U20-Fußball-WM in Kolumbien: Vorschau auf die Gruppen A und B

Vom 31. August bis zum 22. September findet in Kolumbien die U20-WM der Frauen statt. In der dreiteiligen Vorschau auf alle Teams blicken wir auf die bisherige Bilanz der erstmals 24 teilnehmenden Nationalteams, die Trainer*innen und Spielerinnen, die wichtig werden könnten. An der einen oder anderen Stelle muss es aber auch um Themen gehen, die im Fußball nicht verschwiegen werden sollten.

Durch die Zeitverschiebung zu Kolumbien liegen die Anstoßzeiten der Spiele zwischen 21.30 Uhr und 3 Uhr deutscher Zeit. Gespielt wird in sechs Vierergruppen in den Städten Bogotá, Medellin und Cali. Die größten Herausforderungen neben der möglichen Zeitverschiebung dürften die Höhenmeter (1000m Cali, 2600m Bogotá) und je nach Ort die Luftfeuchtigkeit sein. Während in Deutschland alle Partien ausschließlich via FIFA+ im Livestream zu sehen sind, gibt es innerhalb Österreichs die Spiele der Österreicherinnen sowie das Finale bei ORF Sport+.

In Sachen Spielleitung testet die FIFA während des Turniers den Einsatz von Videounterstützung (nicht zu verwechseln mit dem VAR). Dabei werden „keine designierten Video-Spieloffiziellen eingesetzt und dementsprechend nicht alle für den Spielverlauf entscheidenden Vorfälle automatisch überprüft. Stattdessen haben die jeweiligen Cheftrainer*innen die Möglichkeit, eine begrenzte Anzahl an Überprüfungen pro Spiel zu beantragen, wenn sie der Meinung sind, dass es bei der Bewertung einer spielverändernden Situation wie Tor/kein Tor, Elfmeter/kein Elfmeter, direkte rote Karte oder Personenverwechslung einen klaren und offensichtlichen Fehler gegeben hat. Auch die Spielerinnen können den Trainer*innen empfehlen, eine Überprüfung zu beantragen.“

Vorschau auf die Gruppen C und D.
Vorschau auf die Gruppen E und F.

Gruppe A

Kolumbien

Die Gastgeberinnen stehen vor ihrer dritten U20-WM nach 2010 und 2022. Beim ersten Mal erreichte Kolumbien gleich den vierten Platz, vor zwei Jahren wurde es dann immerhin noch das Viertelfinale. Ebenfalls im Jahr 2022 erreichte Kolumbien bei der U17-WM das Finale gegen Spanien und musste sich nur knapp mit 0:1 geschlagen geben.

Einige der Spielerinnen von damals stehen im Kader für diese WM und das fußballbegeisterte Publikum in der Heimat wird einen zusätzlichen Push geben. Auch der Trainer ist – in Doppelfunktion – derselbe: Carlos Paniagua sollte seine Spielerinnen also gut kennen.

Players to watch: Linda Caicedo, Gabriela Rodríguez

Es ist fast schon langweilig, sie immer wieder zu nennen, aber es führt kein Weg an ihr vorbei: Linda Caicedo nimmt wie angekündigt nach den Olympischen Spielen auch an diesem Turnier teil, es ist innerhalb von rund zwei Jahren ihr siebtes internationales Turnier mit einem der kolumbianischen Nationalteams. Eine andere spannende Spielerin ist Gabriela Rodríguez, die als offensive Mittelfeldspielerin für América de Cali spielt.

Australien

Für Australien ist es bereits die fünfte Teilnahme an einer U20-WM, die Young Matildas sind im offiziellen Eröffnungsspiel gegen die Gastgeberinnen (das allerdings nicht das erste Spiel im Zeitplan ist) gleich von Anfang an gefragt. Bei drei der letzten vier U20-Weltmeisterinnenschaften konnten sie ihr erstes Spiel gewinnen. Die beiden besten Turniere waren 2002 und 2004, als jeweils das Viertelfinale erreicht werden konnte. Trainiert wird Australien von der 38-jährigen Leah Blayney, die 2004 und 2006 selbst als Spielerin am Wettbewerb teilnahm.

Players to watch: Jynaya und Indiana Dos Santos

Bei Jynaya und Indiana Dos Santos beinhaltet die Geschwisterliebe standesgemäß den einen oder anderen Spruch – und sehr viel gegenseitige Unterstützung. Immerhin spielen die beiden schon fast ihr komplettes Leben im selben Verein beim Sydney FC und wechselten jetzt gemeinsam zu einem anderen Verein in Sydney, den Blacktown Spartans. Während die erst 16-jährige Indiana hauptsächlich im Mittelfeld spielt, ist die 18-jährige Jynaya eine Stürmerin.

Kamerun

Für Kamerun ist die WM in Kolumbien das erste U20-Turnier bei den Frauen, für das der Verband sich qualifizieren konnte. Das gelang den „Unzähmbaren Löwinnen“ in einem Qualifikationsturnier mit fünf Siegen und einem Unentschieden in sechs Partien.

