Abstiegskampf im Turbomodus: MSV Duisburg – FC Nürnberg 1:2 (0:2)

Durch zwei extrem schnelle Tore springen die Nürnbergerinnen erstmals in dieser Saison nach einem Spieltag von den Abstiegsplätzen der 1. Bundesliga der Frauen. Alexandra Emmerling verkürzt für den MSV Duisburg auf 1:2, doch mit der Niederlage wächst der Abstand auf einen rettenden Tabellenplatz auf sechs Punkte. Spielbericht aus dem Stadion.

Diejenigen, der 1.129 Zuschauenden, die noch am einzigen offenen Kiosk im gesamten Stadion auf ihre Pommes warteten, hatten keine Chance, die ersten beiden Tore des Spiels zu sehen. Nur 26 Sekunden nach Anpfiff stand es nämlich schon 1:0 für den FC Nürnberg. Madeleine Steck spielte von der rechten defensiven Außenbahn einen flachen Diagonalpass nach vorn, der eigentlich niemals hätte ankommen dürfen.

FCN: Steck steckt zweimal durch

Aber der MSV war noch so gar nicht sortiert und so fand Stecks Ball Stürmerin Medina Dešić, die kurz zu Franziska Mai prallen ließ. Mai lief mittig aufs Tor und wurde nicht angegriffen, Dešić sprintete rechts in Duisburgs Strafraum und bekam den Ball zurück, Ballannahme, drei kurze Schritte, Flachschuss ins lange Eck, zack, Tor. Für Dešić war es das zweite Saisontor, nachdem sie gegen Bayern München am vergangenen Spieltag vor der Winterpause den Elfmeter zum Unentschieden gegen die amtierenden Meisterinnen verwandelt hatte.

Und noch während alle für sich sortierten, was das jetzt wohl mit diesem Spiel machen würde und am Kiosk hektisch Ketchup aus Plastikflaschen gequetscht wurde, kam für die Duisburgerinnen der zweite Schock. Wieder war der Ausgangspunkt Madeleine Steck mit einem Diagonalpass von hinten rechts, wieder war Medina Dešić ganz allein im Raum vor Duisburgs Sechzehner.

Bloß spielte sie dieses Mal zur hinter die Abwehrkette des MSV gestarteten Vanessa Haim. Mahmutovic kam noch aus dem Tor, konnte den zweiten Gegentreffer aber nicht verhindern (3.). Das Stadion war, abgesehen von einigen mitgereisten Nürnberg-Fans, für einige Momente still und Thomas Gerstner hatte sich sein 100. Bundesligaspiel als MSV-Trainer sicher anders vorgestellt.

Die Aufstellungen: MSV Duisburg – 1. FC Nürnberg 1:2 (0:2)

Die Startaufstellungen beim Spiel des MSV Duisburg gegen den 1. FC Nürnberg am 11. Spieltag der Bundesliga der Frauen in der Saison 2023/24.
Weiß: MSV (4-2-3-1): (1) Ena Mahmutovic (TW), (5) Paula Flach, (25) Ingibjörg Sigurðardóttir, (3) Haley Thomas, (21) Sarah Freutel, (10) Meret Günster, (8) Vanessa Fürst (C), (18) Jelena Prvulović, (24) Lisa Josten, (19) Antonia Halverkamps, (9) Taryn Ries.
Rot: FCN (5-3-2): (25) Kristin Krammer (TW), (12) Amelie Thöle, (6) Jessica May, (27) Lara Schmidt (C), (28) Madeleine Steck, (15) Rebekka Salfelder, (74) Amira Arfaoui, (37) Selma Sól Magnúsdóttir, (18) Franziska Mai, (19) Vanessa Haim, (30) Medina Dešić.

Das Problem in beiden Situationen war die Organisation beim MSV, die Spielerinnen ließen sich von Nürnberg mit nur wenigen Pässen sehr weit auseinanderziehen. Jelena Prvulović orientierte sich, wie oben in der Grafik zu erahnen ist, an Rebekka Salfelder.

Lisa Josten und Taryn Ries hätten vor beiden Toren mehr Druck auf Steck machen müssen, um ihre Pässe zu verhindern. Außerdem waren Vanessa Fürst und Meret Günster beide Male nicht gut positioniert und ließen Dešić hinter sich entwischen.

Das Team von Thomas Oostendorp ließ die Duisburgerinnen aber nach dieser furiosen Anfangsphase immer mehr ins Spiel kommen, schon in der fünften Minute schickte die aus Bremen gekommene Lisa Josten mit einem langen Ball auf den rechten Flügel Antonia Halverkamps, ihr Schuss ging aber am langen Pfosten vorbei. Nach rund einer Viertelstunde war die Partie von den Spielanteilen her einigermaßen ausgeglichen, viele Chancen gab es nicht. Die Fans trommelten ihrem Team aber Mut zu.

MSV: Alexandra Emmerling trifft für Duisburg

Gerstner wechselte direkt nach der Pause zweimal und brachte Jana Radosavljević und Alexandra Emmerling für Jelena Prvulović und Vanessa Fürst, bei Nürnberg kam Dana Leskinen für Salfelder auf den Platz. Die Duisburgerinnen waren jetzt viel näher an ihren Gegenspielerinnen und kamen zu einigen guten Ballgewinnen im Mittelfeld.

