenn wir dann erst mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden zurückkommen, ist die Lohnarbeit am nächsten Tag auch nicht drin.
Weniger Fans bedeutet auch weniger Stimmung, im Zweifel auch weniger Regenerationszeit für die Spielerinnen. Im Stadion und im TV sind die Spiele dadurch weniger attraktiv und damit ist das eigentlich eine Schwächung, keine Stärkung des Frauenfußballs. Unserer Meinung nach findet Fußballkultur in erster Linie im Stadion statt und sollte dort immer eine höhere Priorität haben als in einer Fernsehübertragung.
Was entgegnet ihr dem Argument, dass der Fußball der Frauen die Fernsehgelder dringender als der Männerfußball braucht und von daher die Montagsspiele berechtigt sind?
Fans im Stadion sind wichtiger als vorm Fernseher. Weniger Zuschauer*innen [im Stadion] machen den Fußball der Frauen wieder unattraktiver. Dann müssen die Spielzeiten am Wochenende anders aufgeteilt werden, den Männern mal etwas von ihrer Prio genommen werden. Evtl. muss auch das Konzept der Fernsehgelder einfach noch mal anders gedacht werden. Wir brauchen eher regelmäßige und aktive Stadionbesucher*innen als Leute, die sich hin und wieder Mal Frauenfußball im Fernsehen anschauen, weil sonst nichts läuft.
Welche Protestformen wählt ihr und warum?
Tapeten oder Banner und zusätzlich positionieren wir uns über unseren Instagram-Account oder in unserem Fanzine, der Nutriabotin. Wir haben ein festes Banner (Garfield mit „I hate Mondays“, siehe Foto oben), was wir zu Montagsspielen, aber auch so mal im Brentano oder auswärts aufhängen. Und konkret bei einem Montagsspiel dann noch mal eine passende Tapete, so hatten wir z. B. eine mit „Montagsspiele oder Lohnarbeit – eins muss weg“ oder auch „Montagi sterbi“ im Stil des sad hamster meme. Zur Einführung der Montagsspiele 2023 und dem Start unserer Proteste gab es die Tapete ‚Ob bei Männern oder Frauen wollen sie den Montag klauen‘.
Welche von euren Aktionen findet ihr besonders gut?
Unsere Tapeten sind kreativ und bringen dadurch schnell viel Aufmerksamkeit, auch bei Zuschauer*innen im Stadion, die wir sonst mit unserer Kritik nicht erreichen würden. Dass wir in unserer Liga überhaupt Montagsspiele haben, ist vielen (externen) Fans gar nicht so bewusst.
Wie ist das Feedback von anderen Fans oder auch vom Verein?
In München haben wir zum ersten Mal mit gegnerischen Fans gemeinsam protestiert und „Scheiß Montagsspiele“ im Wechselgesang gesungen. Auch der Fanclub der Eintracht Frauen (Adlerträgerinnen) hatte beim letzten Montagsspiel eine große Blockfahne gegen Montagsspiele dabei. Vom Verein gibt es zum Protest kein Feedback, da wird sich aus Gründen überhaupt nicht diesbezüglich positioniert. Im Stadion kommt es schon häufiger vor, dass wir nach Aktionen darauf angesprochen werden und Zustimmung bekommen. Auch von Fans des Männerfußballs bekommen wir öfter Zuspruch. Die Fanstrukturen sind bei uns ganz anders als im Männerfußball und dementsprechend auch die Proteste oder die Wirkung dessen gar nicht so wahrnehmbar.
Was würdet ihr euch hier von eurem Verein wünschen?
In den Besprechungen, in denen der Verband mit Vereinen und Fernsehunternehmen die Anstoßzeiten aushandelt, sich jederzeit für Spielzeiten am Samstag und Sonntag einzusetzen. Außerdem könnte er sich auch nach außen dafür positionieren.
Was würdet ihr vom DFB hier zukünftig erwarten?
Auf nachhaltiges Wachstum warten und sich vor allem auf das Stadionerlebnis und die Forderungen der Fans vor Ort fokussieren. Wirklich aktive Fans im Frauenfußball sind sehr rar, hier soll es nicht um die Kohle gehen, sondern darum, die paar wenigen nicht auch noch zu verlieren wegen solcher Fan-feindlicher Maßnahmen.
Wie wollt ihr in Zukunft mit dem Thema Montagsspiele umgehen?
Solange es Montagsspiele gibt, werden wir auch dagegen protestieren. Unsere Mittel sind noch lange nicht ausgeschöpft und wir bleiben am Ball. Wir begrüßen auch die Entwicklung, dass immer mehr Fanclubs der Liga eigene Proteste auf verschiedenen Ebenen starten und auf das Thema aufmerksam machen.
Danke euch!
Protestaktionen aus Bremen, Freiburg, Köln und Jena
Wie angekündigt ist die Nutria Bande nicht allein mit ihrem Protest. Die folgenden Banner gab es in Bremen, Freiburg, Köln und Jena zu sehen. Danke an alle, die uns auf Anfrage Fotos zur Nutzung geschickt haben!
Die Nutrias haben es im Interview bereits erwähnt, Montagsspiele haben auch für die Spielerinnen Konsequenzen.
Andreas Haase, Fan-Betreuer von Carl Zeiss Jena, und Fotograf des Bildes hat folgende Szene berichtet: „Selbst als Heimspiel ist Montagabend für Arbeitnehmer oder Eltern eine äußerst ungünstige Zeit. Im Anschluss unseres Essen-Spiels habe ich ein Interview des MDR mit einer Essener Spielerin verfolgen können. Die Journalistin war sehr überrascht, dass die Spielerinnen noch am gleichen Abend mit dem Bus wieder nach Hause fahren. Weil Dienstagmorgen wieder Schule-Uni-Arbeit ist. Ich denke, das ist der Punkt: Man ‚vergeudet‘ einen ganzen Tag mit der Fahrerei und dann ist der Biorhythmus schon am Anfang der Woche stark strapaziert. Bei Sportlerinnen, wie bei Fans.“
Diese Beobachtung zeigt auch sehr deutlich, dass der Fußball der Frauen nicht nur das Problem hat, dass medial zu wenig berichtet wird, sondern auch, dass Journalist*innen in diesem Bereich oft die Grundlagenkenntnisse der Bedingungen und Verhältnisse fehlen und daher nicht häufig genug kritisch oder hinterfragend berichtet wird.
Daher finden wir: die Proteste gegen Montagsspiele und Stimmen der Fans im Fußball der Frauen sollten mehr Gehör finden. Wir haben euch deswegen noch eine kleine Sammlung an weiteren Bildern von Protesten zusammen gestellt.
Titelbild: Christian Zimmermann