Österreich, Japan,… Nordkorea? U20-WM-Vorschau auf die Gruppen E und F
Im dritten Teil der Vorschau auf die U20-WM 2024 in Kolumbien (31. August bis 22. September) geht es um die Gruppen E und F mit unter anderem Japan, Österreich und den Niederlanden. Im Fokus steht Nordkorea, das eine mysteriöse Größe dieses Sports ist und auch 2024 wieder einige Menschen überraschen könnte.
Vorschau auf die Gruppen A und B.
Vorschau auf die Gruppen C und D.
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Gruppe E
Ghana
Ghana ist seit der ersten Teilnahme im Jahr 2010 fortlaufend bei allen Turnieren dabei gewesen, die U20-WM 2024 in Kolumbien ist also das Siebte. Allerdings kam Ghana bisher nie über die Gruppenphase hinaus, auch wenn 2014 nur die Tordifferenz für das Aus sorgte. Vielleicht läuft es dieses Mal aber anders für die Black Princesses, beim Qualifikationsturnier gewann Ghana alle sechs Spiele mit einem Torverhältnis von 21 zu 2.
Yussif Basigi ist mit einer kurzen Unterbrechung seit 2017 im Amt und war von 2013 bis 2017 auch A-Nationaltrainer. Zum Teil coachte er parallel verschiedene Vereine in der Ghana Premier League. Seine Co-Trainerin ist die ehemalige Nationalspielerin Anita Wiredu-Minta, die gemeinsam mit anderen früheren Spielerinnen die Retired Women National Footballers Association of Ghana gegründet hat, um das Leben von Fußballerinnen im Ruhestand zu verbessern. Als einzige Frau im Staff möchte sie nach eigener Aussage auch Vorbild für andere (ehemalige) Spielerinnen sein, nach der aktiven Karriere andere Posten im Fußball zu übernehmen.
Players to watch: Beline Nyarkoh, Tracey Twum
Beline Nyarkoh und Tracey Twum waren während der Qualifikation mit jeweils vier Treffern die beiden Top-Scorerinnen Ghanas. Nyarkoh ist eine Mittelfeldspielerin, die in Ghana für Mfantseman Royal Ladies aufläuft, während Flügelstürmerin Tracey Twum diesen Sommer den Sprung aus der Heimat zu Shanghai Shengli wagte und wandelt damit auf den Spuren von Sambias Barbra Banda, für die Shengli die erste Station auf dem Weg zu einer großen Karriere war.
Japan
Die Japanerinnen nehmen zum achten Mal an der U20-WM teil und haben vor allem in den letzten Jahren eine starke Bilanz: Das Team von 2018 gewann den Wettbewerb und 2022 wurde der zweite Platz erreicht. 2016 und 2018 gab es immerhin den dritten Platz, keine Frage also, dass auch in diesem Jahr mit Japan zu rechnen ist.
Der 48-jährige Trainer Michihisa Kanō ist ein ehemaliger Fußballer, der Teile seiner Karriere in Brasilien verbrachte und offenbar keine Freizeit braucht, denn seit 2023 betreut er parallel die U18, U19, U23 und eben die U20. Die Spielerinnen, die aus den unteren Altersklassen nach oben rücken, kennt er demnach gut. Seine erste Assistentin ist Miyo Okamoto, die als ehemalige Mittelfeldspielerin zwar nie für eines der Nationalteams auflief, aber als Trainerin unter anderem schon Thailands A-Nationaleteam sowie die U20 der Frauen leitete.
Players to watch: Manaka Matsukubo, Maya Hijikata, Suzu Amano, Shinomi Koyama
Die offensive Mittelfeldspielerin Manaka Matsukubo wechselte in diesem Sommer nach einer anfänglichen Leihe fest in die NWSL zu North Carolina Courage. Sie ist daher aus dem Kader vermutlich die international bekannteste Spielerin. Suzu Amano und Shinomi Koyama zog es stattdessen nach Schweden. Amano spielt in der Damallsvenskan für Hammarby IF, während Koyama sich Djurgårdens IF DFF angeschlossen hat. Sie kommt bereits auf 15 Einsätze und vier Tore.
Maya Hijikata wurde beim AFC U20 Women’s Asian Cup 2024 mit vier Treffern eine der besten Torschützinnen des Turniers (zusammen mit Südkoreas Jeon Yu-gyeong). Im Gegensatz zu den bisher genannten Teamkolleginnen spielt sie nach wie vor in Japan, bei Tokyo Verdy Beleza.
Neuseeland
Neuseeland nimmt nach der der ersten Teilnahme 2006 zum neunten Mal in Folge an der U20-WM teil. Der größte bisherige Erfolg war das Erreichen des Viertelfinales im Jahr 2014, wo die Neuseeländerinnen dann gegen Nigeria verloren. Das Ticket für das Turnier 2024 wurde durch den Gewinn des OFC U-19-Turniers 2023 mit einem Finalsieg gegen Fidschi gelöst.
