Christian Wück: Blick in die Vita des neuen Bundestrainers der Frauen
Christian Wück also. Der 50-Jährige, der die U17 des DFB im vergangenen Jahr zum EM- und dem WM-Titel geführt hat, wird nach dem Olympischen Turnier in Frankreich die Nationalelf der Frauen von Interimstrainer Horst Hrubesch übernehmen. Es lässt sich festhalten, Wück ist Einer, den Beobachter*innen für diesen Posten nicht auf dem Zettel hatten. Das muss nicht schlecht sein, genauso wenig wie die Tatsache, dass er im Bereich Frauen als Trainer bislang keine Erfahrung gesammelt hat. Beides bleiben zunächst einfach Beobachtungen.
Beobachtungen zu Wücks Laufbahn
Bevor Wück 2011 zum DFB wechselte, waren seine Trainerstationen die als Co der Amateure von Arminia Bielefeld, wo er zudem als Spielerbeobachter agierte. Später war der Unterfranke Coach beim SV Enger-Westerenger (Verbandsliga Westfalen), von wo ihn der Weg zunächst als Co-und dann als Cheftrainer zu Rot Weiss Ahlen führte. Mit seinem Team, zu dem der junge Marco Reus gehörte, stieg er direkt in der ersten Saison 2007/08 in die 2. Liga auf, wurde aber im März 2009 nach einer zwischenzeitlichen Talfahrt entlassen.
Es folgte ab Oktober 2009 eine Anstellung bei Holstein-Kiel, damals Drittligist, wo Wück am Ende der Saison 2009/10 beurlaubt wurde. In der Folge arbeitete er als Cheftrainer des Camps, welches die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) für vertragslose Spieler betreibt. Die Berufung zum Co-Trainer der U16 neben Steffen Freund brachte ihn 2011 zum DFB.
Jede*r bringt sich selbst und eigene Erfahrungen mit
Man tritt Wück sicher nicht zu nahe damit, zu sagen, seine Vita bis zu diesem Zeitpunkt hätte eine Berufung zum Nationaltrainer der Männer wohl kaum ermöglicht. Allerdings lohnt sich erstens die genauere Betrachtung seiner Zeit im DFB, zum anderen tritt man Hansi Flick sicher nicht zu nahe damit, festzuhalten, die Erfolge mit dem FC Bayern haben ihm bei der DFB-11 ebenso wenig genutzt wie seine früheren Erfahrungen mit dem Nationalteam (m). Sprich, jede Person bringt immer sowohl sich selbst als auch die eigenen Erfahrungen in einen Job ein und verdient es deswegen, individuell betrachtet zu werden.
Zurück also zu Wück und seiner Zeit im DFB. Dort wurde er bei der U16 nach einer Saison vom Co- zum Cheftrainer und übernahm 2013 die U17. Mit der erreichte er 2015 das Finale der EM (was zugleich die Qualifikation zur WM bedeutete), in dem das Team Frankreich unterlag. In der Folgezeit betreute Wück seine Spieler immer für zwei oder drei Jahre, übernahm sie also in der U15 oder U16 und arbeitete bis in die U17 mit ihnen. Er hat Erfahrungen gesammelt damit, Teams über einen längeren Zeitraum zu entwickeln. Zusätzlich hat sich der Coach zu einer starken Stimme entwickelt, wenn es um die Forderung geht, junge Spieler auch auf der Vereinsebene früher an die Erste Mannschaft heranzuführen.
„Das Wichtigste war der Glaube, es zu schaffen. Ich habe den Jungs in der Begrüßungsrede nicht gesagt, dass wir es schaffen können, sondern es schaffen werden. Solche Worte klingen immer leichtsinnig, aber im Trainerteam gab es wirklich ein tiefes Vertrauen in die Mannschaft.“
Christian Wück über den EM-Titel mit der U17
Wer Interviews mit Wück liest, stellt fest, wie intensiv er den Blick gerade auch im Erfolgsfall von sich weg und auf das Team lenkt. Nach dem Gewinn des WM-Titels erklärte er, ihn freue die Aufmerksamkeit für seine Jungs, zumal er diese nach dem vorangegangenen Sieg im EM-Finale so nicht wahrgenommen habe. Bei der EM gehörte es zu den Stärken des Teams, Spiele zu drehen und viele Tore zu schießen. Im Nachgang betonte der Trainer, zentral sei für ihn in der Ausbildung von jungen Fußballern, ihnen Zeit zu geben, um sich zu entwickeln.
