Almuth Schult im gelben Torhüterinnen-Trikot geht mit einem Einlaufkind an der Hand auf den Platz und blickt direkt in die Kamera, die jemand auf der Schulter vor ihr trägt.

Hier könnte eine Spielanalyse stehen: Übertragungen 2. Bundesliga der Frauen

Wer Übertragungen der Spiele der 2. Bundesliga der Frauen schauen möchte, guckt in die Leere oder wird seekrank. Zu sehen gibt es mit dem aktuellen System jedenfalls nicht viel. Das ist schlecht für Vereine wie Fans und macht außerdem eine Berichterstattung über den lokalen Rahmen hinaus quasi unmöglich.

Der Aufstiegskampf in der 2. Bundesliga der Frauen ist so spannend wie nie: Vor dem 23. Spieltag hatten sechs Teams noch gute Chancen auf einen der ersten beiden Plätze – und da ist die SG Andernach schon nicht mehr berücksichtigt, weil der Verein wiederholt keine Lizenz für die 1. Bundesliga beantragt hat.

Mit der Partie des Hamburger SV gegen Turbine Potsdam gab es zudem ein direktes Duell: Setzt die Turbine sich auf dem ersten Tabellenplatz ab? Oder rücken die Frauen des HSV noch mal richtig nah an die Aufstiegsränge heran? Was macht Almuth Schult bei ihrem zweiten Einsatz in dieser Saison für Hamburg? Wie präsentieren sich die potenziellen Aufsteigerinnen mit Blick auf die nächste Saison aktuell eigentlich so?

Lauter Fragen, die sich normalerweise damit beantworten ließen, das Spiel anzuschauen. Schließlich gibt es doch einen Stream des Anbieters Sporttotal, seit dieser Saison und bis zum Ende der Spielzeit 2026/27 der offizielle Streamingpartner der 2. Bundesliga. Sporttotal wurde damit Nachfolger von Staige, ehemals Soccerwatch, dessen Modell sehr ähnlich ist.

„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“

Diese Streams wecken in mir Erinnerungen an mein Studium und den dort besprochenen alten Ausspruch von Hans-Joachim Kulenkampff: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“ Während bei seiner Live-Sendung mit Studio-Publikum das ausgefallene Licht irgendwann wieder angeknipst wurde („… Und was Sie nicht sehen, sehen Sie gleich.“) gilt das für die automatisierten Übertragungen nicht.

Die einzig vorhandene 180-Grad-Kamera, die durch eine Software gesteuert wird, soll immer automatisch den Ball anfokussieren. Die Technik lässt sich aber in der Praxis leicht genug stören und kann den Ball nicht vom Hintergrund unterscheiden oder hält einen anderen hellen Pixelhaufen für eben diesen, seien es ein grell-gelbes Torhüterinnen-Trikot oder die weißen Schuhe einer Spielerin.

So fallen wichtige Schiedsrichterinnen-Entscheidungen oder gar Tore, ohne, dass die Zuschauer*innen es sehen. Beim Spiel des HSV gegen Turbine Potsdam letzten Sonntag zum Beispiel das wichtige 1:1 der Hamburgerinnen, laut offiziellem Spielbericht offenbar ein Eigentor von Jennifer Cramer – es hätte genauso gut aber auch ein Fallrückzieher von Marta höchstpersönlich sein können. Wer von denen, die nicht im Stadion waren, könnte es schon sagen?

Spielszene aus der Partie HSV gegen Turbine Potsdam, Hamburgs Larissa Mühlhaus liegt quer in der Luft und versucht mit einem Seitfallzieher den Ball über sich aufs gegnerische Tor zu bringen. Gleichzeitig fliegt Potsdams Jennifer Cramer mit dem Kopf voran in Richtung Ball. Die Mitspielerinnen der beiden schauen gebannt auf die Szene, im Hintergrund ist die Schiedsrichterin und die Tribüne mit Fans zu sehen.
Larissa Mühlhaus probiert es für den HSV mit einem Seitfallzieher gegen Turbine Potsdams Jennifer Cramer. Foto: IMAGO/Hartensteiner.

