Am rechten Bildrand steht Ali Krieger und hält in jedem ihrer Arme eines ihrer beiden Kinder, sie grinst das von uns aus recht der beiden an. Links neben ihr steht eine Tafel, in der ihr Trikot eingerahmt ist mit der Rückennummer 176 für die Anzahl der Spiele, die sie in der Arena in New Jersey gespielt hat.

Ali Krieger – die US-Amerikanerin in Deutschland

Unser erstes Portrait in der Reihe Legenden des Fußballs handelt von Ali Krieger. Wir stellen euch in dieser Reihe einmal im Monat eine ehemalige Spielerin vor, die den Fußball der Frauen geprägt hat.

Alexandra „Ali“ Krieger (*1984) gehört zu einer Generation von US-Spielerinnen, die dem Fußball der Frauen den Weg bereitet haben, hin zu einem Maß an Ansehen, das sich vor 15 Jahren wohl niemand hätte vorstellen können. Allerdings steht Krieger – wie andere Spielerinnen aus dieser Gruppe – mitunter im Schatten einer Megan Rapinoe. Deswegen möchte ich mit Ali Krieger heute meine liebste Spielerin dieser Generation vorstellen.

Als ich im Jahr 2011 begonnen habe, zum 1. FFC Frankfurt zu gehen, ist bei mir – neben der Liebe für den dort verkauften Kuchen – eine Sache hängengeblieben: Da stand eine Spielerin aus den USA auf dem Feld. Eine, die ich nach der WM auch aus dem US-Nationalteam kannte. Die WM 2011 hatte in Deutschland stattgefunden und einen kurzen Hype rund um den Fußball der Frauen ausgelöst – wohl auch bei mir. Dann stand ich im Brentanobad und auf der anderen Seite: Ali Krieger, nur einen Kuchenwagen oder eben 8 Treppenstufen entfernt. 

Ali Krieger kam nach Deutschland, da es 2007 keine Möglichkeiten für sie gab, als Profi in den USA zu spielen. Als dann, nachdem sie beim Nordic Cup 2007 in Finnland gespielt hatte, über Umwege eine Anfrage aus Frankfurt kam, hat sie zugesagt.

Die Wegbereiterinnen

In der Saison 2023 hat Alexandra Krieger mit dem Titel bei Gotham FC nun endgültig ihre Karriere beendet. Zu einem Zeitpunkt, den man ihr nicht besser hätte wünschen können: Titel nochmal gewonnen mit einem Team, das die Saison zuvor eher schlecht gewesen war – und mit dem Wissen, dass sie als Spielerin unfassbar viel erreicht hat. 

Die fünf Spielerinnen des 1. FFC Frankfurt jubeln im Vordergrund in schwarzen Trikots über das Tor von Svenja Huth, sie ist in der Mitte von ihnen und läuft mit ausgebreiteten Armen auf Ali Krieger zu, die wiederum kurz davor ist, Huth in den Arm zu nehmen. Alle sind euphorisch, nur Garefrekes rechts in der Gruppe guckt etwas ernster, schaut Richtung rechtem Bildrand und scheint weitere Mitspielerinnen heranzuwinken, vielleicht für eine kurze Besprechung. Unscharf im Hintergrund ist Turbine Potsdams Torfrau zu sehen, wie sie gerade den Ball zurück zum Anstoßpunkt schießen möchte.
DFB-Pokal-Viertelfinale des 1. FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam am 04.12.2011. Die Frankfurterinnen jubeln über das 2:0 von Svenja Huth, von links: Sandra Smisek, Svenja Huth, Melanie Behringer, Alexandra Krieger und Kerstin Garefrekes. Foto: IMAGO/Jan Huebner.