Der anschließende WM-Titel wurde weder den Spielern noch Wück selbst mit einer Prämie vergoldet. Nach dem Turnier erklärte er: „Ich werde oft gefragt, ob ein Job als Vereinstrainer für mich infrage kommen würde – natürlich kommt er infrage. Monetär wäre ein Klub sicher lukrativer. Aber: Die Erlebnisse bei Welt- und Europameisterschaften, die Gespräche mit ausländischen Trainern, die Entwicklung, die ich hier in zwölf Jahren machen konnte – das alles hätte mir ein Verein nicht bieten können.“
WM 2019: Erste Berührungspunkte mit dem Fußball der Frauen
Entwicklung ist also ein Schlagwort, das nicht nur auf seine Teams passt, sondern auch auf den Trainer selbst. Das verrät auch ein Blick auf Wücks Biografie beim DFB, der zu entnehmen ist, dass neben teamübergreifendem Scouting die internationale Analyse „Individuelle Qualität Nachwuchsspieler“ zu den Schwerpunkten gehörte. Im Bereich Fortbildung sind bei Wück, der die Nachwuchsreform des DFB öffentlich als notwendig bezeichnet hat, die Themen Spielanalyse und Leadership zu finden. Und auch ein erster Berührungspunkt mit dem Thema Fußball der Frauen findet sich, denn zu seinen Projekten gehörten neben dem Scouting für die WM 2014 und 2018 auch jenes für das Frauen-Team bei der WM 2019.
Über beide Turniere mit seiner U17, die EM und WM, sagte Wück im Nachhinein, es sei ihm im Umgang mit den Spielern um den unbedingten Glauben gegangen. Im Vorfeld habe er dem Team nicht gesagt, sie könnten es schaffen, sondern, dass sie es schaffen werden. Damit sei ein gewisses Risiko verbunden, er habe der Mannschaft aber vertraut und diesen unbedingten Glauben an jeden Einzelnen im Team weitergeben wollen. Der Weg führte zum Erfolg.
„Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe und empfinde es als große Ehre, diese übernehmen zu dürfen. Dieses Team zu coachen, die vorhandene individuelle Qualität der Spielerinnen weiterzuentwickeln und die Mannschaft damit auch zukunftsfähig für Erfolge zu machen, zählt zu den spannendsten und verantwortungsvollsten Aufgaben im deutschen Fußball.“
Christian Wück über den neuen Job als Natinaltrainer der Frauen
In der Sendung Jeopardy gilt das umgedrehte Quiz-Prinzip, so dass Teilnehmer*innen auf eine vorgegebene Antwort passende Fragen formulieren müssen. Wenn die Antwort im DFB nun also Wück lautet, gibt es dazu durchaus die eine oder andere Frage, zum Beispiel: War er die erste Wahl der Verantwortlichen um Direktorin Nia Künzer? Wie liefen die Gespräche mit Maren Meinert, die ihm als Co-Trainerin zur Seite gestellt ist – und gab es Überlegungen, sie nach ihren Erfolgen mit weiblichen U-Teams zur Chefin zu machen? Welche Rolle hat es in der Nachfolge von Horst Hrubesch gespielt, dass der neben dem Olympischen Fußballturnier auch die ersten Spiele der Qualifikation für die EM betreuen wird, die noch vor Olympia liegen?
Wück hat Zeit, sich in die Besonderheiten einzuarbeiten
Es ist die Art von Fragen, auf die es keine öffentlichen Antworten geben wird. Für den eigenen Hinterkopf sind sie dennoch wichtig. Ebenso wichtig ist es, sich zu vergegenwärtigen, dass der Neue auf diese Prozesse keinen Einfluss hatte. Was er beeinflussen kann, liegt in der Zukunft. Da sind seine Arbeit mit jungen Spielern, die intensive Beschäftigung mit dem guten Übergang von Jugend zu Profi und sein Mut zu auch unbequemer öffentlicher Meinung sicherlich gute Visitenkarten. Die Spielerinnen haben ohnehin keine Berührungsängste mit einem Trainer, da es gerade Hrubesch war, mit dem sie so positive Erfahrungen gemacht haben.
Wichtig wird natürlich sein, dass Wück sich in dem Fußball der Frauen spezifische Themen gut einarbeitet. Neben einem Verständnis für die Strukturen, die Frauen im Fußball durchlaufen, gehören dazu neuere Erkenntnisse darüber, wo sich Trainingsinhalte auch unterscheiden und welche körperlichen Faktoren dabei eine Rolle spielen. Da er seinen Posten nicht direkt antritt, bleibt ihm dafür bereits vorab Zeit, was ein positiver Punkt ist. Wer sieht, dass der DFB trotz neuerer Forschung zu dem Thema auch für die Frauen beim Trikot auf weiße Hosen setzt, bekommt sofort wieder eine Ahnung davon, wie weit der Weg da bis ins Detail noch ist. Ein Bundestrainer, der auf diesem Weg eng an der Seite seiner Spielerinnen steht, wäre ein Gewinn.
oh shit! ernsthaft weiße Hosen bei der neuen Kollektion für die Frauen?
echt unnötig!