Cya, mates! Hegering, Frohms und Popp verabschieden sich aus der Nationalelf

Deutschland verliert das zweite Testspiel unter dem neuen Bundestrainer Christian Wück mit 1:2 gegen Australien. Im Fokus stehen die Abschiede von Marina Hegering, Merle Frohms und Alexandra Popp.

Das 540. Länderspiel für die DFB-Frauen in Duisburg vor 26.623 Zuschauer*innen gegen Australien ist gleichzeitig das 145. und letzte Länderspiel für Alexandra Popp. Mara hat hier ein Portrait über sie geschrieben. Bundestrainer Christian Wück wollte das zweite Testspiel seiner Amtszeit als solches nutzen und gewährte der Stürmerin einen Startelfeinsatz und eine Auswechslung unter Standing Ovations in der 15. Spielminute.

Nicht auf dem Spielfeld, aber offiziell vor dem Spiel verabschiedet wurden auch Merle Frohms und Marina Hegering nach ihren Rücktritten in den letzten Wochen mit zahlreichen Umarmungen der ehemaligen Mitspielerinnen, Trainer*innen und Staff-Miterabeiter*innen. Außerdem bekam Ann-Katrin Berger den Preis für die Fußballerin des Jahres 2024 überreicht.

Bevor es dann aber mit dem sportlichen Teil des Abends losgehen konnte, gab es noch eine sehr merkwürdige Szene. Alexandra Popp startete dieses Spiel wie so viele vorher als Kapitänin und trug dafür die Kapitäninnen-Binde in Pride-Farben. Die italienische 4. Offizielle Martina Molinaro hatte aber etwas dagegen. Christian Wück winkte Popp zu sich und schien ihr den Umstand zu erklären, Popp runzelte die Stirn und ging zu Molinaro, die ebenfalls mit ihr sprach. Danach nahm Popp die Pride-Binde ab und wickelte sich eine Binde in Deutschland-Farben um den Arm.

Update: Auf den Fotos von Jessica Sturmberg kann man den Ablauf erahnen.

Am Rande des heutigen Abschiedsspiels von Alex Popp in der Nationalmannschaft: Eigentlich wollte Popp heute die Regenbogenbinde tragen. Die FIFA wollte, dass sie die Binde wechselt.

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— Jessica Sturmberg (@jesstorm.bsky.social) 29. Oktober 2024 um 00:23

Das hat Alexandra Popp ihr nachher zu dem Vorfall gesagt: „Klar wäre es schön gewesen, die Binde tragen zu können, weil es auch immer ein gewisses Zeichen und klares Statement von uns ist.“ Eine Begründung habe es nicht gegeben.

Popp sagte später, ihr wurde nicht gesagt warum. Aber die Binde in den deutschen Nationalfarben sei auch gut gewesen und: "Klar wäre es schön gewesen, die Binde tragen zu können, weil es auch immer ein gewisses Zeichen und klares Statement von uns ist."

— Jessica Sturmberg (@jesstorm.bsky.social) 29. Oktober 2024 um 00:23

Die Ausgangssituation

Sportlich waren nach dem 4:3-Erfolg gegen England im Wembley-Stadion erste Erwartungen geweckt. Neben der startenden Popp gab es fünf weitere Änderungen in der Aufstellung: Im Tor startete statt Ann-Katrin Berger Stina Johannes, Lisanne Gräwe kam zu ihrem ersten Startelf-Einsatz im Mittelfeld, Felicitas Rauch stand gemeinsam mit Sarai Linder auf dem Platz und in der Offensive begannen Selina Cerci und Vivien Endemann.

Für Australien verläuft die Phase nach Tony Gustavsson bisher wenig erfolgreich. Der Schwede war trotz des Erfolges bei der WM 2023 nie komplett unumstritten in Australien, durch das glanzlose Ausscheiden bei den Olympischen Spielen war dann klar, dass der auslaufende Vertrag Gustavssons nicht verlängert würde. Interims-Trainer ist mit Tom Sermanni ein vertrautes Gesicht. Der 70-jährige Schotte trainierte die Australierinnen bereits zweimal in seiner Karriere, am längsten zwischen 2004 und 2012.

Im ersten Spiel unter ihm gegen die Schweiz gab es ein 1:1. Caitlin Foord hatte die Matildas per Elfmeter in Führung gebracht, allerdings erzielte Géraldine Reuteler nach der Pause den Ausgleich. Sermanni war dementsprechend mit der Partie nicht so richtig zufrieden: „Eine Zeit lang haben wir im Mittelfeld nicht richtig gewusst, wie und wann wir pressen sollen. Das hat dazu geführt, dass Mary [Fowler] zu keinem Zeitpunkt richtig ins Spiel gefunden hat“, so Australiens Coach nach dem Schweiz-Spiel. Seine Hoffnung vor dem Deutschland-Spiel: „Sie werden einen offeneren Fußball, einen offensiveren Fußball spielen, und das könnte uns eine bessere Chance auf Ballbesitz geben. Das macht es defensiv etwas gefährlich, aber gäbe uns offensiv ganz andere Möglichkeiten.“

Deutschland Australien 1:2 (1:1)

Bei den Olympischen Spielen gab es im ersten Gruppenspiel für Deutschland einen 3:0 Sieg gegen Australien (die Besprechung aus Marseille im Podcast dazu gibt es hier). Ein Stück weit sollte Sermannis Hoffnung erfüllt werden, aber erst einmal ging es in die andere Richtung los. Selina Cerci traf bereits in der 5. Minute zum 1:0 für Deutschland, Endemann kam nach einem Ballverlust Australiens auf dem rechten Flügel an den Ball und flankte zu Cerci, die per Kopf verwandelte.

