Nia Künzer sitzt auf ihrer Vorstellungs-Pressekonferenz vor der Sponsorenwand hinter ihrem Mikro. (Credit: IMAGO/Schüler)

Direktorin Frauen und U20: Nia Künzer komplettiert das DFB-Quartett

Vier Stränge beschreibt Nia Künzer mit Blick auf sich selbst. Da sei zum einen die ehemalige Spielerin und TV-Expertin, sozusagen die öffentliche Person im Sport. Als zweites nennt die studierte Pädagogin ihren Berufsweg außerhalb des Fußballs, in dem sie zuletzt eine Führungsposition im Regierungspräsidium Gießen innehatte. Strang Nummer drei die Ehrenämter, in denen sie sich neben Sport für die Schulbildung von Mädchen in Bangladesch oder Suchtvorbeugung bei Kindern und Jugendlichen einsetzt. Viertens schließlich ihr Familienhintergrund: Künzer ist in Mochudi (Botswana) geboren, wo ihre Eltern seinerzeit als Entwicklungshelfer*innen arbeiteten.

Dieser persönliche Weg sei, subsummierte Künzer, prägend für ihren Blick, der eben immer mehrperspektivisch ausfalle. Und wenn es sein muss durchaus mal kritisch, könnte man nach mancher Bemerkung der ehemaligen Nationalspielerin gegenüber dem Verband hinzufügen. Wobei sie bei der Pressekonferenz am Donnerstag extrem bedacht schien in ihren Aussagen.

Ein letztes Mosaiksteinchen

Mit Künzer als neuer Direktorin für den Fußball der Frauen hat man beim DFB auch das letzte Mosaiksteinchen für die Erneuerung in Struktur und Personalien gefunden, die nach dem Ende der Ära Oliver Bierhoff angekündigt worden war. Unterhalb von Andreas Rettig als Geschäftsführer agieren formal auf einer Ebene Rudi Völler für die Nationalelf und U21 der Männer, Nia Künzer für die Nationalelf und U20 der Frauen und Hannes Wolf für den beiderseitigen Nachwuchs, dessen Training und Entwicklung.

Die von Künzer angesprochenen Stränge sorgen zunächst dafür, dass die Entscheidung für ihre Person von quasi allen Seiten wohlwollend aufgenommen worden ist, was schon etwas heißen mag. Schließlich konnte der immer wieder auch stolpernde DFB zuletzt kaum etwas richtigmachen. Insofern ist der Start Künzers im Verband hoffnungsstiftend; aber Hoffnung ist, im Wortsinne, auch ihr zweiter Vorname: Tsholofelo.

Ihren kritischen Blick, betont die neue Direktorin, wolle sie sich als künftiger Teil der Bubble erhalten. Die angesprochene Blase Profifußball kann den Blick von außen unbedingt brauchen – und es ist ein Glücksfall, dass Künzer beides mitbringt: Die einstigen Erfahrungen aus dem Sport selbst sowie den über die letzten Jahre erworbenen Abstand.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Direktorin Nia Künzer und Geschäftsführer Andreas Rettig bei der Pressekonferenz am DFB-Campus. (Foto: IMAGO/Kessler)

Vergleicht man die neue Struktur mit dem „System Bierhoff“, so ist es sicher eine positive Entwicklung, dass die Verantwortung nun auf mehreren Schultern ruht. Auch die Tatsache, dass im Profibereich – anders als in der Jugend – eine Verantwortliche speziell für Fußball der Frauen geschaffen wurde, ist ein guter, aber auch ein überfälliger Schritt. Wie nun diese verschiedenen Positionen und Personen im Alltag harmonieren werden, wo sie sich in einer Zusammenarbeit überschneiden und wo getrennt agieren, bleibt zunächst abzuwarten.

Metaebene: Eine Frau unter Männern

Auf der Metaebene ist Künzers Rolle die vieler Frauen im Fußball: Sie ist in dieser ersten Reihe die Eine unter Männern. Das prägt nicht nur ihre Erfahrungen, sondern wird ebenfalls beeinflussen, wie andere auf ihre Arbeit schauen. (Zu Letzterem könnte sicher Donata Hopfen die eine oder andere Erfahrung teilen.) Die Art und Weise, wie die DFB-Direktorin bei der Pressekonferenz auftritt, erzählt dieses Erleben zwischen den Zeilen. Künzer weist energisch, aber mit einem Lächeln, darauf hin, dass sie eine Frage ebenfalls beantworten wolle, zu der Rettig und Neuendorf bereits etwas gesagt haben. Sie lächelt, wenn Rettig erklärt, man wisse noch nicht, was ihre Schultern aushalten – und witzelt charmant darüber, dass der Geschäftsführer in der Vergangenheit schon fast damit kokettiert hat, keine Ahnung vom Fußball der Frauen zu haben.

