Homeless Worldcup 2024 – Interview mit Sandrine Wyrich

Noch bis zum 28.09.2024 findet der Homeless Worldcup statt. Der Cup wird zum 21. Mal ausgerichtet, diesmal in Seoul. Was sind die Geschichte und das Ziel des Cups? Und wie kommt man dazu, sich dort zu engagieren? Wir haben eine der Helfer*innen gefragt. 

Fußball soll für alle Menschen sein, unabhängig von Kategorien wie Geschlecht, Herkunft, Religion, (Nicht-)Behinderung, oder Einkommen. Dadurch kann Fußball ganz unterschiedliche Personengruppen ermächtigen und ihre Lebensumstände ausschnittweise aufzeigen. Wenn wir an Fußball denken, sind die meisten von uns wohl trotzdem gedanklich als Erstes bei einer der Bundesligen oder vielleicht einer WM. Eine solche gibt es aber eben auch für Wohnungslose – den Homeless World Cup.

Worum geht es?

Der Homeless Worldcup hat das Ziel, wohnungslosen Menschen eine Perspektive, sowie ein Erleben von Engagement, Gemeinschaft und Austausch zu ermöglichen. Das Hauptziel ist, auf das Thema Wohnungslosigkeit aufmerksam zu machen. 

Einerseits durch das Fußballturnier an sich und andererseits mit einem Rahmenprogramm, das während und zwischen den Turnieren stattfindet. In Deutschland fand dieses Jahr die Europameisterschaft statt, organisiert von der deutschen Vertretungsorganisation Anstoß e. V. – Bundesvereinigung für soziale Integration durch Sport.

Was ist die Geschichte?

Der Homeless World Cup wurde 2001 von Mel Young und Harald Schmied gegründet. Sie wollten Obdachlosen aus verschiedenen Ländern eine Perspektive geben und dabei helfen, miteinander in Kontakt zu kommen. Young und Schmied waren vorher bereits aktiv und engagiert im Bereich der Menschenrechte. Auf einer internationalen Konferenz kamen sie auf die Idee, Fußball als das verbindende Element zu wählen. Sie beschlossen, ein spezielles Fußballturnier nur für Obdachlose zu veranstalten, bei dem Teams aus verschiedenen Ländern gegeneinander antreten konnten. Das erste Turnier fand im Juli 2003 in Graz (Österreich) statt. Seitdem findet der Homeless World Cup jedes Jahr in verschiedenen Ländern statt und hat laut den Veranstalter*innen über einer Million Menschen an 70 verschiedenen Orten dabei geholfen, eine Perspektive zu entwickeln.

Wie kann man den Homeless Worldcup anschauen?

Der Homeless World Cup wird bei FIFA+ im Livestream gezeigt, das Turnier läuft noch bis zum 28.09.2024. Und ohne Werbung für die FIFA machen zu wollen: Für die kostenlose Plattform braucht ihr noch nicht einmal einen Account.

Engagiert beim Homeless World Cup

Veranstaltungen wie der Homeless Worldcup basieren darauf, dass Menschen sich engagieren und einbringen. Wie man dazu kommt, und was man dort alles machen kann, erzählt uns Sandrine Wyrich.

Franzi: Wie bist du dazu gekommen beim Homeless Worldcup zu helfen? 

Sunny: Teile der Produktion des Homeless World Cup übernimmt die Firma QTV Media, die in Glasgow angesiedelt ist. Ich arbeite dort seit einiger Zeit als Freelancer und bin so dazu gekommen, auch bei dem Event dabei zu sein. Hauptsächlich mache ich Social Media Content, vor allem Kurzvideos, und übernehme die Distribution der einzelnen Spielübertragungen an die Plattformen der teilnehmenden Teams.

Franzi: Was denkst du über das Projekt Homeless World Cup?

