Die Geburtsstunde des Elfmeters
Warum gibt es im Fußball Elfmeter? Ganz klar: Es ist nicht irgendein Foul, sondern eine Torchance wird weggenommen. Warum kann man in so einer Situation nicht einfach ein Tor geben? Schwierig, denn es ist nicht immer klar, dass ohne Foul der Ball ins Tor gegangen wäre. Aber einfach weiterspielen ist auch nicht fair.
Nachdem wir nun wissen, wie der Elfmeter zu seinem Namen kam, geht es heute zurück zu seiner Geburtsstunde.
Den Elfmeter, oder auch Strafstoß genannt, gibt es bereits seit 1891. In dem Jahr wurde auch die Schiedsperson auf dem Spielfeld eingeführt, die direkt eingreifen und Entscheidungen treffen darf, statt nur auf Ansprache zu reagieren. Außerdem war das die Zeit, in der Fußball auch in England professionell wurde. Es war nicht mehr nur ein Zeitvertreib Gentlemen, die schon genug Geld für den Lebensunterhalt hatten, sondern auch für diejenigen, die mit Fußball ihren Lebensunterhalt verdienen wollten.
Die Kommerzialisierung nahm ihren Lauf: Wer gut war, bekam mehr Lohn und je mehr Einnahmen der Club generierte, desto höher war der Lohn. Einnahmen stiegen, wenn das Team erfolgreich war, also viele Tore schoss. Und man Gegentore verhinderte… auch mit unfairen Mitteln und so, dass es der Schiedsrichter möglichst nicht bemerkte.
Ein Duell
William McCrum war ein lausiger Torhüter. Nur selten konnte er Schüsse halten, die auf das Tor seines Clubs, dem nordirischen Milford FC, kamen. Er hing auch mehr an Glücksspielen als an der familiären Firma (Leinenherstellung). Obwohl er auch ein lausiger Glücksspieler war. Aber er hatte einen Sinn für Gerechtigkeit und kam deshalb auf eine Idee für den Fall, dass eine Torchance wegen eines unfairen Spiels unterbunden wurde:
Warum nicht einfach ein direktes Duell zwischen Schütze und Torwart als Sanktion einführen?
Wenn ihr jetzt an so ein klischeehaftes Duell denkt und Begriffe wie „Mann gegen Mann” und „Ehre wiederherstellen” damit verbindet: Ja, genau! Die Idee hinter dem Elfmeter war, dass es ein Duell war. Der Gefoulte hatte einen gerechten Vorteil, weil nur er schoss. <westernmusik on> Ein 1:1-Duell. Die faire Chance, doch ein Tor zu erzielen und auf der Linie die Person, die Mut zeigt, diesem fair entgegenzutreten. <westernmusik off>
Ein Jahr Bedenkzeit und lange Diskussionen
Seine Idee gab McCrum an seinen regionalen Fußballverband Mid Ulster Football Association weiter und dieser wiederum an den nationalen Verband, IFA – Irish Football Association. Diese reichte den Vorschlag für die neue Regel beim International Football Association Board, das wenige Jahre zuvor als gesamtbritischer Verband gegründet wurde, um einheitliche Regeln in den vier britischen Nationalverbände zu garantieren und weiterzuentwickeln.
Bei der jährlichen Generalversammlung des IFAB, die am 2. Juni 1890 in London stattfand, wurde nur dieser eine Vorschlag besprochen. Doch der Vorschlag wurde nicht angenommen. Er wurde aber auch nicht abgelehnt, sondern auf die nächste Sitzung vertagt – im Sommer 1891.
Diese fand am 2. Juni 1891 in Glasgow statt und als ersten Punkt stand der Elfmeter-Vorschlag auf der Tagesordnung. Das Protokoll vermerkte, dass sehr viel über diesen Vorschlag diskutiert wurde, aber after considerable discussion wurde der Vorschlag mit einer kleinen Änderung angenommen: Aus deliberately wurde intentionally.
Die Elfmeter-Regel von 1891
Sowohl deliberately als auch intentionally bedeuten beide Absicht im Deutschen, wobei bei intentionally den Vorsatz, die Intention betont. (Zu den unterschiedlichen Abstufungen der Absicht im Fußball habe ich hier in Bezug auf das Handspiel geschrieben.) Also, nur wenn ein Foulspiel vorsätzlich begangen wurde, um eine Torchance zu nehmen, sollte es einen Elfmeter geben.
Die vollständige Regel lautet 1891 so:
„If any player shall intentionally trip or hold an opposing player, or deliberately handle the ball, within twelve yards from his own goal-line, the referee shall, on appeal, award the opposing side a penalty kick, to be taken from any point twelve yards from the goal-line, under the following conditions:— All players, with the exception of the player taking the penalty kick and the opposing goalkeeper (who shall not advance more than six yards from the goal-line) shall stand behind the ball at least six yards from it. The ball shall be in play when the kick is taken. A goal may be scored from the penalty kick.“
Vier Unterschiede zu heute
Es gab 1891 vier große Unterschiede zu heute:
- Es gab keinen Elfmeterpunkt, sondern eine Elfmeterlinie.
- Nur vorsätzliche Foulspiele innerhalb dieser Bereiche jeweils 12 Yards bzw. 11 Meter vor den Toren wurden mit einem Elfmeter geahndet. Einen Strafraum gab es noch nicht.
- Dafür aber die Vorgabe, dass sich alle Spieler*innen dem Ball auf 6 Yards (5,5 Meter) nähern dürfen. Die Person im Tor durfte also auch den Abstand um die Hälfte verkürzen! (Mehr dazu findest du hier: „Als der Strafraum nur eine Abstandsmarkierung war„.)
- Außerdem durfte in diesem Fall die Schiedsperson noch nicht selbstständig die Strafe verhängen, sondern nur on appeal, also auf Bitte oder Beschwerde eines Teams.
Diese Unterschiede galten aber nur wenige Jahre und seit über 100 Jahren wird der Elfer so ausgeführt, wie wir ihn heute kennen.
Für Fußballchronist*innen stellt sich noch die Frage, wann der erste Elfmeter geschossen wurde. In verschiedenen Fußballchroniken steht, dass es der 6. Juni 1891 war. Es gibt aber auch einen Zeitungsbericht, der bereits für 1890 in den englischen Midlands einen Elfmeter beschreibt. Wurde er dort vom IFAB vorab getestet? Vermutlich nicht. Wahrscheinlicher ist, dass man dort bereits 1890 von McCrums Idee erfuhr und sie so gut fand, dass man sie in das Spiel integrierte.
Zur Historie des Elfmeters ist auch in der aktuellen Schiri-Zeitung des DFB ein Artikel von mir erschienen. Die Zeitung ist frei zugänglich, aber die Seite nicht direkt verlinkbar. Blättert einfach auf Seite 20 vor.
Beitragsbild: IMAGO / TopFoto