Neben der schillernden Figur einer lauteren, bunthaarigen, politisch starken, rhetorisch und fußballerisch bewundernswerten Rapione ist es schwierig, als Fußballerin aufzufallen. Ali Krieger, auf dem Feld eine „Arbeiterin“, im Privatleben bestimmt, aber ruhiger und jahrelang in einer Beziehung, welche in lesbischen Kreisen den Gossip mit positiven Schlagzeilen gefüllt hat: Krieger und Ashlyn Harris waren das langjährige Vorzeigepaar und so irgendwie weniger kontrovers und auffällig.

Natürlich ist auch die Position auf dem Spielfeld ein Faktor: Rapinoe ist im Mittelfeld diejenige, die das Spiel nach vorne treibt und die Tore schießt, Krieger spielt in der Defensive. Auch sie schießt Tore, aber die Zahl sowie die Präsenz in den Spielanalysen ist, wie ganz üblich bei den Positionen, nicht so groß. 

Ein Teil der Wahrheit ist, dass medial im Fußball der Frauen in den letzten Jahren noch nicht so viel Platz für mehr Personen in vorderster Reihe eingeräumt wurde. Aber Ali ist eine der Personen, die durch ihren Einsatz den Weg dafür bereitet haben, dass sich das verändert.

Was hat Ali Krieger als Spielerin ausgemacht?

Mit dem US-Nationalteam wurde sie zweimal Weltmeisterin. An europäischen und deutschen Team-Titeln hat sie alle Großen gewonnen: die Bundesliga, den DFB-Pokal und die Champions League – und eben kurz vor dem Karriereende mit Gotham in den USA auch die NWSL.

Von links nach rechts sitzen oder hocken Ali Krieger, Saskia Bartusiak und Gina Lewandowski vor der Spielerinnen-Bank. Alle drei haben goldene Medaillen um den Hals, Bartusiak hält eine schmale goldene Trophäe mit Glaskugel am oberen Ende. Alle drei schauen lachend zum rechten Bildrand und posieren für ein Foto.

Alexandra Krieger (li.) Saskia Bartusiak (Mitte) und Gina Lewandowski vom 1. FFC Frankfurt mit dem Pokal für den Sieg im UEFA Women’s Cup 2008, dem Vorläufer der heutigen UEFA Women’s Champions League. Foto: IMAGO/Martin Hoffmann.

Das Triple mit dem FFC in der Saison 2007/08 ist eine Leistung, die damals umso herausragender ist, weil die Situation seinerzeit komplizierter war mit Blick auf die Infrastruktur, die Finanzierung und die Gesamtsituation im Fußball der Frauen in Europa und auch den USA. Verletzungsfrei verlief ihre Karriere nicht – und auch das hat immer wieder für Herausforderungen gesorgt.

Krieger ist diejenige, die den Überblick im Aufbau hat, die Gegnerinnen unter Druck setzt und die perfekte Zuspielerin ist für Personen, die richtig vorm Tor stehen. Ich hätte sie also eigentlich gerne mal mit Alex Popp auf dem Feld in einem gemeinsamen Team gesehen. Wahrscheinlich wäre es ein Perpetuum Mobile für Tore geworden. 

So ein Zuspiel und Überblick funktioniert natürlich nur, wenn die Präzision im Passspiel auch stimmt. Und das ist wohl eins der Merkmale, die bei Krieger herausgestochen haben, wenn man sie auf dem Feld sehen durfte. Die Drehscheibe Deutschland hat es in einem Bericht beschrieben mit: „Die Defensivkraft mit der deutschen Gründlichkeit“.

Sie gehörte mit Gotham FC nun auch zum ersten Team der National Women Soccer League NWSL, welches im Weißen Haus empfangen wurde. Vor allem bei Männerteams ist das in den USA sehr üblich.