Die Matildas wirkten schon vor dem Gegentreffer verunsichert, weil Deutschland so konsequent nach vorne spielte. In der 8. Minute setzte Felicitas Rauch einen Schuss an den Pfosten und ein 2:0 zu diesem frühen Zeitpunkt wäre nicht unverdient gewesen.

In der 15. Minute wurde das Spiel dann für die angekündigte Auswechslung Popps unterbrochen, ihre Mitspielerinnen standen für sie Spalier. Gwinn übernahm die Kapitäninnen-Binde und Popp umarmte die für sie eingewechselte Nicole Anyomi, bevor die Verabschiedungen an der Bank fortgesetzt wurden.

Das Spiel veränderte sich danach ein wenig, denn es gab mehrere Szenen, in denen Caitlin Foord allein vor Stina Johannes auftauchte (22., 25.). Die Torhüterin parierte, die Abspielfehler, die zu diesen Szenen führten und wie leicht Foord durchkam, obwohl Australien nicht systematisch nachrückte, dürfte Wück aber nicht gefallen haben.

Danach häuften sich wieder die Chancen für Deutschland, Nüsken setzte eine Flanke von Gwinn knapp am Tor vorbei (29.) und Anyomi schickte Klara Bühl (31.), deren Abschluss aber nicht gefährlich wurde.

Nach einer Chance von Endemann in der 32. Minute musste Australiens Caitlin Torpey verletzt ausgewechselt werden, für sie kam Michelle Heyman. Kurz drauf in der 39. Minute fiel der überraschende Ausgleich für die Matildas: Nach einem Ballverlust im Mittelfeld sah Kyra Cooney-Cross, dass Stina Johannes weit vor ihrem Tor stand und schoss ungefähr von der Mittellinie sehenswert über die deutsche Keeperin hinweg das 1:1.

Torjubel nach dem Ausgleich zum 1:1 durch Kyra Cooney-Cross. Foto: IMAGO/Maximilian Koch.

In der Pause wechselten beide Trainer erneut, Sophia Kleinherne kam für Janina Minge, die bis dahin neben Sarai Linder in der Innenverteidigung gespielt hatte. Deutschlands Abwehrreihe war defensiv eine Vierer- und offensiv eine Dreierkette, weil meistens Rauch sehr weit vorn positioniert war. Außerdem kam Lina Magull für Lisanne Gräwe auf den Platz und bei den Australierinnen kam van Egmond für Katrina Gorry.

Viele Wechsel nach der Pause stören den Rhythmus

Die zweite Halbzeit lieferte ein ähnliches Bild: Deutschland hatte viel Ballbesitz und übte Druck nach vorn aus, Australien lauerte auf Konter und spekulierte auf die sehr hoch stehende Stina Johannes, die jetzt schneller in ihr Tor zurückeilte. Es folgten weitere Wechsel mit Wolter für Gwinn, sowie Brand und Dallmann für Cerci und Bühl. Das Spiel wirkte danach natürlicherweise unsortierter als vorher. Es war auffällig, dass Deutschland sich immer wieder mit Kombinationen aus den australischen Pressingversuchen befreien konnte, wobei diese wie von Sermanni schon nach der Partie gegen die Schweiz angemerkt, nicht immer gut organisiert waren.

Vielleicht auch deshalb stand Australien rund um die 70. Minute in einem sehr tiefen Block mit bis zu zehn Spielerinnen in einer Kette vor dem eigenen Sechzehner. Das war wirkungsvoll darin, die deutschen Angriffe zu stoppen, dürfte aber in Australien die Sehnsucht auf eine neue feste Person an der Seitenlinie nicht verkleinert haben, zumal die Spielerinnen sich bei Unterbrechungen untereinander im Kreis besprachen, aber nicht zu ihrem Trainer liefen, wie es eigentlich üblich ist.

Auf der anderen Seite reichte aber nach dieser Phase ein einziger Eckstoß für den Führungstreffer. In der 77. Minute stimmte beim Eckball die Absprache zwischen Sarai Linder und Stina Johannes nicht, die deshalb nicht richtig zum Ball gehen konnte. Clare Hunt köpfte als Nutznießerin dieses Fehlers ein.

Kurz danach bäumten sich die DFB-Frauen auf, Nicole Anyomi wühlte im Strafraum, kam zu Fall, und konnte den Ball noch weiterleiten, sodass dieser über Umwege bei Wolter landete. Ihr Schuss ging knapp am Tor vorbei. Danach passierte wenig Zwingendes, in der Schlussphase bekam Deutschland zwar noch einen Freistoß zugesprochen, konnte aber keinen Ausgleich mehr erzielen. Für beide Teams dürfte das Ergebnis weniger wichtig sein, als die verschiedenen Phasen der Partie, die sich etwas merkwürdig anfühlte, so wie es mit Abschieden und Neuanfängen manchmal eben ist.

Beitragsbild: IMAGO/Sports Press Photo

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

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