Sunny: Ich finde den Homeless World Cup als Event großartig. Menschen, die sonst oft marginalisiert werden, stehen im Mittelpunkt; während sie sonst vielleicht in der Gesellschaft hintenüberfallen, sind es nun sie, die ihr Land repräsentieren. Und in dieser Woche geht es nicht darum, dass sie obdachlos sind oder waren, es geht um Sport, Sportsgeist und Kameradschaft. Damit dient der Cup als Highlight oder öffentliche Anerkennung für die verschiedenen nationalen und lokalen Organisationen, die Sport für soziale Veränderung nutzen. Es ist sehr wichtig und wertvoll diese Feier zu haben, sowohl für die Betroffenen, die es sicher nicht leicht haben sich aus schwierigen Lebensumständen zu kämpfen, sowie für die Leute, die bei diesen Organisationen harte Arbeit leisten, um Menschen zu helfen.

Das Schöne am Homeless World Cup ist, dass es zwar um Sport geht, die Leistung selbst aber zweitrangig ist. Wichtig ist der Spaß am Spiel und das Gemeinschaftsgefühl; am Ende des Turniers wird ein Preis nicht für die meisten Tore vergeben, sondern für den/die Spieler*in mit dem besten Fairplay. Ich denke, dass diese wertvolle Seite des Sports, die Möglichkeit Menschen zusammenzubringen und ihnen gutzutun, in der zunehmend durch-kommerzialisierten Sportwelt leider oft verloren geht; hier steht sie im Zentrum des Geschehens. Trotzdem, die Spiele sind wirklich unterhaltsam und die Fähigkeiten der Spieler*innen beachtlich.

Allerdings gibt es gleichermaßen stellenweise auch „Reality Checks“; man vergisst während des Events schnell, dass die Spieler*innen diese unfassbar schwierigen Lebensumstände hatten und teilweise noch haben (was ja auch sicher Teil des Konzepts ist, den Hintergrund einer Person außen vor zu lassen und diese Person für den Moment nur Spieler*in sein zu lassen). Wenn man sich daran erinnert, dass das jetzt für eine Woche „heile Welt“ ist, aber die Spieler*innen danach zu ihrer teilweise schwierigen Lebensrealität zurückkehren, hat man manchmal schon ein bisschen das Gefühl von: und nun?

Für mich unterstreicht das, dass die Arbeit eben nicht mit einem Homeless World Cup getan ist. Das Event erweckt Aufmerksamkeit und das ist auch gut so, aber Aufmerksamkeit löst noch keine Probleme. Die involvierten Organisationen, die die Teams stellen, leisten unfassbare Arbeit, Menschen von der Straße und zum Sport zu bringen und diese Arbeit ist das wirklich Bedeutende dabei, sie gilt es zu würdigen und zu unterstützen.

Für mich ist das am Ende das, was der Homeless World Cup ist und was ihn ausmacht: eine Feier der Menschen, die sich mit Hilfe von Sport aus schwierigen Lebensumständen kämpfen und der Menschen, die ihnen dabei helfen, das zu tun.

Franzi: Was würdest du dir für den Homeless Worldcup wünschen?

Sunny: Ganz klar mehr Sichtbarkeit; ich fürchte, dass die meisten Leute keine Ahnung haben, dass der Homeless World Cup überhaupt existiert und für ein Event, das auch dazu dient, Aufmerksamkeit für ein Problem zu erzeugen, ist das nicht zielführend. Man kann sich die Spiele kostenlos online auf FIFA+ und auf Facebook ansehen, aber leider weiß das kaum jemand. Ich würde mir wünschen, dass Medien das Event mehr aufgreifen würden, darauf hinweisen, dass es passiert, und die Arbeit hinter dem Homeless World Cup sowie den einzelnen Delegationen hervorheben.

Zudem würde ich mir wünschen, dass der Homeless World Cup wirklich etwas bewegt und bewirkt; diese eine Woche ist gut und schön, aber was es wirklich braucht, ist, dass das Turnier wirklich mehr Unterstützung für die involvierten Hilfsorganisationen und Obdachlosenhilfe insgesamt inspiriert.

Beitragsbild: IMAGO/PA Images

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