Trainer des Teams während der Qualifikation und auch noch für das Turnier ist Hassan Balla, der in der kamerunischen Liga der Frauen mit dem AS Aswa und den Authentic Ladies bereits mehrere Erfolge feiern konnte. Die Qualifikation für die WM bezeichnete er im Interview mit der FIFA als „beste Sache, die jemals in meiner Karriere passiert ist.“

Players to watch: Naomi Ndjoah Eto, Nina Ngueleu

Naomi Ndjoah Eto war mit sechs Toren Kameruns Top-Scorerin im Qualifikationsturnier. Es gibt aber auch einige Spielerinnen, die ihr Können bereits im französischen Vereinsfußball regelmäßig unter Beweis stellen, wie zum Beispiel Monique Ngock, Mittelfeldspielerin von Stade de Reims, die in den letzten beiden Spielzeiten 36mal in Liga oder Pokal eingesetzt wurde. Oder auch Nina Ngueleu, die letztes Jahr von PSG zu Montpellier wechselte und dort regelmäßig im Angriff eingewechselt wurde.

Mexiko

Für Mexiko ist es bereits die neunte Teilnahme in Folge an einer U20-WM und auch die Bilanz war in den letzten Jahren gut: viermal innerhalb der letzten sechs Teilnahmen wurde das Viertelfinale erreicht. Letztes Jahr gewann Mexiko das Concacaf-U20-Turnier, im Finale gelang ein 2:1-Sieg gegen die USA und somit die Qualifikation für die WM. Seit 2022 wird die U20 von Ana Galindo trainiert, die zunächst interimistisch und dann mit einem dauerhaften Vertrag das Team übernahm. Galindo ist damit Nachfolgerin von Mexikos Rekordnationalspielerin Maribel Domínguez.

Was nach einer netten Geschichte klingt, war aber eigentlich eine hässliche Angelegenheit. Domínguez wurde 2022 mit ihrem Staff suspendiert, dann entlassen und Ziel einer Untersuchung wegen Vorwürfen der sexualisierten Gewalt. Während Medien erst fälschlicherweise berichteten, dass Domínguez selbst die Täterin sei, wurde im Verlauf klar, dass die Spielerinnen sie vielmehr beschuldigten von den Taten ihres männlichen Staff-Mitgliedes gewusst und sie nicht geschützt zu haben.

Das war nur wenige Wochen vor der U20-WM in Costa Rica 2022. Während Domínguez Name mit all dem (zurecht) in Verbindung steht, ist der des eigentlichen Täters zumindest in internationalen Medien nicht öffentlich bekannt und wie leider auch viel zu häufig der Fall ist, findet man nach der ersten Aufregung zumindest in englischsprachigen Medien nichts mehr zu der ganzen Thematik. Vor all diesen Hintergründen ist die pure Freude der mexikanischen Spielerinnen beim Fußball umso bemerkenswerter

Player to watch: Alice Soto

Mit Alice Soto ist eine der absoluten Schlüsselspielerinnen vom letzten Jahr wieder mit dabei, sie wurde beim Concacaf-U20-Turnier zur besten Spielerin gewählt. Sie wurde im Jahr 2018 mit nur zwölf Jahren die jüngste professionelle Fußballerin, die beim mexikanischen Fußballverband registriert wurde, mit 13 folgte dann das Debüt in der Liga für ihren Verein Pachuca. Sie steht deshalb seit Jahren auf allen Talentlisten sehr weit oben.

Gruppe B

Brasilien

Brasilien ist eine von nur vier Nationen, die sich für alle 11 Ausgaben des Turniers qualifiziert haben. Im Jahr 2022 konnte das bisher beste Abschneiden aus dem Jahr 2006 erneut erreicht werden, weil der Dritte Platz gelang. In den Jahren 2002 und 2004 reichte es jeweils zum vierten Platz. Damals war die WM noch ein U19-Turnier und für Brasilien stand beide Male die gerade am Anfang ihrer Karriere stehende Marta auf dem Platz und drückte den Turnieren ihren Stempel auf.

Trainiert wird Brasiliens U20 von der ehemaligen Nationalspielerin Rosana dos Santos Augusto, die bei vier Weltmeisterinnenschaften und vier olympischen Fußballturnieren spielte. Rosana kam als Abwehr- und Mittelfeldspielerin im Vereinsfußball weit herum und spielte u.a. in Österreich, Frankreich und den USA. Die Titelsammlung wurde bei den meisten Umzügen größer.

Player to watch: Priscila Flor da Silva

Wer das olympische Fußballturnier der Frauen während Paris 2024 genau verfolgt hat, dürfte sich an den Namen Priscila Flor da Silva erinnern. Die 20-jährige Angreiferin kam bei den Olympischen Spielen 2024 dreimal zum Einsatz und sorgte für ziemlich viel Wirbel. Auch mit ihrem Jubel in Richtung Cata Coll in der Partie gegen Spanien. Für ihren Verein Internacional Porto Alegre gelangen Priscila in der Copa Libertadores 2023 sieben Tore und drei Vorlagen in sechs Spielen. Es ist ihre zweite und letzte U20-WM: 2022 traf sie in vier Spielen einmal.

