Bibiana Steinhaus-Webb beim Spiel in der 2. Bundesliga der Männer am 28.06.2020 zwischen Stuttgart und Darmstadt in Schiedsrichterinnen-Uniform. Sie schaut fragend und macht mit den beiden ausgestreckten Zeigefingern die Auswechsel-Geste. Gleichzeitig sieht es so aus, als deute sie mit dem rechten Zeigefinder auf die Gelbe Karte in ihrer linken Hand.

Zeit für eine mutige DFB-Mission: #50-Prozent-Schiedsrichterinnen-2035!

Der 1. FC Nürnberg veröffentlichte am 5. Februar 2024 ein Statement von Osman Cankaya, Sportlicher Leiter der Clubfrauen. Darin thematisiert der Club gravierende Fehlentscheidungen des Schiedsrichterinnen-Gespanns beim letzten Spiel des FCN beim SV Werder Bremen und in der laufenden Saison insgesamt. Osman Cankaya fordert sowohl ein Ausbildungskonzept zur Förderung von Schiedsrichterinnen, als auch als „kurzfristige“ Lösung, (wieder) Männer in der Bundesliga einzusetzen. Das kommentierte am 6. Februar Nina Potzel vom Die45-Podcast ebenfalls auf Insta.

Den Rant den ich unter Ninas Video kommentierte, findet Ihr jetzt auch (überarbeitet und ergänzt) hier auf Eurer Bolztribüne. Und damit: Moin, ich bin Mo. Ich bin neu hier.


Moin!

Es war der DFB, der 1993 1 umstellte von meist männlichen Schiris auf 100% Schiedsrichterinnen. Für ein paar Jahre waren wir quasi Ausbildungsbetrieb, weil das – natürlich – kein bisschen vorbereitet worden war. Dann hat sich der DFB – wie gewohnt – nur spärlich gekümmert: 1997 Umstellung von der zweigleisigen Liga mit insgesamt 20 Teams auf die eingleisige Bundesliga mit (bis heute!) 12 Teams. Die 2004 eingeführte 2. Bundesliga begann zweigleisig mit 24 Teams und ist erst seit 2021 eingleisig mit 14 Teams. So hängt der DFB bei der Entwicklung des Fußballs in der Frauenkategorie – ebenfalls wie gewohnt – weiterhin eher hinterher. So haben sie im Schiedsrichter*innen-Wesen zum Beispiel nie für mehr, als die wenigen (weil unaufhaltbaren) Schiedsrichterinnen im Leistungsfußball der Männerkategorie gesorgt.

Boys will be Boys – Bundesliga-Edition

Nun ist in den letzten Jahren ein 11er-Rat an Männerproficlubs geworden. And Boys will be Boys: Über Schiri*s und Fehlentscheidungen lamentieren und dann eine wirklich absurd sexistische ‚Lösung‘ vorschlagen? Wow, Nürnberg, shame on you! Wir konnten den Fußball-Ligabetrieb in der Frauenkategorie nicht vor dieser Übernahme durch Proficlubs (m) bewahren. Wie auch?

Und darum kommt es, wie es vermutlich kommen musste: Nicht nur gibt es immer weniger Cheftrainerinnen (sehr herzliche Grüße gehen raus an Theresa Merk beim SC Freiburg). Jetzt sollen auch so schnell wie möglich viele, wenn nicht sogar am liebsten alle Schiedsrichterinnen erstmal raus – „der Club“ bleibt da freundlich unkonkret2. Fußball ist und bleibt in Deutschland eine Branche von und für cis Männer. Mit wenig strategischer Energie für systematische und zügige Professionalisierung der Wettbewerbe in allen Geschlechterkategorien und des Schiedsrichter*innen-Wesens. Die eigenen ‚Versäumnisse‘ machen viele Verantwortliche regelmäßig zu mehr Fußball-Jobs für mehr cis Männer.

Der DFB ist gefragt, hier mit klugen und ernsthaft effektiven Konzepten endlich aufzuholen, was seit 50+ Jahren und gerade auch in den letzten Jahren des internationalen WoSo3-Booms jenseits deutscher Grenzen verschleppt, versäumt, vertagt wurde.