Cheftrainer ist der ehemalige Mittelfeldspieler Leon Birnie, der seit 2015 Jahren wechselnde U-Teams Neuseelands anleitet und schon zum zweiten Mal Trainer der U20 ist. Ähnlich wie bei manchen Vereinen hat Birnie durch dieses Rotations-Verfahren die meisten Spielerinnen des Kaders über mehrere Jahre durch die verschiedenen Altersklassen begleitet.
Für das Turnier ist Maia Vink Birnies Co-Trainerin. Vink war zwischen 2021 und 2022 schon mal als Analystin und Assistentin im Staff der U20, ist aber seit rund einem Jahr Cheftrainerin und „Head of Women’s Football“ des Vereins Western Springs AFC und wurde in diesem Jahr als Trainerin des Jahres ausgezeichnet.
Players to watch: Milly Clegg, Suya Haering
Einige der jungen Spielerinnen sind schon früh ins Ausland gewechselt, die bekannteste von ihnen ist Milly Clegg, die sich Racing Louisville in der NWSL angeschlossen hat. Sie war Teil des Kaders der Heim-WM 2023 und spielte dieses Jahr auch schon bei den Olympischen Spielen. Aber auch eine Spielerin von Turbine Potsdam hat es in den Kader geschafft: Abwehrspielerin Suya Haering wurde in den USA geboren und wäre für vier Länder spielberechtigt (Deutschland, Neuseeland, USA, Taiwan). Seit ihrem Wechsel aus Neuseeland zur Turbine Anfang des Jahres kam sie zu einigen Einsätzen in der Regionalliga Nordost. Sie könnte sich bei der WM für höhere Aufgaben empfehlen.
Österreich
Österreichs U20 ist das erste Frauenteam überhaupt, das das eigene Land bei einem FIFA-Turnier vertritt. Eigentlich wäre also alles angerichtet für sehr viel Fußballfreude, allerdings hängt über diesem Erfolg ein Schatten.
Mitte Juli entließ der ÖFB den bisherigen Trainer Johannes Spilka mit Verweis auf „aufklärungsbedürftige Vorkommnisse“. Laut Medienberichten stehen Vorwürfe der sexualisierten Belästigung im Raum, die zwei Spielerinnen gegen den Trainer vorgebracht hatten. Der Verband nahm das sehr ernst und reagierte mit der Entlassung, zwei Assistentinnen reisten offenbar aus Solidarität mit Spilka daraufhin vom Lehrgang Anfang Juli ab.
Auch zwölf der Spielerinnen reisten ab, sie sollen nach der Aufklärung durch den Verband über die Vorkommnisse stundenlang befragt worden und die Situation verständlicherweise trotz psychologischer Betreuung als überfordernd empfunden haben. Auf der Trainerbank sitzt seitdem für die WM in Kolumbien Markus Hackl, bisher Assistent von Irene Fuhrmann bei der A-Nationalelf.
Players to watch: Valentina Mädl, Nicole Ojukwu
Valentina Mädl hat mit 18 Jahren für die SKN St. Pölten schon zwei volle Bundesliga-Saisons absolviert (21 Tore in 39 Bundesliga-Spielen), ihr Debüt feierte sie schon mit 15 für die SG USC Landhaus/FK Austria Wien. Für St. Pölten sammelte die Angreiferin erste Champions-League-Erfahrung und wurde dieses Jahr gemeinsam mit Nicole Ojukwu mit der gleichen Anzahl Stimmen auf den dritten Platz bei der Wahl zur Spielerin der Saison 2023/24 der österreichischen Bundesliga gewählt. Ojukwu schloss sich diesen Sommer dem SC Freiburg an.
Gruppe F
Argentinien
Argentinien ist zum ersten Mal seit 12 Jahren wieder für eine U20-WM qualifiziert, die letzte Teilnahme war im Jahr 2012. Bisher war nach der Gruppenphase immer Schluss und es gab erst einen Sieg: 2006 konnte La Albiceleste mit 4:0 gegen die DR Kongo gewinnen. Die Qualifikation gelang durch den vierten Platz beim diesjährigen U20-Südamerika-Turnier. Trainiert wird das Team von Christian Meloni, sein Assistent ist interessanterweise Germán Portanova – Cheftrainer der A-Nationalelf.
Player to watch: Juana Fonseca
Mittelfeldspielerin Juana Fonseca hat erst vor Kurzem die argentinische Staatsbürgerschaft erhalten, geboren wurde sie in Paraguay. Sie spielt seit sie 14 Jahre alt ist in Argentinien für San Lorenzo, angefangen hat sie dort als Futsal-Spielerin und als solche auch schon mehrere Titel gewonnen. Im Fußballteam von San Lorenzo wird sie gelegentlich auch als Stürmerin eingesetzt. In Argentiniens U20-Kader gehört sie zu den älteren und erfahreneren Spielerinnen.
Costa Rica
Die Gastgeberinnen des Jahres 2022 nehmen zum vierten Mal an einer U20-WM teil. Bisher konnte Costa Rica noch nie einen Punkt beim Turnier holen und kam folglich bisher nicht über die Gruppenphase hinaus. Folglich wäre schon ein Unentschieden ein erster Erfolg bei der WM.