Auf der rechten Seite des Fotos steht Ali Krieger an einem Reden-Pult des Weißen Hauses und spricht in mehrere Mikrofone, das Pult trägt das Siegel des Präsidenten der USA. Am linken Bildrand steht US-Präsident Biden, mit dem ganzen Körper in ihre Richtung gedreht, die Hände vor den Oberkörper gefaltet und hört ihr zu. Hinter den beiden steht eine ganze Gruppe von Menschen und hört ebenfalls zu, Blicke auf Krieger gerichtet.
Präsident Biden begrüßte die NWSL-Champions von NJ/NY Gotham im Weißen Haus. Kapitänin Ali Krieger spricht während der Veranstaltung zur Begrüßung der 2023 National Womens Soccer League Champions im East Room des Weißen Hauses am 23. September 2024 in Washington, D.C. Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Ali Krieger durfte die Rede halten: „Every time we step on the field, we think of young girls who dream the future in sports. This moment is not just about titles or trophies. It is about paving the way for them. Being the first is historic. But it’s even more important that we ensure we are not the last.“ – „Jedes Mal, wenn wir das Spielfeld betreten, denken wir an junge Mädchen, die von der Zukunft im Sport träumen. In diesem Moment geht es nicht nur um Titel oder Trophäen, sondern darum, ihnen den Weg zu ebnen. Die Ersten zu sein ist historisch, aber es ist noch wichtiger, dass wir sicherstellen, dass wir nicht die Letzten sind.“

Nach dem Karriereende

Auch wenn sie nicht immer in der vordersten Reihe stand, war die Hoffnung bei mir doch groß, dass sie irgendwie der Fußballwelt erhalten bleibt. Und sie bleibt: Sie ist jetzt Sportmoderatorin bei Futbol W – einer Sendung von ESPN+. 

Zum Schluss noch: Es gibt es schönes Interview mit Krieger in Vorbereitung auf das Spiel gegen Deutschland 2011, in dem sie – wie auch im Drehscheibe Deutschland Bericht – Deutsch spricht. Es lohnt sich. Sie hat auch ein deutsches Tattoo: das Wort Liebe. In einem Interview dazu hat sie in der ZEIT mal gesagt: „Ich mag das Wort Liebe, auf Englisch wie auf Deutsch. Es steht für meine Liebe zu diesem Land und das, was ich hier gelernt habe. Mir gefällt es auch, dass zu Hause die Menschen das Wort nicht verstehen, die fragen mich danach, und dann kann ich Ihnen von meiner Zeit hier erzählen. Ich mag Deutschland.“

Vielleicht besucht sie Deutschland also auch mal wieder. 

Danke für die Hilfe bei dem Artikel an Chris, Sascha, Marco, Felix und Annika.

Quellen: 

https://www.self.com/story/ali-krieger

https://onefootball.com/en/news/looking-back-on-ali-kriegers-history-making-european-career-38465349

https://www.thecut.com/2023/04/how-ali-krieger-gets-it-done.html

Beitragsbild: IMAGO/Imagn Images. Weißes Haus: IMAGO/ABACAPRESS. Champions League: IMAGO/Martin Hoffmann. Torjubel: IMAGO/Jan Huebner.

Written by 

Franziska Blendin ist leidenschaftliche Fan des FSV Frankfurt, aber hadert auch mit der schlechten historischen Aufarbeitung des Vereins, wenn es um die Frauenfußball-Abteilung geht. Das ist einer der Gründe, warum sie sich vor allem mit der Geschichte des Fußballs der Frauen beschäftigt. Zur Vereinshistorie hat sie die „FSV Frankfurt Fußballfibel“ veröffentlicht. Durch die gemeinsame Recherche mit Sascha Düerkop zum falsch reklamierten 1. Bundesliga Tor des DFB ist der Podcast „Legende Verloren“ entstanden. Dieser ist mittlerweile ein Raum für vielfältige Geschichten und Interviews. Gemeinsam mit Sascha und vielen weiteren ist sie Teil des internationalen Geschichtsblogs „Forgotten Heroines“. Im eigentlichen Leben neben dem Fußball ist sie Maschinenbau-Ingenieurin bei der Deutschen Bahn und zeichnet Comics, wenn mal Zeit übrig ist.

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