Überfällige Zielgröße 50%!

Challenge: Ab 2035 werden mindestens die Hälfte aller Bundesliga-und DFB-Pokalspiele in allen Altersklassen und Geschlechterkategorien von Schiedsrichterinnen geleitet. Go for it, DFB!

!

Grüße gehen raus an alle Schiedsrichterinnen seit den 1960ern!
Thanks for your service. It is now your time to finally enter the stage.

Internette Grüße
Mo.


Kommentierte Links zum Thema:

  • „Die ersten Schiedsrichterinnen“
    – Podcast-Episode mit Sabine Asgodom und Petra Tabarelli vom 24. Juni 2021 bei Legende Verloren
  • „Steinhaus-Webb verlässt den DFB Richtung England“
    – Eine von zahlreichen Kurzmeldungen dazu aus dem August 2021, random pick von Spiegel.Online
    Warme Worte zum Abschied in der DFB-Meldung vom 09. August 2021. (Wie ist der Stand der dort erhofften Zusammenarbeit von DFB und FA oder der englischen Schiri*vereinigung PGMOL, für die Steinhaus-Webb seitdem arbeitet?)
  • „Steinhaus ist Unterzeichnerin des Positionspapiers „Fußball kann mehr“ für mehr Frauen im Fußball, das im Mai 2021 veröffentlicht wurde. Daraufhin wurde ihr aus dem Vorstand des DFB nahegelegt, sich sehr genau zu überlegen, ob sie Teil dieser Initiative sein wolle.“
    aus dem deutschsprachigen Wikipedia-Artikel zu Bibiana Steinhaus-Webb (abgerufen: 06.02.2024)
  • „UNPARTEIISCH – Deutschlands Elite-Schiedsrichter“ (q.e.d.4)
    Die ARD-Dokuserie zeigt anhand ihrer Einblicke in die Saison 2022/23, wie sehr Männer mit Männern arbeiten und dabei fast ausnahmslos Männern begegnen. Eine warme, herzliche Schiri-Community, in der Deniz Aytekin eine der wichtigsten Führungspersönlichkeiten ist. Checkt einfach mal außerhalb der Extra-Folge über einige Schiedsrichterinnen in – das ist Folge 2 und sie heißt „Gegenwind“: Wie viele der sichtbaren Personen lest Ihr weiblich ein, in welchen Funktionen nehmt Ihr sie wahr und wie oft kommen sie zu Wort?

Beitragsbild: IMAGO / Jan Huebner

  1. : Die 1. Bundesliga (WoSo), seit 1990 im Portfolio des DFB-Spielbetriebs ↩︎
  2. Das Insta-Team vom FCN konkretisierte in einem (zurecht) angebrachte Korrektur für eine Formulierung in meinem Ur-Rant Kommentar: „Als kurzfristige Maßnahme würden wir lediglich eine Aufstockung des bisherigen Schiedsrichterinnen-Pools durch männliche Schiedsrichter begrüßen, bis die optimierte Ausbildung der Schiedsrichterinnen mittelfristig greift. Nicht mehr, nicht weniger.“ (06.02.2024 ca. 18-19 Uhr) ↩︎
  3. WoSo = Kurzform von Women’s Soccer – Fußball in der Kategorie Frauen ↩︎
  4. q.e.d. = quod erat demonstrandum = „was zu beweisen war“ ↩︎

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Weiß, dass das Leistungsprinzip nicht existiert, seit es sich mit dem 14 im Fußball und in der Welt in Luft auflöste. Mag es herzlich, respekt- und humorvoll mit Menschen und bleibt oft schonungslos direkt, wenn es um Strukturen und Verantwortung geht. CrewDauergast beim Podcast "Legende Verloren". Hütet eine Schatzkiste an Anekdoten und Erinnerungsstücken aus der aktiven Karriere 1981-2001. Ist seit ein paar Jahren wieder näher am Fußball. Veröffentlicht (vor allem digital) seit den späten 1990ern. Hat 2024 50-jähriges Jubiläum, wie einer der WM-Titel der DFB-Männer, die Deutsche Meisterschaft des TuS Wörrstadt und ABBAs ESC-Sieg.

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