Die 2. Bundesliga könnte mittelfristig spannend werden

Abgesehen davon schwimmt das Bild durch die intensiven Schwenkbewegungen der einen Kamera so sehr hin und her, dass die Übertragungen selbst ohne solche Totalausfälle nur schwer zu ertragen sind. Im Gaming spricht man von motion sickness, wenn eine visuelle Bewegung nicht mit dem eigenen Gleichgewichtsgefühl übereinstimmt und dadurch ein Gefühl von Unwohlsein, Schwindel oder gar Übelkeit ausgelöst wird.

Die Spiele lassen sich also außerhalb des Stadions nicht in sinnvoller Weise anschauen und dementsprechend auch nicht verlässlich beschreiben oder gar analysieren (ironischerweise ist letzteres eines der Argumente des Unternehmens und vergleichbarer Konkurrenzprodukte in der Werbung, die sich an Vereine richtet). Wer keinen der Klubs aus der 2. Bundesliga der Frauen vor der eigenen Haustür hat, muss entweder eine weite Reise auf sich nehmen, oder hat eben Pech gehabt.

Der Domino-Effekt davon ist, dass es extrem schwierig ist, mit dieser dünnen Grundlage auf einem guten Niveau weiterzuarbeiten, obwohl es im Vergleich zu Vorjahren endlich mal einen spannenden sportlichen Wettbewerb in der Liga gibt – auch deshalb, weil es mal „nur“ vier Zweitvertretungen sind und diese allesamt in der unteren Tabellenhälfte herumdümpeln.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es in der nahen bis mittelfristigen Zukunft ähnlich sein könnte, denn aus den Regionalligen und denen noch weiter darunter drängen diverse Lizenzvereine mit ihren jüngst gegründeten Abteilungen nach – DFL-Lizenz-Verpflichtung sei Dank – und genug von ihnen sind so ambitioniert, bis in die 1. Bundesliga vordringen zu wollen. Da der DFB vor der neuen TV-Ausschreibungsperiode ab 2027/28 die 1. Liga nicht vergrößern will, ist das ein oder andere Drama in den oberen zwei Ligen also quasi vorprogrammiert.

Bald keine Zweitvertretungen mehr?

Vielleicht fliegen nach und nach sogar noch mehr der Zweitvertretungen ohne Zutun des DFB aus der Liga. Diese Saison trifft es auf jeden Fall Hoffenheim II und womöglich Wolfsburg II und/oder Bayern II. Für die 2. Bundesliga wäre das gut, weil sie dann endlich mal wegkäme vom Status einer verkappten Ausbildungsliga, die nur dazu da ist, die 1. Bundesliga zu füttern.*

Es könnte also sportlich zumindest vorübergehend zu so etwas wie einer Gesundung des eigentlich extrem schiefen Systems kommen. Spielerinnen, die einen Aufstieg von der 2. in die 1. Bundesliga mitgemacht oder einen entsprechenden Wechsel vollzogen haben, sprechen allesamt von dem großen Sprung, den das erfordert, weil das Niveau so weit auseinanderliegt.

Zur Illustration: Die zwei Aufstiegsplätze in die 1. Bundesliga gibt es seit der Saison 2012/2013. In der ganzen Zeit gab es keine einzige Saison, in der nicht mindestens eines der Aufstiegsteams direkt wieder abgestiegen ist, in drei der Saisons waren es sogar beide.

Wachstum nur für die 1. Bundesliga?

Es ist natürlich längst nicht gesagt, dass durch die Teilnahme von mehr Lizenzvereinen das sportliche Niveau automatisch besser wird, da die Frauen häufig genug nicht die Bedingungen bekommen, die einem Lizenzverein entsprechen – das sehen wir schon in der 1. Bundesliga und einfach daran, welche Trainingszeiten die Frauen erhalten und die Abteilungen für die Öffentlichkeit präsentiert werden.

Dennoch ist der Kreislauf, um den es mir hier geht, bereits aus jahrzehntelangen Diskussionen bekannt: besserer sportlicher Wettbewerb – bessere Übertragungen – mehr sonstige Medienaufmerksamkeit – Wachstum – Repeat (bis zu einem gewissen Punkt). Einzelne Vereine, die es sich leisten können und wollen, steuern bereits nach (Viktoria Berlin in Kooperation mit Sporttotal beim Spiel gegen Union) oder haben das Glück, dass lokale Sender sich interessieren (wie der RBB für das Derby von Union gegen Hertha BSC). Interessanterweise sind beide Beispiele aus der Regionalliga.