Fidschi

Premiere! Bisher nahm noch nie ein Team aus Fidschi an einem FIFA-Wettbewerb der Frauen teil. Die Qualifikation gelang dieses Mal, weil bei der U19-Ozeanien-Meisterinnenschaft der zweite Platz hinter Neuseeland erreicht werden konnte – mit sechs verschiedenen Torschützinnen, denen im Turnierverlauf jeweils genau ein Treffer gelang. Bis auf drei Spielerinnen sind alle aus dem Kader in der heimischen Liga unterwegs, die meisten bei Ba FC.

Trainerin Angelina Chua Kai Yi ist eine ehemalige singapurische Fußballnationalspielerin und seit Februar 2023 parallel zur U20 auch für das A-Nationalteam Fidschis zuständig. Der 35-jährigen war vorher das Kunststück gelungen, das Team der Seychellen (f) im Jahr 2022 zum ersten Mal überhaupt auf die FIFA-Rangliste zu führen.

Player to watch: Preeya Chandra Singh

Viel ist über die einzelnen Spielerinnen bisher nicht bekannt. Mittelfeldspielerin Preeya Chandra Singh erzählte rund um das OFC-Turnier aber, warum sie sich als in den USA-Geborene für Fidschi entschied: „Mein Vater ist aus Kulukulu, Sigatoka und meine Mutter aus Nadi, also bin ich für Fidschi spielberechtigt. Mein Vater hat mich schon immer ermutigt, neben meinem Studium Fußball zu spielen und ist sogar mit mir nach Fidschi mitgekommen. Er wollte unbedingt, dass ich für Fidschi spiele.“, so Singh.

Frankreich

Frankreich erreichte 2016 bei der U20-WM den zweiten Platz und ist insgesamt zum neunten Mal im Wettbewerb vertreten. Damit hat Frankreich nach Deutschland die zweitmeisten Teilnahmen aller europäischen Nationen zu verzeichnen. Ein Aufeinandertreffen mit Deutschland sorgte auch für die Qualifikation zur WM in Kolumbien: Im Halbfinale der U19-EM 2023 verloren die Französinnen in der Verlängerung durch ein Tor von Franziska Kett. Allerdings wurde Louna Ribadeira mit vier Treffern Torschützenkönigin und wurde zur Spielerin des Turniers gewählt. Sie kann allerdings aufgrund einer Verletzung nicht an diesem Turnier teilnehmen.

Trainerin der französischen U20 ist die 50-jährige ehemalige Nationalteam-Verteidigerin Sandrine Ringler. Sie erwarb schon während ihrer Spielerinnenkarriere die erste Trainingslizenz und coachte zunächst immer die jeweiligen Jugendteams ihrer Vereine. Inzwischen hat sie mit vereinzelten Unterbrechungen viele Jahre Erfahrung als Jugendtrainerin beim französischen Verband.

Players to watch: Shana Chossenotte, Airine Fontaine, Marion Haelewyn

In Frankreichs Kader stehen gleich mehrere Spielerinnen, die in der Première Ligue zu regelmäßigen Einsätzen gekommen sind. Zum Beispiel Shana Chossenotte, die sich mit ihren Leistungen für Stade de Reims diesen Sommer ihren ersten internationalen Wechsel zu Leicester City erarbeitet hat. Oder Airine Fontaine vom FC Fleury 91. Beide sind Angreiferinnen, während Marion Haelewyn bisher in der 2. Französischen Liga verteidigte, nun aber den Sprung zu Stade de Reims in die 1. Liga geschafft hat.

Kanada

Kanada ist zum neunten Mal für eine U20-WM qualifiziert, nur nur 2010 und 2018 gelang dies nicht. Das beste Abschneiden ist allerdings eine ganze Weile hier, denn das war gleich bei der ersten Auflage des Turniers im Jahr 2002. Damals stand Kanada im Finale gegen die USA und verlor nach Verlängerung mit 0:1. Christine Sinclair wurde mit 10 Turniertreffern mit dem Goldenen Schuh und dem Goldenen Ball ausgezeichnet.

Ähnliche Heldinnen-Taten scheinen aktuell unwahrscheinlich, nach jahrelanger Vernachlässigung des Jugendbereichs gibt es vereinzelte Talente, aber in der Breite kann das Team von Trainerin Cindy Tye gegenüber Top-Nationen nicht mithalten. Tye ist sechsfache kanadische Nationalspielerin.

Player to watch: Olivia Smith

Olivia Smith kennen europäische Zuschauer*innen vielleicht von Sporting Lissabon, wo sie in der letzten Spielzeit mit wettbewerbsübergreifend 17 Toren und 14 Vorlagen in 34 Spielen in der vergangenen Saison so überzeugte, dass diesen Sommer nach nur einem Jahr der Transfer zu Liverpool anstand.

Beitragsbild: IMAGO/Agencia-MexSport

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

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