Strafraum, Torraum, Elfmeterpunkt sahen vor 1902 anders aus als heute. Foto: public domain/gemeinfrei

Als der Strafraum nur eine Abstandsmarkierung war

Strafraum, Torraum, Elfmeterpunkt sahen vor 1902 anders aus als heute. Das liegt auch daran, dass die Regel 1 über die Spielfeldmarkierungen zunächst nur aus wenigen Wörtern bestand, in den London FA Rules von 1863 waren es gerade einmal 47 Wörter – ein Bruchteil der heutigen Regel 1. Auch, weil nach 1863 neue Markierungen hinzukamen. Und um drei davon geht es heute.

Natürlich hinkt der Vergleich. 1883 wurden Linien vorgeschrieben, zunächst aber nur Außen- und Mittellinien. Strafraum, Elfmeterpunkt und Torraum kamen erst 1891 hinzu, als der Elfmeter ins Regelwerk aufgenommen wurde.

Was Strafraum und Elfmeterpunkt mit dem Elfmeter zu tun haben, ist klar. Aber was hat der Torraum damit zu tun?

Ganz simpel: Bei einem Strafstoß oder Elfmeterschießen waren es die Abstandsmarken für die Spieler*innen (Strafraum) und den*die Torhüter*in (Torraum) und daher jeweils 6 yd (ca. 5,5 m) vom Punkt entfernt.

Das klingt verwirrend.

Der Torraum hatte eine B-Form, der Strafraum war eine kurze Linie

Verwirrend vor allem, wenn man die heutige Markierung vor Augen hat. Aber die ist „erst“ seit 1902 so, wie wir sie kennen. Von 1891 bis 1902 war:

  • Der Strafraum war eine kurze Linie in der Mitte des Spielfeldes, nicht durchgehend von Seite zu Seite (18 yd vor dem Tor).
  • Der Elfmeterpunkt war eine durchgehende Linie parallel zur Grundlinie (12 yd vor dem Tor).
  • Der Torraum bestand aus zwei Halbkreisen, die von den Torpfosten aus gemessen wurden (Radius je 6 yd).

Es gibt nur wenige Fotos, die diese Markierungen zeigen, dies ist eines davon.

Strafraum, Torraum, Elfmeterpunkt sahen vor 1902 anders aus als heute. Foto: public domain/gemeinfrei
Strafraum, Torraum, Elfmeterpunkt sahen vor 1902 anders aus als heute.

In der ursprünglichen Strafstoßregel von 1891 konnte der Strafstoß von jedem Punkt der Strafstoßlinie ausgeführt werden. Es musste nicht genau der Punkt in der Mitte des Tores sein. Alle anderen Spieler*innen duften bis zu 6 Yards, also 6 Schritte (ca. 5,5 Meter) entfernt sein – nicht wie heute 10 Yards (9,15 Meter). Und: Das galt auch für die Torhüter*innen, die den Abstand um 6 Schritte verringern und aus dem Tor kommen durften.

Die durchgehende 12-Yard-Linie war deshalb so dominant, weil sie damals die Strafraumgrenze markierte. Nur wenn das Foul oder das absichtliche Handspiel innerhalb der 12 Yards vor dem Tor stattfand, gab es einen Strafstoß.

Heutige Markierungen seit 1902

So entstanden die Markierungen vor dem Tor. Während sich der Strafstoß bewährte, hielt man die Markierungen für nicht so ideal und änderte sie in die heutige Form mit Kasten und Punkt.

Dies beschloss der IFAB auf seiner Generalversammlung am 16. Juni 1902 im nordenglischen Scarborough. (Übrigens auf der gleichen Versammlung, auf der der Schiedsrichter zum „Luft“ wurde, was erst kürzlich wieder rückgängig gemacht wurde).

Das „D“ vor dem Strafraum kam erst 1938 hinzu – und eine Entfernungsmarkierung, 10 Meter vom Elfmeterpunkt entfernt.

Eine Frage bleibt: Warum heißt es eigentlich Elfmeter? Warum nicht Zwölfschritter? Und warum hat sich das regeltechnisch korrekte Wort „Strafstoß“ in Deutschland nicht so recht durchgesetzt? Mehr dazu am übernächsten Freitag.

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Petra Tabarelli ist Fußballhistorikerin und -journalistin. Die Spezialistin für die Entwicklung der Fußballregeln schreibt für die DFB-Schiedsrichter-Zeitung, ist als Expertin im Deutschlandfunk zu hören und hat als Beraterin fürs IFAB gearbeitet. Tabarelli ist Mitglied des prämierten Kollektivs „FRÜF“ und setzt sich in der web.de-Kolumne für eine stärkere Präsenz und Förderung von Schiedsrichterinnen im Fußball der Männer ein. 2023 wurde sie zum Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur ernannt. Zudem hat die Expertin die erste Biografie über den zu Lebzeiten sehr bekannten Simon Rosenberger geschrieben, einen jüdischen Fußball-Pionier und Begründer der DFB-Schiedsrichter-Zeitung, der zuvor aus der Geschichte getilgt worden war.

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