
Erstes Revierderby (f) zwischen Schalke und Dortmund im Parkstadion
Die Frauenteams des FC Schalke 04 und von Borussia Dortmund spielten erstmals gegeneinander. Gedanken zum Spiel und strukturellen Themen aus dem Stadion.
Der Fußball und das Patriarchat sind schon eine besondere Kombination. An einem Sonntag Ende Oktober stehen sich in der vierten Spielklasse ein paar Fußballerinnen im Ruhrgebiet gegenüber, deren jeweilige Teams erst vor vier bzw. drei Jahren (wieder) gegründet wurden.
Weil aber die beiden Vereine mit ihren Männerteams seit über hundert Jahren Derbys gegeneinander spielen, ist die Aufregung auch in den Medien groß, die sonst über den Fußball der Frauen im Revier gerne mal hinwegschauen und es kommen Menschen ins Parkstadion, die die Namen ihrer eigenen Spielerinnen nicht kennen. Hauptsache es reicht für ein „Scheiß BVB!“
Eine erwartungsvolle Spannung liegt in der Luft, Neugierde, Lust aufs Event. Am Spielfeldrand filmt ein Kameramann mit Sky-Windschutz am Mikrofon das Publikum, ich sehe eine Kollegin eines überregionalen Mediums und sogar eine britische Kollegin im winzigen Pressehäuschen, bevor ich mich zurück auf den Weg zu meinem Sitzplatz mache. „But can they do it on a cold, rainy Monday in the Hafenstraße?“
Ich meine das alles gar nicht missgünstig, es ist ja schließlich kein großes Geheimnis, dass ich aus einer Schalke-Familie komme. Gleichzeitig ist im Fußball der Frauen schon sehr viel länger die SGS Essen „mein“ Verein und aus dieser Doppelperspektive sind meine Gefühle und Gedanken eben gemischt. Aber dazu später mehr.

Schalke – Dortmund 0:0
Was erst ein etwas nervöses Fußballspiel von beiden Seiten ist, entwickelt sich auch wegen der Stimmung mit zunehmender Spieldauer tatsächlich zu einer Partie mit Derbycharakter, ohne aber jemals zu kippen. Schiedsrichterin Cynthia Günther liegt nicht immer richtig, hat mit ihrer Körpersprache aber alles im Griff.
Für Begeisterung wissen sowohl Dortmunderinnen als auch Schalkerinnen zu sorgen. Die Tabellenführerinnen aus Dortmund stellen bisher die beste Offensive der Westfalenliga und hatten über das gesamte Spiel sehr viel mehr Ballbesitz, kombinierten immer wieder gut im Mittelfeld und kontrollierten locker ungefähr die erste halbe Stunde.
Besonders auffällig war Ann-Sophie Vogel (26) auf der linken Seite, sie war in der letzten Saison noch Stammspielerin beim VfL Bochum und hätte dort mit Sicherheit mit in die 2. Bundesliga gehen können. Immer dann, wenn Dortmund mit all dem Ballbesitz nicht weiterkam, versuchte Vogel mit einem ihrer Läufe eine Lücke zu reißen und war an vielen Chancen Dortmunds beteiligt.
Im Tor des BVB stand Sandra Schröer. Die 42-jährige ist seit der Gründung der Abteilung dabei und musste mehrmals parieren. Sie hielt am Schluss das Unentschieden fest, als die eingewechselte Hanna Hamdi (28) der Dortmunder Verteidigerin Madita Sommer nach einem Zuspiel Schröers den Ball gedankenschnell abnahm und plötzlich allein vor Dortmunds Keeperin stand.
Es freut sich auch: Der FC Iserlohn
Schalke stellt (mit nur einem Tor Unterschied zum BVB) die beste Defensive und es ließ sich auf jeden Fall erkennen, woran das liegt. Denn die gesamte Abwehr bewegte sich sehr gut im Verbund und nahm dadurch den Dortmunderinnen immer wieder den Raum für einen wirklich gefährlichen Pass in den Strafraum.

Dazu kamen aber auch zwei hervorragende Einzelleistungen von Kapitänin Shari Noffke (32) und Barakissa Coulibaly (27), die sehr viele Bälle geschickt abfing, bevor es überhaupt gefährlich wurde. Offensiv setzte Schalke eher auf Konter und hatte über das ganze Spiel die besseren Chancen, konnte diese aber nicht nutzen.
