Alex Morgan von hinten im US-Trikot mit der Rückennummer 13 in Regenbogen-Farben. Auch die Kapitänsbinde ist in Regenbogenfarben. Credit: IMAGO/ZUMA Wire

US-Frauen-Nationalteam: Die eigenen Werte erhalten und weitergeben

Im Vorfeld des She Believes Cup stehen in den USA derzeit nicht nur sportliche Themen im Fokus. Das Augenmerk liegt auch darauf, wie die US-Spielerinnen ihren langen Einsatz für die Rechte queerer Menschen fortführen, nachdem mit PSG-Spielerin Korbin Albert eine von ihnen mit ihrem Verhalten in sozialen Medien irritiert hat. Alex Morgan und Lindsey Horan haben nun einen ersten Eindruck gegeben, wie das Team die Themen verhandelt.

Megan Rapinoe ist weder die erste noch die einzige Spielerin, die Themen sozialer Gerechtigkeit im US-Fußball eingebracht hat. Sie hat ihnen mit der ihr eigenen Art in den zurückliegenden Jahren aber ein Gesicht gegeben und sie zudem vielfach auf ein neues Level gehoben. Dabei hat Rapinoe, die – Jugendteams inklusive – mehr als 20 Jahre lang für ihr Land aufgelaufen ist, immer das große Ganze im Blick gehabt, sich gegen alle Formen von Diskriminierung stark gemacht. In Erinnerung bleibt nach ihrem Karriereende neben vielen jubelnden Posen und kämpferischen Aussagen deshalb auch der stille Moment, als Rapinoe in Solidarität mit Quarterback Colin Kaepernick auf die Knie ging, während die Nationalhymne gespielt wurde.

Megan Rapinoe von hinten, soe trägt ein dunkelblause USA-Trikot, auf dem ihr Name steht, darunter die Nummer 15 in Pride-Farben. Credit: US Soccer Media
Seit 2017 zeigen die Spieler*innen der US-Nationalteams im Juni ihre Unterstützung für LSBTIQA+ auch mit Regenbogen-Rückennummern. Credit: US Soccer

Ein Thema, das Rapinoe ebenso wie ihre Teamkolleginnen in den letzten Jahren in einer Mischung aus großer inhaltlicher Behutsamkeit und dem Verständnis für gesellschaftliche Dringlichkeit behandelt haben, ist Offenheit und Gleichstellung rund um LSBTIQA+. Dazu gehörten neben öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie den Pride-Rückennummern beider US-Teams (w/m) in wiederkehrenden Spielen seit 2017 speziell ein engagierter Einsatz für Rechte und Sicherheit von trans Personen im Sport und darüber hinaus in Zeiten, in denen sich die Gesetzgebung in den USA gegen diese Menschen richtet.

Die Fußballerinnen sind Verbündete und Vorbilder

Für viele Fans sind die Fußballerinnen damit wichtige Verbündete und Vorbilder. Natürlich gibt es in den USA – wie überall sonst – aber auch die andere Seite: Leute, die sich darüber beklagen, ihr Sport würde instrumentalisiert, die speziell Rapinoe als Feindbild ausgemacht haben, ihren Abschied aus dem Nationalteam geradezu feiern. Die hoffen, die Sichtbarkeit all dieser Themen habe sich mit ihrem Abschied erledigt.

„For all my trans homies enduring this horrific treatment day in and day out, I see you and hear you and I am WITH YOU.“

Megan Rapinoe

Als vor einigen Tagen öffentlich wurde, dass PSG-Mittelfeldakteurin Korbin Albert, seit November 2023 Spielerin im US-Nationalteam, queerfeindliche Inhalte in den sozialen Medien geteilt hatte, entfaltete das durchaus Schockwirkung. Es gab daneben aber die erwartbaren Stimmen in den USA, die feierten, was die 20-Jährige mit Reichweite versah. Neben einem Video, in dem eine Person darüber sprach, sich trans „zu fühlen“ und warum das ebenso wie Homosexualität „falsch“ sei, gehörte zu den Inhalten, die Albert mutmaßlich unterstützte, auch ein Post mit den Worten: „God taking time off performing miracles to make sure Megan Rapinoe sprains her ankle in her final ever game.“ Die Spielerin hatte sich in ihrem letzten Ligaspiel im November 2023 nach wenigen Minuten schwer verletzt.

Wie aufrichtig ist Alberts Entschuldigung?