Nach einem solchen fiel auch das Anschlusstor und dieses Mal waren es die Nürnbergerinnen, die zu viel Platz ließen. Josten lief völlig frei durchs Mittelfeld und spielte zu Emmerling, die Prvulovićs Position auf dem linken Flügel übernommen hatte. Sie hatte bei ihrem Schuss Glück, weil der Ball von Steck unhaltbar abgefälscht wurde (54.).

Danach hatten beide Seiten Chancen, die Duisburgerinnen aber die etwas besseren. Allerdings wurde das Spiel auch immer zerfahrener, es gab einige kleine Fouls und Zeitspiel, allein in den letzten zehn Minuten gab es fünf Gelbe Karten, im ganzen Spiel sieben.

Und so sehr Duisburg auch drückte, wirkten die Nürnbergerinnen ausgefuchster. Zudem wirkte es so, als seien die Neuzugänge beim FCN bereits besser ins Spiel integriert. Kein Wunder, schließlich hat Osman Cankaya den Kader eher punktuell verstärkt – beim MSV gab es dagegen eine Art Winter-Umbruch.

Die Duisburgerinnen haben nur eine kurze Pause, denn schon am kommenden Freitag geht es in der Bundesliga wieder in einem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim, Nürnberg reist am Samstag zum SV Werder Bremen.

Spielerinnen des Spiels: Selma Sól Magnúsdóttir und Meret Günster

Es wäre sehr einfach und verdient, Medina Dešić mit ihrem Blitzstart mit Tor und Vorlage in den ersten drei Spielminuten hier noch einmal herauszuheben, aber manchmal muss man dahingehen, wo’s wehtut. Und das taten definitiv Dešićs neue Teamkollegin Selma Sól Magnúsdóttir und ihr Gegenüber beim MSV, Meret Günster.

Foto: IMAGO / Bildbyran. Selma Sól Magnúsdóttir feiert im Trikot von Rosenborg mit dem norwegischen Pokal. Leider gab es bei unserem Dienstleister keine Bilder vom Spiel MSV – FCN.

Die isländische Nationalspielerin Magnúsdóttir kam in der Winterpause aus der norwegischen Toppserien von den Vize-Meisterinnen und Pokalsiegerinnen Rosenborg BK und ist eine defensive Mittelfeldspielerin. Bei ihrem ersten Pflichtspiel für Nürnberg überzeugte sie mit sehr guter Übersicht in der Defensive und war für Duisburg ein großer Störfaktor. Magnúsdóttir spielte wie ein Anker für Mai und Arfaoui, die offensiver unterwegs waren.

Besonders mit Nürnbergs anderem Neuzugang aus Leverkusen ergaben sich gute Kombinationen in der ersten Hälfte, weil die quirlige Arfaoui sich – während Magnúsdóttir noch den Ball eroberte – schon für einen Pass anbot. Das alles ist noch ausbaufähig, aber ließ erkennen, wie sich das Mittelfeldspiel Nürnbergs in den nächsten Wochen entwickeln könnte. In der zweiten Hälfte ging diese Griffigkeit etwas verloren und das lag auch an Meret Günster.

Meret Günster: Stammspielerin beim MSV

Günster hat die Trikotnummer 10 und spielte in der Jugend Futsal, aber es sollte niemand glauben, dass die 21-Jährige nicht auch eine absolute Monstergrätsche auspacken kann, wenn es sein muss. Sie kommt schon jetzt auf 51 Bundesliga-Spiele, dennoch ist diese Saison ihre erste als richtige Stammspielerin, Günster wurde im Laufe der Hinrunde erst zweimal ausgewechselt und verpasste die ganze Saison nur rund 39 Spielminuten.

Nominell startete sie mit Duisburgs Kapitänin Vanessa Fürst neben sich als Doppelsechs. Allerdings waren die Abstände zwischen den beiden und ihren offensiven Teamkolleginnen vor ihnen in der Anfangsphase so groß, dass dieses Loch schnell gestopft werden musste. Fürst orientierte sich sehr an den Bewegungen von Arfaoui und ließ sich weiter nach vorne ziehen, Günster hatte allein einen großen Raum zu decken.

In der zweiten Halbzeit gelang ihr das sehr viel besser, weil sie sehr viel klarer als alleinige defensive Mittelfeldspielerin auflaufen konnte und ihre Mitspielerinnen vor ihr die Abstände im Pressing kürzer hielten. Während also die Duisburgerinnen vor ihr die Gegnerinnen unter Druck setzten, konnte Günster die unter Druck gespielten Bälle in der eigenen Hälfte erlaufen oder ein Laufduell mit einer gut getimten Grätsche beenden.

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Annika Becker berichtet als Journalistin unter anderem für OneFootball und sportschau.de über die Bundesliga der Frauen. In ihren Kolumnen für web.de beleuchtet sie die strukturellen Themen im Fußball. Seit 2022 gehört sie zur Jury des Guardian für die Wahl der „100 Best Female Footballers In The World“. Becker ist Teil der Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“, ansonsten podcastet sie bei der „Halbfeldflanke“ und ist als Expertin zum Beispiel im DLF oder bei der BBC zu hören. Für den Rasenfunk war sie bei der WM 2023 in Australien. An den Wochenenden findet man sie auch privat meist im Stadion, denn Beckers Fußball-Herz schlägt für zwei Ruhrgebietsvereine: den FC Schalke 04 und die SGS Essen.