In der Tabelle bleibt Dortmund durch das 0:0 mit einem Punkt Vorsprung auf dem ersten Platz, nur die Meisterinnen steigen am Ende auf. Schalke steht auf dem zweiten Platz, dahinter kommt der FC Iserlohn, ein 6:3 Auswärtssieg bei BV Werther lässt den FC bis auf einen Punkt an Schalke heranrücken.
Komplizierter Vorverkauf – volles Stadion?
Erstmal freut es mich für alle beteiligten Spielerinnen, dass diese Begegnung so gut besucht war. Offiziell war die Partie 2.999 Menschen im Parkstadion ausverkauft, ein paar freie Stellen gab es allerdings. Wie voll genau es werden würde, war vorher schwer einzuschätzen, nur Schalke-Mitglieder konnten vor Ort Tickets kaufen, online war das nicht möglich.
Auch die Tageskasse (die erst ein paar Tage vor dem Spiel bekannt gegeben wurde) war nur für Mitglieder geöffnet. Zudem ging ein Kontingent für Auswärtstickets an den BVB. Als nötig erachtet wurde das wahrscheinlich aus Sorge vor Auseinandersetzungen. Durch den erschwerten Vorverkauf schwebte zumindest als eine Möglichkeit über der Partie, dass nicht so viele Leute kommen wie erhofft, weil man sich zu sehr an den hässlichen Seiten des Männerfußballs ausrichtet.
Mich freut auch, wie das Publikum mitging, sang, sich über Entscheidungen aufregte. Einmal, noch vor Anpfiff, gab es den „BVB, Hurensöhne“-Gesang, aber dabei blieb es zum Glück. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte dieses Spiel damals als Teenagerin sehen können, als ich nach der Schule oft genug auf dem Schalker Vereinsgelände rumhing, um ein öffentliches Training zu erhaschen, wahrscheinlich hätte mein früheres Ich sich vor Aufregung heiser gebrüllt beim Anfeuern. Ich gönne allen, die diese Momente jetzt haben können, diese von ganzem Herzen.

Beide Vereine holen Spielerinnen aus höheren Ligen
Aber ich frage mich eben auch, wie diese Partie zwischen Schalke und dem BVB wohl bei der SGS, aber auch anderen regionalen Vereinen wahrgenommen wird, die sich seit Jahrzehnten abrackern. Beide Vereine bedienten sich vor dieser Spielzeit mehr oder weniger großzügig bei der lokalen Konkurrenz, die bereits in der Regionalliga oder höher spielt: dem 1. FFC Recklinghausen, dem FSV Gütersloh 2009 und eben – dem dritten Team – der SGS Essen.
Also drei Vereinen, die nicht an einen Lizenzverein der Männer angeschlossen sind und auf verschiedenen Ebenen wichtige Ausbildungsvereine sind. Recklinghausen ist einer der ehemaligen Vereine von Alexandra Popp. Gütersloh war eine wichtige Jugendstation der beiden Nationalspielerinnen Sophia Kleinherne und Sjoeke Nüsken und erste Station nach der Jugendzeit von Lina Magull. Und in Essen wäre unter anderem über eine Nicole Anyomi oder Lena Oberdorf zu sprechen. Ich kann jede Spielerin verstehen, die unbedingt für einen dieser beiden Vereine spielen möchte und dafür sogar ein oder zwei Ligen tiefer die Schnürsenkel bindet.

Gleichzeitig ist etwas schief, wenn bei beiden Vereinen, aber vor allem beim BVB, kürzliche Zweitligaspielerinnen in der Westfalenliga auflaufen, die mitten in ihrer Spielerinnenlaufbahn sind. Auf gewisse Weise sind Lizenzvereine im Fußball der Frauen eben ein Äquivalent zu Investorenklubs im Männerfußball. Bis zu dem Punkt, dass viele der Fans nicht sehen wollen, warum alle anderen nicht total dankbar dafür sind, dass ihr Verein kommt, um endlich den Fußball (der Frauen) in der Region zu „erretten“.