Wir sind nicht nur ein Verband, der sich um Männerfußball kümmert.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Eigene, zunächst eher vage getroffene Aussagen korrigiert Künzer und verleiht ihnen in der zweiten Formulierung mehr Entschlossenheit. Ihre Rolle sieht sie, so scheint es, realistisch – und weiß genau, woran sie inhaltlich zuerst gemessen werden wird: An der Besetzung des Nationaltrainer*innen-Postens nämlich, und welche Erfolge die von ihr gewählte Person zu produzieren vermag.

Künzer ist im Fußball der Frauen in den letzten 25 Jahren ein derart vertrautes Gesicht, man muss sich manchmal selbst ermahnen, dass daraus nicht resultiert, an einem solchen Tag ihre Gedanken lesen zu können. Ist ihre Mischung aus Zurückhaltung und zu Scherzen aufgelegt zu sein Ergebnis von Nervosität – oder ihr Naturell? Wie empfindet sie es wirklich, wenn Rettig witzelt, er dachte, sie sei nur wegen ihm zum DFB gekommen? Wägt sie ihre Worte ab, weil die Rolle neu ist, oder weil sie niemanden vor den Kopf stoßen will? Und wie viele Gedanken macht sie sich um das Thema „Eine unter Vielen“, als einzige Frau auf dem Podium, in dieser Ebene der Verantwortung?

Vorsicht beim Füllen von Leerstellen

In der Einschätzung von Situationen gibt es immer Leerstellen zu füllen. In der Regel fallen vorangegangene Beobachtungen da hinein, die man über die Personen getätigt hat, natürlich landen dort aber auch eigene Empfindungen. In einen kurzzeitig gedankenverlorenen Blick, ein Lächeln oder Schnaufen Künzers oder ihr Spiel mit dem Kugelschreiber liest womöglich jede Person in der Presserunde etwas anderes hinein. Und auch, wenn diese Reaktionen gar nicht Bestandteil der Artikel sind, die im Nachgang entstehen, prägen sie unterbewusst doch deren Ton. Es ist kein Fehler, sich das von Zeit zu Zeit zu vergegenwärtigen.

Es ist ein sinnvoller Start für das Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Nia Künzer in ihrer noch neuen Rolle, wenn in einer solchen PK in großer Runde allgemeine Fragen beantwortet werden. Allzu viel Aussagekraft haben derlei Termine dennoch nicht. Wirklich spannend ist, was Künzer im Alltag umtreibt, wie sie Gespräche führt und Menschen wahrnimmt, welche Gedanken sie am Ende ihrer Tage begleiten. Von all dem wird in den kommenden Wochen und Monaten die Arbeit der neuen Direktorin erzählen.

Und diese Arbeit wird auch Zeugnis dessen sein, wie viel Raum der DFB ihr zugesteht dabei, im Innen und Außen zu wirken und sich zu entfalten. Der Verband selbst, so scheint es, kann an der Tätigkeit seiner externen Internen nur wachsen. Und Wachstum würde ihm guttun.

Beitragsbild: Imago/Schüler

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Mara Pfeiffer begleitet als Journalistin seit vielen Jahren den 1. FSV Mainz 05 mit Analysen und Kolumnen. In TV- & Radio ist sie als Expertin rund um Fußballthemen auf und neben dem Platz zu Gast. Sie gehört zur Crew von „FRÜF – Frauen reden über Fußball“. Für Sport1 spricht Pfeiffer im Podcast „Flutlicht an!“ mit Menschen über Fußball, die zu wenig im Rampenlicht stehen. In ihrer web.de-Kolumne schreibt sie über gesellschaftliche Schieflagen und wie diese sich im Fußball wiederspiegeln. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur und Autorin von neun Büchern, darunter Sachbücher und Krimis rund um Mainz 05, sowie die Biografie von Wolfgang Frank. Das Medium Magazin wählte Pfeiffer bei den Journalist*innen des Jahres im Sport 2022 auf Platz 3.