Die 33-jährige Trainerin Ana Patricia Aguilar Córdoba war gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester früher selbst Fußballerin, musste ihre Karriere aufgrund vieler Verletzungen aber schon früh beenden. Sie wurde 2015 Co-Trainerin von Amelia Valverde beim A-Nationalteam und hat diese Position parallel bis heute inne. Von 2019 bis Ende 2022 leitete sie die U17 und übernahm dann im Februar 2023 die U20.
Player to watch: Sheika Scott
Die erst 17-jähirge Sheika Scott spielt für LD Alajuelese in Costa Rica und ist eigentlich schon eine gestandene A-Nationalspielerin mit zwölf Einsätzen, darunter drei Kurzeinsätzen bei der WM 2023 und vier beim diesjährigen Gold Cup. In der U20 wurde sie letztes Jahr beim Concacaf-Turnier mit sechs Treffern alleinige Torschützenkönigin. Sie ist eine kreative offensive Mittelfeldspielerin, die wegen ihrer Torgefahr aber auch hin und wieder ganz vorne eingesetzt wird.
Niederlande
Die Niederlande sind nach ihrer ersten Teilnahme 2018 zum dritten Mal in Folge für die U20-WM qualifiziert. Beim ersten Mal ging es bis ins Viertelfinale und 2022 bis auf den vierten Platz nach einer Niederlage im Halbfinale gegen die späteren Weltmeisterinnen aus Spanien. Einige Wochen vor der WM erreichten die Niederländerinnen im Testspiel gegen Spanien ein 1:1.
Trainerin Roos Kwakkenbos übernahm ihr Team erst im Mai. Sie spielte drei Jahre für den FC Utrecht und machte drei Partien im Nationalteam, musste dann aber wie so einige andere junge Trainer*innen dieser WM ihre Karriere aufgrund einer Knieverletzung beenden. Ab Mitte 2018 arbeitet Roos Kwakkenbos beim KNVB als Nationaltrainerin der U16 und Assistenztrainerin der U19.
Players to watch: Femke Liefting, Louise van Oosten
Die meisten Erstliga-Minuten gesammelt hat ADO Den Haags Louise van Oosten, die Mittelfeldspielerin geht in ihre vierte Profi-Saison und bekam jedes Jahr kontinuierlich mehr Spielminuten. Ihr großer Traum ist es, in Zukunft für den FC Barcelona spielen zu können. Torhüterin Femke Liefting spielte diese Saison für AZ Alkmaar durch und ist eine der Nominierten für den Johan Cruijff Award Talent des Jahres Award, der am kommenden Montag verliehen wird.
Nordkorea
Kleines Ratespiel: Wie oft hat Nordkorea an einer U20-WM teilgenommen und wie sieht wohl die Bilanz aus? Die Antworten darauf dürften gemessen an der regelmäßigen Verwunderung über Nordkoreas 9. Platz in der FIFA-Weltrangliste der Frauen für viele überraschend sein.
Durch die selbstgewählte Isolation der totalitären Diktatur vom Rest der Welt gibt es nur wenige Einblicke in die Gründe für Nordkoreas Stärke im Fußball der Frauen. Weil das A-Nationalteam dieses Jahr nur durch eine Niederlage gegen Japan die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris verpasste, gab es aber zuletzt eine Reihe von Erklärungsversuchen. Zwei davon vom Guardian und der BBC hier mal als Lese-Empfehlungen.
Aber zurück zur U20. Die ist dieses Jahr zum achten Mal bei einer WM dabei und konnte diese in den Jahren als einziges Land aus dem asiatischen Verband 2006 und 2016 zweimal gewinnen. Nur ein einziges Mal kam Nordkorea nicht über die Gruppenphase hinaus. Die Qualifikation für die U20-WM in Kolumbien wurde mit dem Gewinn des AFC U-20 Women’s Asian Cup erreicht, das Finale gegen Japan gewann Nordkorea mit 2:1.
Trainer ist seit Juli 2023 der 53-jährige Song-ho Ri, der früher selbst für den Verein Rimyongsu FC spielte, bis zu einer schweren Knie-Verletzung. Danach war er zunächst Vereinstrainer, bis er schließlich die U20 übernahm.
Unterstützt wird er von der ehemaligen Nationalspielerin Kum-suk Ri, die dreimal an einer WM teilnahm. Sie ist dreifache Asienmeisterin und gewann bei den Asienspielen 2006 Gold, was ihr die als Torschützenkönigin eine Nominierung zur Weltfußballerin des Jahres einbrachte. Nach ihrer aktiven Karriere arbeitete sie in der Trainer*innen-Ausbildung.
Players to watch: Chae Un-yong, Chae Un-gyong
Chae Un-yong wurde beim AFC U20 Women’s Asian Cup 2024 zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Sie ist nicht zu verwechseln mit Torhüterin Chae Un-gyong, die zur besten Torhüterin gewählt wurde. Sie bekam im gesamten Turnier nur ein einziges Gegentor im Finale gegen Japan. Irgendwas darüber hinaus herauszufinden ist quasi unmöglich.
Beitragsbild: IMAGO/USA TODAY Network, Sheika Scott: IMAGO/Agencia-MexSport