Männerfußball hier, Männerfußball da, Männerfußball überall
Auch in den Köpfen derjenigen, die die Posts ihres jeweiligen Vereins in den sozialen Medien kommentieren, existieren die Frauen vor allem in Relation zu den Männern. Ich meine damit gar nicht Leute, die sowieso nur offensichtlichen sexistischen Müll schreiben, sondern „nett gemeinte“ Kommentare à la „jetzt müssen die Frauen die Ehre der Männer retten“, „kann eine von denen auch Innenverteidigung in der 2. Liga?“, „haha, bald spielen die Frauen höher als die Männer“.
In all dem steckt zumindest ein Fünkchen der Haltung, dass es irgendwie lustig und herabsetzend ist, wenn eine Frau genauso gut oder gar besser als der betreffende Mann wäre. Ein unvergiftetes, für sich stehendes Lob ist selten.
Beitragsbild: IMAGO/Tobias Jenatschek, alle anderen: privat
@news @abecker Toller Artikel zum Derby. Erfreulich, dass es ruhig verlief…
Mir ging beim zuschauen auch die #SGS Perspektive nicht aus dem Kopf 🤔 Werden diese beiden Vereine nicht in ein paar Jahren einem oder zwei jetzigen Bundesligistinnen aus #DieLiga „den Platz wegnehmen?“ Tun das RaBa Leipzig und die meisten jetzigen aller querfinanzierten „Vereine“ nicht schon heute?
Ich habe keine Antwort, fühle aber etwas ungerechtes bei dem Gedanken 💭
@news @abecker
… Ist das schlechter oder besser für den #Frauenfußball? Ich würde eher die Frage stellen: Müssen nicht spätestens jetzt die Weichen gestellt werden, wie sich #DieLiga
entwickeln soll?
Der reine Fokus auf Finanzen und Investor:innen machen mich sehr skeptisch 🤔 Und: ich hoffe – da es ja um Frauenfußball geht – dass dies nicht primär Männer entscheiden werden.
@Malaoshi1904 @news Das ist eine sehr nachvollziehbare Hoffnung, ich denke nur ehrlich gesagt nicht, dass es so einen riesigen Unterschied dafür macht, wie man zu Vereinen und Investor*innen steht.
Danke für diesen sehr lesenswerten Text. Ich selber bin dem 1. FC Union zugewandt und kenne die Diskussion im Bezug zu dem Wettbewerbsvorteil, der sich daraus ergibt, dass unser Verein mit einer Lizenzspielermanschaft in der Herrenbundesliga seine Profifrauen ganz anders unterstützen kann, wie ein Frauenfußballverein, z. B, der 1. FFC Turbine Potsdam oder die SGS Essen. Die Frage stellt sich, ob der 1. FC Union deshalb darauf verzichten sollte professionelle Rahmenbedingungen für die Frauenteams bis hin zur U13 zu schaffen? Frauenfußball bei Union hat eine lange Geschichte und die umfassende Professionalisierung war schon seit Jahren für den Zeitpunkt geplant, an dem der Gesamtverein dafür kräftig genug ist. Dabei sind die Frauen eine gleichberechtigte Abteilung des Vereins und entsprechend Jennifer Zietz ihrem männlichen Pendant Horst Heldt als Geschäftsführerin der Frauen gleichgestellt. Ähnlich ist es bei der Stadionnutzung, der Nutzung vereinseigener Kanäle und auch beim Neubau des Profitrainingszentrums für die Bundesligteams der Frauen und Herren. Der Verein hat knapp 70.000 Mitgliederinnen und Mitglieder; wenn davon 15.000 Durchschnittsmitgliedsbeiträge in den Etat der Frauenabteilung gehen, dann sind dies knapp 1,5 Mio. Euro (genaue Zahlen wurden bisher nicht veröffentlicht). Klar verzerrt dies den Wettbewerb. Wie damit umgehen?
@news Ich sympathisiere ja auch mit der #sgsessen, und habe seit der Gründung der BVB Abteilung, auch im Zuge dieser ZDF-Doku, die parallel beide Vereine portraitiert, dieses ungute Gefühl… Schwarz Gelb zu tragen, selbst in Liga 3, hat eventuell tatsächlich höhere Attraktivität als Lila in Liga 1. So weit, so nachvollziehbar.
Ob das immer auch im Sinne der Spielerinnen ist, stelle ich infrage. Was SGS für die individuelle Entwicklung leisten kann, ist bekannt, Beispiele s. Artikel. #DieLiga