Rapinoe war denn auch die erste aus dem Dunstkreis des Nationalteams, die sich zu Wort meldete, ohne jedoch eindeutigen Bezug auf Alberts Aktivitäten zu nehmen. Via Instagram-Story äußerte sie sich vor allem unterstützend gegenüber trans Personen und endete mit den Worten: „For all my trans homies enduring this horrific treatment day in and day out, I see you and hear you and I am WITH YOU.“

Albert, die seit Rapinoes Karriereende im Nationalteam deren bisherige Rückennummer 15 trägt, entschuldigte sich kurze Zeit später ebenfalls via Instagram-Story mit den Worten: „I want to sincerely apologize for my actions on social media. Liking and sharing posts that are offensive, insensitive and hurtful was immature and disrespectful which was never my intent.“ Ob diese Worte wirklich sincere, also aufrichtig sind, oder aus der Sorge um die eigene Karriere entstanden, weiß letztlich nur Albert selbst. Klar war zum Zeitpunkt ihrer Entschuldigung vergangenen Donnerstag bereits, dass sie im Kader für den She Believes Cup steht und dort ihren Teamkolleginnen begegnen würde, von denen ihr bewusst sein musste, dass deren Haltung und ihre zuvor geteilten Inhalte einander diametral gegenüberstehen.

Im Podcast „Good Vibes FC“ thematisierten Samantha Mewis und Lynn Williams, ehemalige und aktuelle US-Nationalspielerinnen, die Causa noch vor den ersten Medienterminen rund um den Cup. Sie betonten vor allem, die Debatte gehe weit über den Fußball hinaus. Mewis sagte dazu, der Fußball der Frauen sei vielfach inklusiver als die Gesellschaft insgesamt und habe deshalb die Verantwortung, Menschen, zu schützen, die zu marginalisierten Gruppen gehören. Beide ernteten dafür online Zuspruch ebenso wie Gegen- und Hassrede.

Diskriminierung ist keine Meinung

Auffällig ist die wiederkehrende Behauptung trans- und queerfeindlicher Kommentierender, der Einsatz der US-Spielerinnen für LSBTIQA+Rechte sei ebenso unter „Meinungsfreiheit“ abzubuchen, wie queeren Menschen ihre Rechte – bis hin zu denen rund um ihre Existenz – abzusprechen. Eine Aussage, die natürlich kompletter Unsinn ist, aber auch hierzulande ein gern zitiertes Scheinargument, um die eigenen feindlichen Ansichten aufzuwerten.

One Love: Lindsey Horan zeigt bei einem Spiel des US-Nationalteams mit ihren Händen ein Herz. Sie trägt das weiße US-Trikot mit blauen Sprengseln, darauf ihre Nummer zehn, die Trikot-Hose ist blau. Neben ihr im Bild ihre Mitspielerin Trinity Rodman. Credit: IMAGO/USA TODAY Network
One Love: Lindsey Horan feiert ihr Tor – und steht zu ihren Werten. Credit: IMAGO/USA TODAY Network

Am Mittwoch äußerten sich Lindsey Horan und Alex Morgan zu den Vorfällen. Beiden ist ihre Betroffenheit in dem entsprechenden Video anzumerken und sie lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass sich das Team weiterhin positionieren und äußern wird. Horan spricht von einer „enttäuschenden Situation“ und betont: „We’ve worked extremely hard to uphold the integrity of this national team through all of the generations and we are extremely, extremely sad that this standard was not upheld. Our fans and our supporters feel like this is a team that they can rally behind. And it’s so important that they feel and continue to feel undeniably heard and seen.“

Morgan erklärt: „We stand by maintaining a safe and respectful space, especially as allies and members of the LGBTQ+ community.“ Man erachte es nicht als selbstverständlich, durch die eigene Reichweite die Möglichkeit zu haben, Themen, die ihnen als Team am Herzen liegen, zu beleuchten und adressieren, fuhr Morgan fort. „We’ll keep using this platform to give attention to causes that are important to us. “ Beide weisen auf die Gespräche hin, die es innerhalb des Teams rund um die Vorfälle gegeben habe und betonten, diese sollen weitergehen.

Darauf, wie sich die Spielerinnen intern auseinandersetzen, wird es ankommen. Denn wie es scheint steht das Nationalteam nicht nur sportlich, sondern auch, was das Bekenntnis zu gesellschaftlichen Themen angeht, vor der Aufgabe, einen Generationswechsel erfolgreich zu gestalten.

Beitragsbild: IMAGO/ZUMA Wire

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Mara Pfeiffer begleitet als Journalistin seit vielen Jahren den 1. FSV Mainz 05 mit Analysen und Kolumnen. In TV- & Radio ist sie als Expertin rund um Fußballthemen auf und neben dem Platz zu Gast. Sie gehört zur Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“. Für Sport1 spricht Pfeiffer im Podcast „Flutlicht an!“ mit Menschen über Fußball, die zu wenig im Rampenlicht stehen. In ihrer web.de-Kolumne schreibt sie über gesellschaftliche Schieflagen und wie diese sich im Fußball wiederspiegeln. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur und Autorin von neun Büchern, darunter Sachbücher und Krimis rund um Mainz 05, sowie die Biografie von Wolfgang Frank. Das Medium Magazin wählte Pfeiffer bei den Journalist*innen des Jahres im Sport 2022 auf Platz 3.

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