Für eine stabile Pyramide, egal ob aus Steinen oder Fußballligen, ist es auf Dauer schlecht, wenn sich alles allein auf die Spitze konzentriert – früher oder später bricht sie zusammen. Für Vereine bedeutet das, dass sie Möglichkeiten brauchen, sich auch in den unteren Ligen stabil finanziell so aufstellen zu können, dass ein gutes sportliches Niveau möglich ist und dafür braucht es eben die Plattform von guten Übertragungen, um für potenzielle Sponsoren interessant zu sein. Und statt schwankender Kameras gäbe es auch noch das Format der Radio-Konferenz.

Update (12.05.2024): Ich wurde darauf hingewiesen, dass Claus Gahr das Thema gegenüber Sporttotal angesprochen, deren Antwort hat er vor ein paar Tagen hier via Facebook veröffentlicht. Sehr empfehlenswet ist auch die „AUSDEMFF“-Folge mit SV Meppens Sportlicher Leiterin Maria Reisinger, wo das Thema auch bereits aufkam. An meiner inhaltlichen Kritik an der Übertragungsqualität ändert sich durch die Erklärungen von Sporttotal zum technischen Prozedere nichts, auch wenn dadurch der Aufwand verständlicher wird. Sie wird eher sogar noch schärfer, weil ein Produkt, das offensichtlich für die Aufgabe nicht geeignet ist, quasi an der Liga „trainiert“ wird. Wer nutzt hier also wem?

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*Ich könnte eine sehr, sehr lange Fußnote dazu schreiben, was das im Zusammenhang mit den Entwicklungen der tatsächlichen Ausbildungsligen bedeutet, aber dazu mal zu einem anderen Zeitpunkt mehr.

Beitragsbild: IMAGO/Lobeca

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.

4 thoughts on “Hier könnte eine Spielanalyse stehen: Übertragungen 2. Bundesliga der Frauen”

  1. Servus, also so als 1. Bundesliga-Neuling, weil mein Herzensverein dieses Jahr das erste Mal dabei war, seit ich Frauenfußball sehe, war ich schon entsetzt über die Übertragungsqualität der 1. Liga. Ich kenne zwar die Geschichten, dass die Nati früher mit weniger Kameras gespielt hat als die Männer und dass dies viel ausmacht, aber mal eine ganze Saison zu verfolgen, bei der immer wieder solche Übertragungen stattfinden, fand ich schon abschreckend. Leipzig zu Hause fand ich am schlimmsten, und entweder in Leverkusen oder Köln fehlt einfach ein Stück des Spielfeldes, wenn der Ball zu nah an der Seitenauslinie auf Kameraseite ist, dann muss erst auf eine andere Kamera umgestellt werden, was beim Zusehen einfach stört. Ich weiß, es ist Jammern auf hohem Niveau im Vergleich zu früher. Aber das in Kombination mit dieser Spieltagszerstückelung hat verhindert, dass ich deutlich mehr Spiele angesehen habe. Während ich bei den Männern durchaus Spiele ansehe, die für meinen Verein nicht relevant sind, habe ich auch relevante Spiele für die Frauen nicht angesehen, weil die Übertragung einfach genervt hat. Da bleibe ich dann lieber beim Ticker.

    Grüßle vom wieder Zweitligisten.

    PS: Vielleicht stört es nicht mehr so, wenn ich nun die Qualität der 2. Liga genießen durfte . 😉

    1. Hallo! Es ist auch in der 1. Liga noch extrem verbesserungsbedürftig, das stimmt auf alle Fälle. Mal abgesehen davon, was die Sender an Equipment bereit sind zu bezahlen/mitzubringen, hängt es auch von den Spielorten ab, da ist das in Leipzig auf jeden Fall am schlechtesten geeignet. Da das so stark aneinander gekoppelt ist, lässt sich das so richtig auf Dauer wahrscheinlich nur über die Lizenzbedingungen für die Stadien lösen – aber da ist dann die Frage, ob die leeren Riesenstadien immer das sind, was man will. Mara und ich hatten es letztens im Podcast schon davon, dass eigentlich moderne kleinere bis mittelgroße Stadien fehlen. Aber das wäre natürlich eine Riesen-Investition.

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